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  • · Fachbeitrag · Gerichtsgebühren im Unterhaltsabänderungsverfahren

    Diese wichtigen Aspekte sind bei Eilentscheidung und gerichtlichem Vergleich zu beachten

    von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin

    | Wird in einem Unterhaltsabänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, können sich die Gerichtsgebühren erheblich reduzieren. Hat das Gericht vor dem Vergleichsabschluss bereits eine Eilentscheidung erlassen, sollten Sie die Gerichtskostenrechnung am Schluss des Verfahrens besonders genau prüfen. Denn möglicherweise hat der Kostenbeamte in diesem Fall die Gebührenreduzierung nicht beachtet, was sich auf die nachfolgende Kostenfestsetzung auswirkt. |

    1. Grundsatz der Gebührenreduzierung müssen Sie kennen

    In erster Instanz vor dem Familiengericht entsteht in einem Unterhaltsverfahren eine 3,0-Gebühr (Nr. 1220 KV FamGKG). Diese Gebühr reduziert sich im Falle eines Vergleichs auf 1,0 (Nr. 1221 Nr. 3 KV FamGKG), wenn keine „andere Endentscheidung als eine der in Nummer 2 genannten Entscheidungen vorausgegangen ist“. Die Nummer 2 der Nr. 1221 KV FamGKG benennt insoweit eine „Anerkenntnis- oder Verzichtsentscheidung oder Endentscheidung, die nach § 38 Abs. 4 Nr. 2 oder 3 FamFG keine Begründung enthält oder nur deshalb eine Begründung enthält, weil zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht wird (§ 38 Abs. 5 Nr. 4 FamFG)“.

    2. Grundsatz gilt auch bei gerichtlichen Eilentscheidungen

    Gerade in Unterhaltsabänderungsverfahren (§§ 238, 239 FamFG) wird der Antrag auf Abänderung der titulierten Unterhaltsverpflichtung häufig mit einem Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 242 FamFG i. V. m. § 769 ZPO) verbunden. Hierbei handelt es sich um eine gerichtliche Eilentscheidung. Dabei entspricht es der regelmäßigen Praxis der Familiengerichte, dem Antragsgegner neben der Antragserwiderungsfrist eine in der Regel noch kürzer bemessene Frist zum Eilantrag zu setzen, um möglichst zügig eine Entscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu treffen.

     

    Beschließt das Gericht dann darüber (wobei es keine Rolle spielt, ob es dem Antrag stattgibt oder ihn zurückweist) und schließen die Beteiligten später einen Vergleich zur Beendigung des Verfahrens, könnte „auf den ersten Blick“ die Eilentscheidung einer Gebührenermäßigung entgegenstehen. Denn sie ist keine in der Nummer 2 der Nr. 1221 KV FamGKG genannte Entscheidung.

     

    Die Tätigkeit des Anwalts wegen der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung wird nicht gesondert vergütet, sondern ist durch die allgemeine Verfahrensgebühr für die Hauptsache mit abgegolten. Denn die Entscheidung über die vorläufige Einstellung steht inhaltlich in einem so engen Zusammenhang, dass über sie ‒ wenn überhaupt ‒ in der Praxis immer zusammen mit der Hauptsache vom Gericht verhandelt wird. Häufig hat das Gericht bis dahin sowieso bereits einen Beschluss dazu erlassen.

     

    Beachten Sie | Ausnahmsweise würde wegen § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG nur etwas anderes gelten, wenn ausschließlich über die vorläufige Einstellung eine abgesonderte mündliche Verhandlung stattfindet. Dieser Fall kommt in der Praxis allerdings so gut wie nie vor.

    3. Achtung: Nicht jede Entscheidung ist eine Endentscheidung

    Nicht jede Entscheidung des Gerichts stellt zugleich auch eine Endentscheidung i. S. d. Verfahrens- bzw. Kostenrechts dar. Die in Nummer 2 der Nr. 1221 KV FamGKG genannte Einschränkung zielt lediglich auf Endentscheidungen in der Hauptsache ab. Der Beschluss des Familiengerichts über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist keine Endentscheidung in der Hauptsache zur Unterhaltsabänderung, sondern verfahrensrechtlich nur eine Nebenentscheidung (BGH NJW 04, 2224). Solche Nebenentscheidungen schließen die Ermäßigung der Gerichtsgebühren also nicht aus (NK-GK / H. Schneider, 3. Aufl., Nr. 1221 KV FamGKG Rn. 11).

    4. Über die Kosten einigt man sich oder Gericht entscheidet

    Oft treffen die Beteiligten eines Vergleichs die Kostenregelung, dass „die Kosten gegeneinander aufgehoben“ werden. D. h., die Gerichtskosten werden geteilt und jeder trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst. Das entspricht den Regelungen nach § 83 Abs. 1 FamFG und § 98 ZPO.

     

    Treffen die Beteiligten keine Kostenregelung, muss das Familiengericht in Unterhaltssachen nach § 243 FamFG seine Kostenentscheidung nach „billigem Ermessen“ treffen. Es kann sich dabei bei einem Vergleich insbesondere am Rechtsgedanken des § 98 ZPO orientieren (OLG Frankfurt FamRZ 21, 543; BGH, AGS 11, 615) und daher ebenfalls die Kosten gegeneinander aufheben.

    5. Wenn der Antragsteller die Kostenfestsetzung beantragt ...

    Werden die Kosten gegeneinander aufgehoben, kann der Antragsteller in der Regel die Hälfte der Gerichtskosten vom Antragsgegner erstattet verlangen.

     

    MERKE | Das gilt im Regelfall, in dem

    • der geleistete Gerichtskostenvorschuss (§ 14 Abs. 1 S. 1 FamGKG) aufgrund des unveränderten Verfahrenswerts die entstandenen Gerichtskosten deckt und
    • die Gerichtskasse daher die auf den Antragsgegner entfallende Kostenschuld mit dem vom Antragsteller (als Antragsschuldner gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 FamGKG und Vergleichsschuldner gemäß § 21 Abs. 2 FamGKG) geleisteten Vorschuss verrechnet.
     

    Eine andere Ausgangslage kann sich jedoch durch verschiedene andere Faktoren ergeben. Diese sind z. B. die Erhöhung des nach § 55 Abs. 2 FamGKG vom Gericht endgültig festgesetzten Verfahrenswerts, eine verschiedene Kostenquote oder die unterschiedliche Höhe der bei einem Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten.

     

    Beachten Sie | Stellt der Antragsteller hier gemäß § 85 FamFG i. V. m. §§ 103 ff. ZPO seinen ‒ oft unbezifferten ‒ Kostenfestsetzungsantrag wegen der zu erstattenden Gerichtskosten, sollten Sie auf Folgendes achten: Das Gericht darf hier nur die verminderte 1,0-Gebühr nach Nr. 1221 Nr. 3 KV GKG in seine Kostenrechnung einstellen.

     

    • Beispiel

    Das Gericht hat den Verfahrenswert auf 12.000 EUR festgesetzt. Der Antragsteller zahlt daher als Gerichtskostenvorschuss 885 EUR (= 3,0-Gebühr) beim Gericht ein. Der Kostenbeamte des Gerichts setzt (fehlerhaft) eine 3,0-Gebühr in der Schlussrechnung an. Der Antragsteller verlangt nun aufgrund der Kostenaufhebung im Weg der Kostenfestsetzung von dem Antragsgegner die Hälfte von 885 EUR = 442,50 EUR erstattet. Ist das korrekt?

     

    Lösung

    Durch den Vergleich haben sich die Gerichtskosten auf 295 EUR (= 1,0-Gebühr) vermindert. Die Gerichtskasse muss die Differenz von 590 EUR (= 885 EUR abzgl. 595 EUR) an den Antragsteller zurückzahlen. Der Antragsteller kann vom Antragsgegner nur die Hälfte von 295 EUR = 147,50 EUR erstattet verlangen.

     

    PRAXISTIPP | Sollte Ihnen zusammen mit dem unbezifferten Kostenfestsetzungsantrag keine Abschrift der Schlussrechnung der Gerichtskosten vom Gericht übermittelt worden sein, fordern Sie diese möglichst umgehend zur Prüfung an. Beantragen Sie, dass die Ihnen gewährte Stellungnahmefrist zum Kostenfestsetzungsantrag erst mit Erhalt der Abschrift zu laufen beginnt. Denn erst dann sind Sie überhaupt in der Lage, die Höhe der vom Gericht berechneten Gerichtskosten und damit die zur Festsetzung beantragte Erstattung zu prüfen und sachgerecht Stellung zu nehmen.

     

    6. Wenn das Gericht die volle 3,0-Gerichtsgebühr berechnet ...

    Hat der Kostenbeamte die Gebührenreduzierung nicht beachtet, muss der Antragsgegner im Kostenfestsetzungsverfahren das Gericht auf diesen Fehler hinweisen und folgerichtig auch die teilweise Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags (KfA) in Höhe der überhöhten Gerichtskosten beantragen (s. Muster am Beitragsende, iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 49740094).

     

    MERKE | Der Rechtspfleger ist insoweit nicht an die ergangene Kostenrechnung gebunden. Er ist vielmehr zur eigenständigen Prüfung verpflichtet, ob aufseiten des erstattungsberechtigten Beteiligten die Gerichtskosten angefallen und von der Gegenseite auszugleichen sind (OLG Frankfurt RVG prof. 20, 120, unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr.).

     

    Zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Verfahrens zählen nur die in Übereinstimmung mit dem Gebührenrecht erhobenen Gerichtskosten (OLG Frankfurt, a. a. O.; MüKo-ZPO/Schulz, 6. Aufl., § 91 Rn. 54). Deshalb kann der erstattungsberechtigte Antragsteller Gerichtskosten, die zu Unrecht gegen ihn angesetzt worden sind und die er unter Verzicht auf eine Erinnerung (§ 57 FamGKG) bezahlt hat, nicht vom Gegner erstattet verlangen. In diesem Fall muss er sich an die Gerichtskasse halten.

     

    Musterformulierung / Antrag auf Zurückweisung des KfA

    An das AG

    ‒ Familiengericht ‒

     

    Az: …

     

    In der Familiensache (…) wird beantragt,

     

    den Kostenfestsetzungsantrag vom … des Antragstellers zurückzuweisen, soweit er mehr als … EUR zur Festsetzung beantragt.

     

    • 1. Die Erstattungsforderung von … EUR ist teilweise unbegründet, da der Kostenansatz fehlerhaft ist.
    •  
    • Im vorliegenden Verfahren sind aufgrund des Vergleiches vom … nicht Gerichtskosten von … EUR (= 3,0-Gebühr nach Nr. 1220 KV FamGKG), sondern lediglich von … EUR (= 1,0-Gebühr nach Nr. 1221 Nr. 3 KV FamGKG) entstanden.
    •  
    • Dabei steht der Gebührenermäßigung auch nicht etwa der Beschluss vom … über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung entgegen. Zwar tritt eine Gebührenermäßigung nicht ein, wenn „bereits eine andere Endentscheidung als eine der in Nummer 2 genannten Entscheidungen vorausgegangen ist“. Der vorläufige Einstellungsbeschluss stellt aber keine Endentscheidung in der Hauptsache, sondern nur eine Nebenentscheidung dar (BGHZ 159, 14). Nebenentscheidungen schließen die Ermäßigung gerade nicht aus (NK-GK / H. Schneider, 3. Aufl., Nr. 1221 KV FamGKG Rn. 11).
    •  
    • 2. Der/Die entscheidende Rechtspfleger/in ist insoweit nicht an die ergangene Kostenrechnung gebunden. Er/sie bleibt zur eigenständigen Prüfung verpflichtet, ob aufseiten des erstattungsberechtigten Beteiligten die Gerichtskosten angefallen und von der Gegenseite auszugleichen sind (OLG Frankfurt RVG prof. 20, 120, unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr.). Denn zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Verfahrens zählen nur die in Übereinstimmung mit dem Gebührenrecht erhobenen Gerichtskosten (OLG Frankfurt, a. a. O.; MüKo-ZPO/Schulz, 6. Aufl., § 91 Rn. 54). Deshalb kann der erstattungsberechtigte Beteiligte Gerichtskosten, die zu Unrecht gegen ihn angesetzt worden sind und die er unter Verzicht auf eine Kostenerinnerung bezahlt hat, nicht vom Gegner erstattet verlangen, sondern muss sich an die Gerichtskasse halten (OLG Frankfurt, a. a. O.; Schulz, a. a. O.).
    •  

    So liegt der Fall hier. Wenn der Antragsteller darauf verzichtet, gegen die unrichtige Kostenrechnung nach § 57 FamGKG vorzugehen, kann er insoweit keine Erstattung von dem Antragsgegner fordern. Sein Antrag ist teilweise, und zwar in Höhe von … EUR, unbegründet und daher zurückzuweisen.

     

    gez. Rechtsanwalt

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 192 | ID 49736537