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  • · Fachbeitrag · Einigungsgebühr

    Materiell-rechtlich formunwirksame Einigung

    | In der Praxis besteht immer wieder der Irrglaube, dass die Einigungsgebühr auch entsteht, wenn materiell-rechtlich zwar eine Form vorgeschrieben ist, diese aber nicht eingehalten wird. Der folgende Beitrag klärt auf. |

     

    1. Typischer Praxisfall

    Durch Mithilfe des Rechtsanwalts R kommt es zwischen den streitenden Ehegatten M und F zu einer schriftlichen Einigung über die gemeinsame Immobilie. M überträgt seine Haushälfte auf F. Hierdurch soll eine Teilungsversteigerung vermieden werden. Zudem sollen Notar- und Gerichtskosten vermieden werden. Kann R eine Einigungsgebühr verlangen?

     

    2. Lösung

    Antwort: Nein. Grundsätzlich ist der Abschluss einer Einigung formfrei möglich, sodass auch eine mündliche Zusage bzw. schlüssiges Verhalten eine Einigungsgebühr auslösen kann (OLG München AGS 10, 423; LG Darmstadt AnwBl 72, 235; AnwK/RVG-N. Schneider, 8. Aufl., VV 1000 Rn. 47).

     

    Bei der Einigungsgebühr handelt es sich um eine Erfolgsgebühr. Sie kann deshalb nur für eine wirksame Einigung erwachsen. Kann aufgrund materieller Vorschriften eine Einigung rechtsverbindlich nur in einer bestimmten Form abgegeben werden, liegt ohne Einhaltung der Form keine wirksame Einigung vor (OLG Karlsruhe AGS 12, 135). Dies ist insbesondere der Fall bei (AnwK/RVG, a. a. O., Rn. 48)

    • Grundstücksgeschäften (§ 311b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB),
    • Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich während des Ehescheidungsverfahrens oder für den Fall der Scheidung (§ 1378 Abs. 3 S. 2 BGB),
    • Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich (§ 1408 Abs. 2 S. 1, § 1410 BGB, § 7 VersAusglG),
    • Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung (§ 1585c S. 2 BGB) und
    • Verfügungen über einen Anteil am Nachlass (§ 2033 Abs. 1 S. 2 BGB).

     

    In diesem Zusammenhang spielt die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs gemäß § 127a BGB in der Praxis eine große Rolle. Dort heißt es: „Die notarielle Beurkundung wird bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt.“

     

    Ist eine Einigung danach formbedürftig, ersetzt ein nach der Verfahrensordnung ordnungsgemäß errichtetes gerichtliches Protokoll gemäß § 127a BGB jegliche Form, sodass die Einigung mit der Protokollierung zustande kommt (AG Groß-Gerau JurBüro 98, 76; OLG Oldenburg JurBüro 11, 416; AnwK/RVG, a. a. O., Rn. 50). Ist die gesetzliche Form dagegen nicht gewahrt, liegt auch keine wirksame Einigung i. S. d. Nr. 1000 VV RVG vor. Das bedeutet, dass die Beteiligten im Ausgangsfall den Vergleich hätten protokollieren lassen müssen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 18 | ID 45519651