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  • · Fachbeitrag · Übergangsrecht nach dem KostRÄG 2021

    § 60 RVG und „erweiterte“ Angelegenheiten

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Probleme können sich in Übergangsmandaten ergeben, wenn sich quasi im Verfahrensgegenstand Parameter ändern: Für die Gebühren bei der Verbindung von Verfahren regelt dies der unverändert gebliebene § 60 Abs. 2 RVG. Danach ist für die gesamte Vergütung das bisherige Recht anzuwenden, sofern für einen der Gegenstände wegen der Auftragserteilung altes Recht gilt. Auf das Datum der anderen Auftragserteilungen kommt es nicht an. Bei Klageerweiterung, Widerklage, Verbundverfahren etc. gilt nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG altes Recht. Besonderheiten sind auch beim Anwalts- und beim Parteiwechsel zu beachten. |

     

    • Beispiel 1: Verfahrensverbindung und zusammengerechnete Werte

    Rechtsanwalt R reicht im Dezember 2020 für Mandant M Klage gegen den Gegner B über die Zahlung von 10.000 EUR ein. Die Klage wird im Januar 2021 zugestellt. B erhebt daraufhin seinerseits eine selbstständige Klage gegen M über 8.000 EUR. Gemäß § 145 ZPO werden beide Verfahren im Februar 2021 miteinander verbunden und gemeinsam verhandelt. Führend ist das Klageverfahren des M.

     

    Lösung

    Die Vergütung im Klageverfahren des M richtet sich nach altem Recht und die Vergütung im Klageverfahren des B bis zur Verbindung der Verfahren nach neuem Recht (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG).

     

    Nach der Verbindung werden die Gebühren gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zwar aus den zusammengerechneten Werten berechnet. Für die weiteren, nach der Verbindung entstehenden Gebühren wird aber insgesamt altes Recht angewendet (§ 60 Abs. 2 RVG). Hier gilt insofern ein „gespaltenes Kostenrecht“.

     

    Im Einzelnen kann R also wie folgt abrechnen:

    1. Verfahren M bis zur Verbindung (altes Recht)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR

    725,40 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    2. Verfahren B bis zur Verbindung (neues Recht)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 8.000 EUR

    652,60 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    3. Verfahren nach Verbindung (altes Recht)

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 18.000 EUR

    835,20 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    428,11 EUR

    2.681,31 EUR

     

    Beachten Sie | Die Grundsätze des § 60 Abs. 2 RVG gelten nicht nur in Zivilverfahren, sondern analog auch in Straf- und sozialrechtlichen Angelegenheiten.

     

     

    • Beispiel 2: Klageerweiterung

    In einem Verkehrsunfallprozess gegen den Halter H des gegnerischen Fahrzeugs erweitert der Rechtsanwalt R des Klägers K nach dem 31.12.20 die Klage auch gegen den Fahrer F, um diesen als Zeugen auszuschalten. F bestellt einen eigenen Anwalt A. Für die Anwaltsgebühren gilt:

     

    Lösung

    Die Klageerweiterung eröffnet weder für den R noch für den Anwalt des bisherigen Beklagten H oder für die Haftpflichtversicherung eine neue Angelegenheit. Sie stellt vielmehr nur eine Erweiterung der bisherigen Angelegenheit dar, sodass es wegen des Auftrags vor dem 1.1.21 bei der Anwendung des bisherigen Gebührenrechts bleibt (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG).

     

    Durch die Klageerweiterung wird aber erstmals auch ein Dritter ‒ hier F ‒ mit in den Rechtsstreit einbezogen. Für dessen Rechtsanwalt A wird neues Vergütungsrecht angewendet, weil dieser den Auftrag zum Tätigwerden erst nach dem 31.12.20 erhalten hat (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Insofern kommt es hier zu einem gespaltenen Kostenrecht.