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  • · Fachbeitrag · Beratungshilfe

    Außergerichtlicher Einigungsversuch bei „Fast-Nullplan“

    von Dipl.-Rechtspfleger (FH) Stefan Lissner, Konstanz, stellv. Landesvorsitzender des BDR (Baden-Württemberg) und Lehrbeauftragter

    | Außergerichtliche Schuldenbereinigungen auf der Grundlage eines Planes gemäß § 305 InsO spielen in der Praxis eine bedeutende Rolle. Fraglich ist hierbei regelmäßig, in welcher Höhe ein hiermit befasster Anwalt abrechnen kann. Das OLG Stuttgart hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit dieser Thematik befasst. |

     

    Sachverhalt

    Im Fall des OLG Stuttgart wurde ein sog. „Fast-Nullplan“ erstellt (12.9.16, 8 W 291/16, Abruf-Nr. 191620). Dabei bot die Schuldnerin trotz ihres unter der Pfändungsfreigrenze liegenden Arbeitseinkommens an, ihre Schulden über sechs Jahre monatlich i. H. v. 50 EUR zu tilgen. Die gesamte Schuldenlast betrug knapp 50.000 EUR (= Tilgungsquote von 7,21 Prozent). Die Schuldnerin teilte des Weiteren mit, sie könne höhere Beträge zahlen, sofern sich ihre Einkommensverhältnisse innerhalb der genannten sechs Jahre ändern sollten. Sie sei bereits auf der Suche nach einer besser bezahlten Arbeitsstelle.

     

    Der Anwalt der Schuldnerin beantragte im Rahmen der gewährten Beratungshilfe, seine Vergütung auf insgesamt 505,75 EUR festzusetzen. Der UdG setzte jedoch nur 121,38 EUR fest. Die hiergegen gerichtete Erinnerung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren hat das LG den ursprünglich beantragten Betrag festgesetzt und die weitere Beschwerde zugelassen, die der Vertreter der Staatskasse auch eingelegt hat. Das OLG Stuttgart wies die weitere Beschwerde zurück. Es sah hier keine „Perspektivlosigkeitr“ des Nullplans, insbesondere auch im Hinblick auf das junge Alter, die nicht geminderte Erwerbsfähigkeit und dem nicht aussichtslosen Bestreben der Schuldnerin hinsichtlich eines höheren Einkommens.

     

    Relevanz für die Praxis

    Ein verschuldeter Verbraucher kann zurzeit nur ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen, wenn eine geeignete Person bzw. Stelle i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestätigt, dass er in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung auf der Grundlage eines Plans versucht hat, mit den Gläubigern eine außergerichtliche Einigung zu erzielen und dieser Versuch gescheitert ist. Sofern ein solcher außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan nicht „kostenfrei“ für den Rechtsuchenden angeboten wird, sind damit erhebliche Kosten verbunden.

     

    In der Regel sind aber gerade bedürftige Schuldner nicht in der Lage, diese zu tragen und wären daher von vornherein vom Restschuldbefreiungsverfahren ausgeschlossen. Hier kann eine Kostenübernahme durch die Staatskasse im Rahmen der Beratungshilfe Abhilfe schaffen.

     

    Wird sie bewilligt, entstehen - abgesehen von der Schutzgebühr der Nr. 2500 VV RVG in Höhe von 15 EUR - für den Rechtsuchenden keine weiteren Kosten. Der Rechtsanwalt hingegen kann über die Staatskasse abrechnen. Doch auch wenn dem Rechtsanwalt für die beschriebene Tätigkeit Beratungshilfe bewilligt wird, kann er sich seiner Vergütung nicht immer sicher sein.

     

    MERKE | Bereits das OLG Bamberg (MDR 10, 1157) und das OLG Stuttgart (28.1.12, 8 W 35/14, ZInsO 15, 206; 13.11.12, 8 W 399/12) haben argumentiert, dass ein starrer, weil aus Gläubigersicht „perspektivloser“ Nullplan selbst bei entsprechender Bewilligung der Beratungshilfe für den außergerichtlichen Einigungsversuch nicht ausreicht, um die Beratungshilfegebühren zu begründen. Voraussetzung für eine „höhere“ Vergütung ist nach Ansicht beider Gerichte das zusätzliche Bemühen im Rahmen eines wenigstens ernsthaft eine Verhandlungsbasis bietenden Bereinigungskonzepts und dessen Vertretung gegenüber den Gläubigern. Letzteres liegt aber weder bei einem starren, perspektivlosen Nullplan noch bei einem „flexiblen Nullplan“ vor. Das OLG Stuttgart hat in seiner jüngeren Entscheidung (s. o.) die zuvor vertretene Argumentation zwar nicht völlig aufgegeben, jedoch spezifiziert, da der BGH (10.10.13, IX ZB 97/12, Abruf-Nr. 133487) sowohl einen Nullplan als auch einen Fast-Nullplan für zulässig erachtet.

     

    Die Konstellation offenbart das weit verbreitete Problem, wonach im Rahmen der Vergütung der Beratungshilfe höhere Anforderungen an den Schuldenbereinigungsplan gestellt werden, als sie sich etwa aus den insolvenzrechtlichen Anforderungen für das Insolvenzverfahren ergeben. Dort sind starre und flexible Nullpläne nicht nur anerkannt (BGH, s. o.), sondern an der Tagesordnung. Der BGH betont zu Recht, dass sich ein Ausschluss solcher „Nullpläne“ nicht aus dem Gesetz ergebe. Soweit Gerichte vereinzelt noch der Ansicht der OLG Bamberg und Stuttgart (s. o.) folgen, kann daher mit folgender Musterformulierung dagegen argumentiert werden.

     

    Musterformulierung / Festsetzung der Gebühren

    An das AG ..., Az. ...

     

    In der Beratungshilfeangelegenheit ...

     

    wird weiterhin beantragt, die geltend gemachten Gebühren gegenüber der Staatskasse festzusetzen. Entgegen der Ansicht des OLG Bamberg (MDR 10, 1157) und des OLG Stuttgart (ZInsO 15, 206) sind auch starre Nullpläne nach Ansicht des BGH (10.10.2013, IX ZB 97/12) zulässig und reichen für den Gang in das Insolvenzverfahren aus.

     

    Der BGH betont zu Recht, dass sich ein Ausschluss solcher „Nullpläne“ nicht aus dem Gesetz ergebe. Der außergerichtliche Einigungsversuch ist aufgrund persönlicher Beratung in Form eines eingehenden und ausführlichen persönlichen Gesprächs und einer eingehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners erfolgt (AG Potsdam ZInsO 15, 599) und mündete in den vorliegenden Plan. Da der Nullplan für „den Start“ in das Insolvenzverfahren ausreicht (BGH, a. a. O.) und den dortigen Anforderungen genügt, wäre es sinnwidrig, diesen im Rahmen der Erstattung der Gebühren für die Beratungshilfe, die genau diesen Gegenstand verfolgen, nicht anzuerkennen. Die Gebühren sind folglich auch im Rahmen eines starren Nullplans im Rahmen der Beratungshilfe zu erstatten (vgl. Lissner, AGS 14, 442 ff.). Das Gesetz kennt auch keinen Ausschluss von Nullplänen jeglicher Art (BGH, a. a. O.). Insbesondere ist der Plan nicht abhängig von einer - häufig nicht beeinflussbaren - Perspektive der individuellen Leistungsfähigkeit.

     

    Rechtsanwalt

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 50 | ID 44448551