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  • · Nachricht · Anrechnung

    Anrechnungsausschluss durch Urteil zulässig?

    | Der Anwalt des Klägers wird vorgerichtlich tätig. Hierfür entstehen Kosten von 571,44 EUR. Nachdem der Gegner nicht zahlt, erhebt der Anwalt auftragsgemäß Klage. Der Kläger obsiegt. Im Urteil heißt es u. a.: „Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger … EUR sowie als Nebenforderung 571,44 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem … als nicht anrechenbare Verfahrenskosten zu zahlen“. Daraufhin reicht der Klägeranwalt seinen Kostenfestsetzungsantrag ohne Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr ein. Zu Recht? Ist das Gericht daran gebunden? |

     

    Antwort: Nein. Obwohl das Gericht von „nicht anrechenbare Verfahrenskosten“ spricht, sind wohl die vorgerichtlichen Anwaltskosten (Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG) gemeint. Es gilt: Eine nach § 15a RVG vorzunehmende Anrechnung ist nicht von Amts wegen zu beachten. Daher muss dem Erstattungspflichtigen immer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 15a Rn. 57). Es ist Sache des Erstattungspflichtigen, sich auf die Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG zu berufen.

     

    MERKE | Durch § 15a Abs. 2 RVG soll sichergestellt werden, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen wird, den der Anwalt vom Auftraggeber verlangen kann bzw. mehr als dieser Betrag gegenüber dem Dritten tituliert wird. Das leistet nach dem Willen des Gesetzgebers § 15a Abs. 2 RVG (vgl. BT-Drucksache 16/12717, S. 58 f.). Diese klare Zielsetzung wird konterkariert, wenn dem Akteninhalt eindeutig entnommen werden kann, dass die volle Geschäftsgebühr tituliert wurde und gleichzeitig die volle Verfahrensgebühr festgesetzt wird. Dann wird nämlich eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von 1,3 und nach Nr. 3100 VV RVG eine 1,3-Verfahrensgebühr tituliert, obwohl der Anwalt vom Auftraggeber nach § 15a Abs. 1 RVG nur eine volle Gebühr von 1,3 und eine um den Anrechnungsbetrag verminderte Gebühr fordern kann.

     

    Das Gericht muss also nicht von Amts wegen aufklären, ob einer der Anrechnungstatbestände vorliegt. Da es nicht sehenden Auges daran mitwirken darf, einen nach dem Akteninhalt dem materiellen Recht entgegenstehenden Vollstreckungstitel zu schaffen, ist ein nach Aktenlage eindeutiger und sich aufdrängender Anrechnungstatbestand zu berücksichtigen (OLG Hamm 30.7.10, 25 W 328/10).

    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 20 | ID 46275438