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  • · Fachbeitrag · Beratungshilfe

    Elektronischer Vergütungsfestsetzungsantrag: Berechtigungsschein im Original vorlegen?

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

    | In welcher Form muss ein Berechtigungsschein für die Inanspruchnahme von Beratungshilfe einem Vergütungsfestsetzungsantrag beigefügt werden? Das OLG Saarbrücken hat jetzt ‒ offensichtlich als erstes (Ober-)Gericht ‒ entschieden: Bei einem elektronisch gestellten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung, dem der Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt ist, ist die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins erforderlich, wenn das Festsetzungsorgan sie zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs der Beratungsperson für erforderlich hält. |

     

    Sachverhalt

    Dem Rechtsuchenden war ein Berechtigungsschein für die Inanspruchnahme von Beratungshilfe erteilt worden. Der beratende Rechtsanwalt reichte seinen Vergütungsfestsetzungsantrag im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs ein. Dem Antrag hatte er eine Ablichtung des Berechtigungsscheins beigefügt. Der Vergütungsantrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Antrag der Berechtigungsschein nicht im Original beigefügt sei.

     

    Das AG hat der Erinnerung des Rechtsanwalts stattgegeben. Auf die Beschwerde der Landeskasse hat das LG Saarbrücken (RVGreport 19, 478) den AG-Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Das OLG Saarbrücken hob die Entscheidung des LG auf (16.12.19, 9 W 30/19, Abruf-Nr. 214115).

     

    Entscheidungsgründe

    Das praktische Problem besteht nach Ansicht des OLG darin, dass auf dem nach § 1 Nr. 2 BerHFV Anlage 2 zu verwendenden Formular für den Antrag auf Zahlung einer Vergütung in der Textzeile das Folgende (Zutreffende) anzukreuzen ist:

     

    • Amtliches Formular

    ☐ Der Berechtigungsschein im Original oder ☐ der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe ist beigefügt.

     

    Hierauf gestützt wird allgemein angenommen, dass die Beratungsperson den erteilten Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorlegen muss (vgl. NK-GK/Stollenwerk, 2. Aufl., § 55 RVG Rn. 9; Poller/Teubel/Köpf, Gesamtes Kostenhilferecht, § 55 RVG Rn. 22; Lissner/Dietrich, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 3. Aufl., Rn. 344).

     

    Der Senat wählt jedoch einen praktisch durchführbaren Mittelweg: Zumindest dann, wenn der Festsetzungsantrag ‒ wie hier ‒ in elektronischer Form eingereicht wird, ist die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins nicht in jedem Fall erforderlich.

     

    Gemäß § 12b S. 2 RVG i. V. m. § 14 Abs. 2 S. 1 FamFG können nämlich Anträge in Beratungshilfeangelegenheiten auch als elektronisches Dokument übermittelt werden. Das gilt auch für den Antrag auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gemäß § 55 RVG. Aus der Verweisung in § 55 Abs. 5 S. 1 RVG auf § 104 Abs. 2 ZPO folgt, dass es für die Festsetzung der beanspruchten Vergütung genügt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines in Nr. 2500 ff. VV RVG geregelten Gebührentatbestands glaubhaft gemacht sind (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 55 Rn. 33).

     

    Folge: Die Gebühr ist also festzusetzen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen spricht (BGH NJW 07, 2187).

     

    Die somit bei der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs erforderliche Glaubhaftmachung, dass der Rechtsuchende unter Vorlage des Berechtigungsscheins um eine Beratung oder Vertretung gebeten hat, kann dadurch erfolgen, dass die Beratungsperson den ihr von dem Rechtsuchenden ausgehändigten Berechtigungsschein im Original vorlegt. Zwingend erforderlich ist das gemäß § 55 Abs. 5 S. 1 RVG i. V. m. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO aber nicht, sofern das Gericht aufgrund sonstiger Umstände das Vorliegen dieser Voraussetzung für glaubhaft gemacht hält.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung löst ein in der Praxis auftretendes Problem sachgerecht. Denn bei Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ist übersehen worden, eine eventuelle Formbedürftigkeit des Berechtigungsscheins bei einem elektronischen Vergütungsfestsetzungsantrag ausdrücklich gesetzlich zu regeln.

     

    PRAXISTIPP | Achten Sie bei der Vergütungsfestsetzung daher darauf, die tatsächlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Vergütung glaubhaft zu machen.

     

    Hier ging es um eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG. Der Rechtsanwalt hatte die als elektronisches Dokument übermittelte Abbildung des Berechtigungsscheins mit Ergänzungen versehen, und zwar mit einer Diagonallinie als Durchstreichung, einer Kennzeichnung als „entwertet“, seinem Kanzleistempel und der Unterschrift. Das hatte das AG als ausreichend angesehen. Das OLG hat sich dem angeschlossen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beratungshilfe: Entstehen der Geschäftsgebühr ‒ Auftrag entscheidet, RVG prof. 18, 203
    • PKH- und Beratungshilfeformular-VO: Vermögensschonbetrag geändert, RVG prof. 17, 131
    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 67 | ID 46356419