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  • · Fachbeitrag · Kostenfestsetzung

    Unstreitige Zahlung hindert Kostenfestsetzung

    | In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Obsiegende seine Kosten zur Festsetzung anmeldet und der Unterlegene diese vor der Festsetzung zahlt, indem er auf die Bankverbindung des Rechtsanwalts des Obsiegenden überweist. Kann das Gericht die Kosten dennoch festsetzen? Nein, sagt das OLG Celle ‒ mit lesenswerter Begründung. |

     

    Relevanz für die Praxis

    Wird im Kostenfestsetzungsverfahren unstreitig, dass der Kostenschuldner die zur Festsetzung beantragten Kosten bezahlt hat, fehlt dem Kostengläubiger das Rechtsschutzbedürfnis, das Kostenfestsetzungsverfahren fortzusetzen. Ein dennoch erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss ist auf sofortige Beschwerde des Kostenschuldners aufzuheben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens muss der Kostengläubiger tragen (OLG Celle 26.11.18, 2 W 221/18, Abruf-Nr. 210649).

     

    Das Kostenfestsetzungsverfahren hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren darauf zugeschnitten, Kostentatbestände formal zu prüfen und einfache Fragen des Kostenrechts zu klären.

     

    Aus diesem Grund ist es auf den Rechtspfleger übertragen. Zwischen den Parteien streitige Tatsachen und kompliziertere Rechtsfragen sollen in diesem Verfahren nicht geklärt werden.

     

    Materiell-rechtliche Einwendungen gegen einen Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Für sie steht nur der Weg über § 775 Nr. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (BAG RVGreport 15, 388; BGH RVGprof 14, 206; NJW 07, 1213).

     

    Materiell-rechtliche Einwendungen können jedoch ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen berücksichtigt werden. Dann müssen deren tatsächliche Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig (OLG Brandenburg JurBüro 19, 309) sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Sind die materiell-rechtlichen Einwendungen also z. B. rechtskräftig entschieden oder zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO), müssen sie nicht tatrichterlich aufgeklärt werden. Folge: Sie lassen sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären. Deshalb ist es verfahrensökonomisch unsinnig, den Kostenerstattungsschuldner auf eine Vollstreckungsgegenklage zu verweisen. Solche Ausnahmen liegen z. B. in folgenden Fällen vor:

     

    • bei einem von einer Partei an die andere unstreitig gezahlten Prozesskostenvorschuss (BGH PAK 10, 190; OLG Düsseldorf Rpfleger 05, 696),
    • bei fehlender Kostenerstattungspflicht durch Verzicht (BGH NJW 07, 1213; OLG Hamm JurBüro 93, 490; OLG Hamburg MDR 03, 294),
    • bei einem anderen rechtskräftig gewordenen Kostenfestsetzungsbeschluss (Fall des OLG Celle RVG prof. 16, 200) und
    • bei unstreitiger Zahlung.

     

    Die voreilige Zahlung auf das Konto des Prozessbevollmächtigten des Erstattungsberechtigten lässt eine Hebegebühr entstehen (LG Karlsruhe RVG prof. 19, 119). Denn zahlt eine Partei, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, nicht an die gegnerische Partei als Anspruchsinhaberin, sondern an deren Prozessbevollmächtigten, muss dieser die eingegangenen Gelder grundsätzlich unverzüglich weiterleiten. Durch dieses Weiterleiten entstehen notwendigerweise Kosten, nämlich Hebegebühren gemäß Nr. 1009 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer.

     

    Diese Kosten hat aber allein der Erstattungspflichtige verursacht. Folglich muss er diese Kosten dem Erstattungsberechtigten auch erstatten. Sie sind auf Antrag vom Prozessgericht ‒ nicht vom Vollstreckungsgericht gemäß § 788 ZPO ‒ festzusetzen.

     

    In den meisten Fällen, wie dem geschilderten, nimmt die erstattungsberechtigte Partei ihren Kostenfestsetzungsantrag zurück. Dann gibt es keinerlei Probleme.

     

    Dennoch gibt es seitens des Erstattungspflichtigen keinen Grund, voreilig zu zahlen. Denn es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Erstattungsberechtigte überhöhte Kosten anmelden (z. B. zu hohe Gebühren oder Auslagen). Wenn dann der Erstattungspflichtige im Rahmen des ihm übersandten Kostenfestsetzungsantrags diese „überhöhten“ Kosten zahlt, hat er damit das Nachsehen.

     

    PRAXISTIPP | Lassen Sie daher den Rechtspfleger den Kostenfestsetzungsantrag prüfen. Befindet er diesen als falsch, wird er entsprechende Kosten absetzen. Befindet er ihn für richtig, wird er ohnehin ebenfalls festsetzen.

     

    Unabhängig davon, wie das Gericht verfährt: Der Kostenfestsetzungsbeschluss wird dem Erstattungspflichtigen bzw. seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt. Dann besteht immer noch genügend Zeit, um die festgesetzte Forderung zu begleichen. Denn eine Vollstreckung des Erstattungsberechtigten verlangt zum einen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung. Zum anderen muss auch eine zweiwöchige Wartefrist abgelaufen sein (§ 798 ZPO).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Erstattung von Hebegebühren bei unmittelbarer Zahlung an Bevollmächtigten, RVG prof. 19, 119
    • Kostenfestsetzungsverfahren: Materielle Einwendungen werden nur in Grenzen berücksichtigt, RVG prof. 14, 206
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 169 | ID 46075084