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  • · Fachbeitrag · Streitwertermittlung

    Notwendige Unterscheidung bei Klage und Widerklage: Fehler führen zu Gebührenverlusten

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    § 45 Abs. 1 S. 3 GKG findet keine Anwendung, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen (hier: voneinander abgrenzbare Teile der Gesamtvergütung des Leasinggebers aus dem Leasingverhältnis) betreffen (BGH 11.3.14, VIII ZR 261/12, Abruf-Nr. 141023).

     

    Praxishinweis

    Die BGH-Entscheidung verdeutlicht jedem gebührenrechtlich denkenden Anwalt, wie wichtig es ist, bei Klage und Widerklage eine korrekte Streitwertermittlung vorzunehmen. Denn gerade die Klage und Widerklage spielen in der gerichtlichen Praxis eine bedeutsame Rolle. Grundsätzlich führen sie zur Streitwertaddition, wenn die Ansprüche in demselben Prozess verhandelt werden (§ 45 Abs. 1 S. 2 GKG) und unterschiedliche Gegenstände vorliegen. Hierdurch soll es den Prozessparteien gebührenrechtlich zugutekommen, dass das Gericht zwar über mehrere Anträge entscheiden muss, sich dafür aber im Wesentlichen auf die Beurteilung des gleichen Streitstoffs beschränken kann und dadurch Arbeitsaufwand erspart wird (BGH NJW-RR 06, 378). Eine Addition der Werte von Klage und Widerklage hat nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht, beide also nicht das wirtschaftlich identische Interesse betreffen. Auf den zivilprozessualen Begriff des Streitgegenstands kommt es dabei nicht an (BGH NJW-RR 05, 506).

     

    Betreffen Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand, ist der höhere Wert zur Streitwertermittlung maßgebend (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG). Dass beide Klagen denselben Gegenstand betreffen, wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Klage im Einzelfall aus einem zusätzlichen, nicht für den Erfolg der Widerklage präjudiziellen Grund abzuweisen ist (KG Berlin Rpfleger 81, 31). Ebenso scheidet eine Wertaddition aus, wenn Klage und Widerklage auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen desselben Lebenssachverhalts beruhen und zudem eine Zusammenrechnung auch nicht dem wirtschaftlichen Wert des Streits entspricht (OLG Celle JurBüro 90, 1036). Derselbe Streitgegenstand liegt nach h.M. bei wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage vor. Diese Identität ist gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen nach sich zieht (BGH NJW-RR 05, 506; AGS 12, 30; OLG Köln JurBüro 97, 316; KG Berlin Rpfleger 62, 120; OLG Bamberg JurBüro 79, 252; OLG Koblenz JurBüro 85, 917). Dies ist unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand der Fall. Die typischen Unterscheidungskriterien verdeutlichen die folgenden Übersichten:

    Rechtsprechungsübersicht / Derselbe Gegenstand

    • Klage auf Herausgabe eines Kfz und Widerklage auf Herausgabe des Kfz-Briefs (KG Berlin Rpfleger 62, 120; OLG Frankfurt JurBüro 61, 87),
    • Klage auf Feststellung der gesetzlichen Erbfolge und Widerklage auf Feststellung der testamentarischen Erbfolge (BGH Rpfleger 75, 127),
    • Klage auf Heraufsetzung und Widerklage auf Herabsetzung einer Enteignungsentschädigung (OLG München JurBüro 76, 1358),
    • Klage auf Gewährleistung und Widerklage auf Herausgabe der zur Forderungssicherung erstellten Bürgschaftsurkunde (OLG Stuttgart JurBüro 80, 896),
    • Geltendmachung wechselseitiger Zugewinnausgleichsansprüche (OLG Köln AGS 01, 110; OLG Koblenz JurBüro 85, 917),
    • Klage und Widerklage auf Einwilligung des jeweiligen Gegners zur Auszahlung eines Bausparguthabens (OLG Düsseldorf JurBüro 84, 1868),
    • Klage auf Mietzins und Feststellungsklage auf Bestehen des Mietverhältnisses, wenn sich die Zeiträume überschneiden (BGH NZM 06, 138; BGH NZM 06, 378),
    • Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung und Widerklage auf Mängelbeseitigung (BGH NJW-RR 06, 378),
    • Klage auf Mängelbeseitigung und Widerklage auf Gewährleistungsansprüche aufgrund des gleichen streitigen Mangels (BGH NZM 04, 423),
    • Klage des Kfz-Versicherers auf Feststellung der Einstandspflicht des Versicherers und der Widerklage des Versicherers auf Rückzahlung eines Darlehens (BGH NJW-RR 05, 506).
     

     

    Rechtsprechungsübersicht / Verschiedene Gegenstände

    • Mit Klage und Widerklage werden nur Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden (BGH, a.a.O., Abruf-Nr. 141023),
    • Klage auf Mietzinszahlung und Widerklage auf Bestehen oder Nichtbestehen des Mietverhältnisses, wenn und soweit der Zeitraum, für den Zahlung verlangt wird, und der, für den der Bestand des Mietverhältnisses festgestellt werden soll, sich nicht decken (BGH NZM 06, 378),
    • Klage auf Rückgewährung einer geleisteten Anzahlung und Widerklage auf Zahlung des restlichen Werklohns (OLG Nürnberg JurBüro 83, 105),
    • Negative Feststellungsklage richtet sich gegen die Klageforderung übersteigende Forderungen (OLG Düsseldorf MDR 03, 236),
    • Wechselseitige Schadenersatzansprüche aus Verkehrsunfall (LG Schwerin AGS 03, 173),
    • Klage des Hypothekengläubigers auf Duldung der Zwangsvollstreckung und Widerklage auf Löschung der Sicherungshypothek (OLGR Celle 00, 271),
    • Klage auf Herausgabe einer Sache und Widerklage auf Zahlung von Werklohn Zug um Zug gegen Herausgabe derselben Sache (OLG Hamburg AGS 00, 230),
    • Werklohnklage und Widerklage auf Vorschussleistung zur Mängelbeseitigung (OLGR Celle 95, 274),
    • Klage auf Werklohn, Widerklage auf Vorschusszahlung (OLGR Hamm 94, 194),
    • Klage gegen Abnehmerverwarnung und Widerklage gegen den Vertrieb eines gebrauchsmusterverletzenden Produkts (OLG Frankfurt JurBüro 95, 145).
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 184 | ID 42903459