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  • · Fachbeitrag · Verfahrens- und terminsgebühr

    Schriftlicher Vergleich im Berufungsverfahren vor Berufungsbegründung

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    • 1.Beschränkt sich die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten darauf, gegenüber dem Gericht anzuzeigen, dass die Parteien sich auf eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits verständigt haben, den Vergleichstext mitzuteilen und darauf hinzuweisen, dass nach der Zustimmung des Beklagten gemäß § 278 Abs. 6 ZPO verfahren werden könne, entsteht nur eine ermäßigte Verfahrensgebühr.
    • 2.Eine Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs entsteht im Berufungsverfahren jedenfalls, wenn dieser noch während der laufenden Frist zur Berufungsbegründung geschlossen wird.

    (OLG Celle 19.6.13, 2 W 134/13, Abruf-Nr. 132664)

     

    Sachverhalt

    Gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung hatte die Beklagte Berufung eingelegt. Noch während der laufenden Berufungsbegründungsfrist hatten die Parteien dann einen Vergleich geschlossen, dessen Zustandekommen sie anschließend nach § 278 Abs. 6 ZPO durch das Berufungsgericht haben feststellen lassen. Der Kläger hatte daraufhin eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG und eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG zur Festsetzung angemeldet. Das LG hat beide Gebühren antragsgemäß festgesetzt.

     

    Gegen die Festsetzung hat die Beklagte sofortige Beschwerde erhoben und eingewandt, die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3201 VV RVG nur in Höhe von 1,1 angefallen. Zudem habe es vor Abschluss des Vergleichs weder einen gerichtlichen Termin gegeben, noch hätten die beteiligten Anwälte eine Besprechung zur Erledigung des Berufungsverfahrens geführt. Daher sei eine Terminsgebühr nicht angefallen. Die sofortige Beschwerde hatte nur hinsichtlich der Verfahrensgebühr Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Klägerin steht nur eine auf 1,1 verminderte Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV RVG zu. Im Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrags im Berufungsverfahren entsteht nur die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr. Eine solche vorzeitige Beendigung liegt vor, wenn der Auftrag endet, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz eingereicht, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, und bevor er einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Das war hier der Fall. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte sich im Berufungsrechtszug nur bestellt, aber noch keinen Antrag gestellt und auch keinen Schriftsatz eingereicht. Die Anzeige gegenüber dem Gericht, dass die Parteien einen Vergleich schließen wollen und dessen Zustandekommen nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt werden solle, genügt nicht, um eine volle Verfahrensgebühr auszulösen.

     

    Die Terminsgebühr war dagegen in Höhe von 1,2 angefallen. Eine Terminsgebühr entsteht nicht nur unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG, also durch Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins, eines Sachverständigentermins oder durch Mitwirkung an Besprechungen zur Erledigung des Verfahrens, sondern kann auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs ausgelöst werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass im zugrunde liegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 i.V. mit Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG). Das war hier der Fall. Die Parteien hatten aufgrund des Vorgehens nach § 278 Abs. 6 ZPO einen schriftlichen Vergleich geschlossen.

     

    Zugrunde lag auch ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung. Ein Berufungsgericht kann zwar nach § 522 Abs. 2 ZPO auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, sodass insoweit eine Terminsgebühr nicht anfallen kann (BGH AGS 07, 397). Solange das Berufungsgericht jedoch noch nicht festgestellt hat, ob die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen und noch nicht in das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO eingetreten ist, liegt noch ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung vor. In dieser Phase kann daher die Terminsgebühr entstehen (BGH RVGprof. 12, 94). Hier war die Berufung noch gar nicht begründet, sodass das Berufungsgericht keine Veranlassung hatte, darüber zu entscheiden, ob ein Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht komme. Damit greifen die Grundsätze der Entscheidung des BGH (RVG prof. 12, 94), sodass vom Anfall einer Terminsgebühr auszugehen ist.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist hinsichtlich der Verfahrensgebühr zutreffend. Die Mitteilung, man habe sich verglichen, das Gericht möge den Vergleich feststellen, ist weder ein Sachantrag noch beinhaltet diese Erklärung Sachvortrag.

     

    Hinsichtlich der Terminsgebühr ist die Entscheidung nur im Ergebnis zutreffend. Sie ist ausgehend von der zitierten Rechtsprechung des BGH zwar konsequent. Allerdings widersprach die Rechtsprechung des BGH bereits der bisherigen Gesetzesfassung. Im Berufungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben (§ 525 S. 1, § 128 Abs. 1 ZPO), sodass eine Terminsgebühr bei einer schriftlichen Entscheidung im Einverständnis der Parteien oder bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs im Berufungsverfahren immer anfällt. Entgegen der Auffassung des BGH gibt es kein gesondertes „Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO“. Zutreffend ist zwar, dass eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO keine Terminsgebühr auslöst, aber nicht deshalb, weil es an einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung fehlt, sondern weil die Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht des Einverständnisses der Parteien bedarf und auch nicht in der Anm. zu Nr. 3202 VV RVG erwähnt wird. Daher löst der schriftliche Vergleich im Berufungsverfahren immer die Terminsgebühr aus, sei es - wie hier - vor Berufungsbegründung oder auch nach der Ankündigung, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Terminsgebühr für außergerichtliche Besprechung trotz Hinweis nach § 522 ZPO, BGH RVG prof. 12, 94, Abruf-Nr. 120484
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 147 | ID 42260835