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  • · Fachbeitrag · Rahmengebühr

    Worauf Sie für eine höhere Gebühr achten müssen

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | Die Höhe einer Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der in §  14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien nach billigem Ermessen. Wie Sie den Ermessensspielraum normgerecht in Ihrem Sinne ausnutzen, erklärt die Autorin im folgenden Beitrag. |

    1. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit

    Entscheidend ist zunächst der mit dem Mandat verbundene zeitliche Aufwand des Anwalts. Hierfür ist die tatsächlich erbrachte und nicht die vertraglich geschuldete Tätigkeit maßgeblich. In Ansatz gebracht werden können:

     

    • effektive Bearbeitungszeit (z.B. Aktenstudium, Recherche von Rechtsprechung und Literatur, Einarbeitungszeit in entlegene Rechtsgebiete),
    • zeitlicher Aufwand für die Wahrnehmung von außergerichtlichen oder gerichtlichen Terminen (z.B. auswärtige Beweisaufnahme an der Unfallstelle, Dauer des Gerichtstermins oder der Vertragsverhandlung, Anzahl der Zeugen),
    • zeitlicher Aufwand für Gespräche mit dem Mandanten inklusive eventueller Fahrzeiten und die Mandatsabwicklung (z.B. Kostenfestsetzung) und
    • unproduktiver Zeitaufwand (Reise- oder Wartezeiten sowie (Verhandlungs-)Pausen.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch wenn es manchmal lästig erscheint, sollten während des Mandats fortlaufend Notizen zum Zeitaufwand gemacht werden, da sich dieser im Nachhinein nur sehr schwierig rekonstruieren lässt.

     

    2. Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

    Weiter ist die Intensität der anwaltlichen Arbeit zu berücksichtigen. Es ist von der Sicht des Allgemeinanwalts auszugehen und nicht auf die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des konkret tätigen Anwalts abzustellen. Eine Tätigkeit kann auch als schwierig eingestuft werden, wenn es sich bei dem Anwalt um einen Spezialisten auf dem betreffenden Gebiet handelt, für den die Sache weniger schwierig ist als für einen Allgemeinanwalt. Schwierig ist eine Tätigkeit, wenn der Anwalt erheblich über dem Durchschnitt liegende rechtliche oder tatsächliche Probleme zu lösen hat. In Betracht kommen:

     

    • Tätigkeit in Wettbewerbssachen, Vergabesachen, Urheberrechtssachen, Arzthaftungssachen, Kartellrechtsverfahren, europarechtlichen Mandaten, Steuersachen,
    • ungeklärte oder kontrovers diskutierte Rechtsfragen,
    • erforderliche Fremdsprachenkenntnisse,
    • notwendige Hinzuziehung eines Dolmetschers,
    • Vertretung mehrerer Auftraggeber, ohne dass ein Fall des Nr. 1008 VV RVG gegeben ist,
    • besondere buchhalterische oder steuerrechtliche Probleme,
    • Prüfung oder Verwertung medizinischer oder psychiatrischer Gutachten,
    • technisch schwierige Unfallrekonstruktion,
    • schwieriger Umgang mit dem Mandanten aufgrund dessen Persönlichkeitsstruktur und
    • Verständigungsprobleme mit dem Mandanten wegen Sprachschwierigkeiten oder Schwerhörigkeit oder Sehbehinderung.

     

    Mindernd kann dagegen zu berücksichtigen sein, wenn sich ein Verfahren auf einzelne Punkte beschränkt (z.B. die Beschränkung einer Berufung auf das Strafmaß) oder bei bloßer Einlegung eines Rechtsbehelfs ohne Begründung. Als unterdurchschnittlich schwierig gelten:

     

    • Durchsetzung des Kaufpreises beim Kauf von beweglichen Sachen,
    • Kündigung von Wohnungsmietverträgen bei Mietrückständen und
    • Durchsetzung unstreitiger Ansprüche.

     

    Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist für jede Instanz gesondert zu prüfen. Sind die Umstände also in erster Instanz beseitigt worden, so dürfen sie im Rechtsmittelverfahren nicht mehr herangezogen werden.

    3. Bedeutung der Angelegenheit

    Die Bedeutung der Angelegenheit ist aus der Sicht des Auftraggebers zu ermitteln. Dabei ist neben der tatsächlichen und rechtlichen Bedeutung auch auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ideellen Auswirkungen des Ausgangs der Angelegenheit abzustellen. Die Bedeutung der Tätigkeit für den Rechtsanwalt ist hingegen ebenso irrelevant wie die Bedeutung für die Allgemeinheit. Eine besondere Bedeutung liegt vor, wenn sie für den Mandanten zu beruflichen Konsequenzen führen kann, aber auch, wenn ihm allgemeine Sanktionen drohen. Denkbare Fälle sind:

     

    • Führerscheinentzug für einen Berufskraftfahrer oder einen Handelsvertreter,
    • Einberufung eines Arztes zum Wehrdienst,
    • berufliche Nachteile für einen Rechtsreferendar,
    • Fahrverbot,
    • Eintragung in das Verkehrszentralregister oder Gewerbezentralregister,
    • nachfolgende Disziplinarmaßnahmen für einen Beamten,
    • großes öffentliches Interesse am Verfahren (Medienwirksamkeit),
    • Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Stellung durch Verurteilung oder
    • präjudizielle Wirkung der Angelegenheit für weitere Verfahren (Schadenersatzansprüche).

     

    4. Einkommensverhältnisse des Auftraggebers

    Auch die Einkommensverhältnisse des Auftraggebers spielen bei der Gebührenbemessung eine Rolle. Ausgegangen wird von den durchschnittlichen Einkommensverhältnissen, wie sie das Statistische Bundesamt jährlich feststellt. Bei überdurchschnittlichem Einkommen ist eine höhere Gebühr gerechtfertigt, bei unterdurchschnittlichem Einkommen eine geringere. Nicht jede Abweichung vom Durchschnittseinkommen (rund 1.500 EUR) ist bemessungsrelevant, sondern nur eine erhebliche Differenz ab 20 Prozent.

    5. Vermögensverhältnisse des Auftraggebers

    Maßstab für die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abrechnung der Angelegenheit. Der übliche Hausrat und ein kleineres Sparguthaben gelten als Normalfall. Bei minderjährigen Kindern werden die Vermögensverhältnisse der Eltern herangezogen. Im Übrigen kommt es aber auf die Vermögensverhältnisse eines erstattungspflichtigen Dritten nicht an, da dieser nicht Vergütungsschuldner des Anwalts ist. Eine Gebührenerhöhung ist nur gerechtfertigt, wenn die Abweichung vom Vermögensdurchschnitt signifikant ist.

     

    • Beispiel 1

    Ein angemessenes, vom Mandanten und seinen Angehörigen selbst bewohntes Ein- oder Zweifamilienhaus wird regelmäßig keinen Aufschlag rechtfertigen.

     

    Unterdurchschnittliche Vermögensverhältnisse (z.B. erhebliche Verschuldung) mindern die Gebühr. Ein Indikator ist die Bewilligung von Prozess- und Verfahrenskostenhilfe oder der Empfang von Grundsicherungsleistungen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sollten bei Mandatsübernahme erfragt und in der Handakte vermerkt werden. In Betracht kommt sogar eine Besserung der Verhältnisse durch eine erfolgreiche Anwaltstätigkeit und eine dadurch bedingte Vermögensmehrung des Mandanten.

     

    6. Besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts

    Bei diesem Merkmal unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Satzrahmen- und Betragsrahmengebühren, § 14 Abs. 1 S. 2, 3 RVG. Für letztere ist ein Haftungsrisiko stets zu beachten, weil der Wert des Gegenstands für die Gebühr keine Rolle spielt. Bei einer Satzrahmengebühr (z.B. Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG) findet das Haftungsrisiko regelmäßig über den Gegenstandswert Eingang in die Gebührenbemessung. Eine haftungsbedingte Gebührenanhebung kommt nur in Betracht („kann“), wenn für den Anwalt ein besonderes Haftungsrisiko hinzutritt, das über den eigentlichen Gegenstand des Auftrags hinausgeht. Dies gilt etwa, wenn die Wertvorschriften Begrenzungen enthalten, wie z.B. in §§ 41, 42 GKG oder auch, wenn die Wertgrenzen nach § 22 Abs. 2 RVG, § 39 S. 2 GKG überschritten werden.

     

    • Beispiel 2

    Der Gegenstandswert in einem Räumungsrechtsstreit beläuft sich nach § 41 Abs. 2 GKG auf den Jahresmietwert. Das Haftungsrisiko kann weit höher liegen, etwa wenn der Mandant infolge des verlorenen Räumungsrechtsstreits über mehrere Jahre an eine für ihn ungünstige Vermietung gebunden bleibt oder er das weiterhin vermietete Objekt nur zu einem geringeren Preis veräußern kann.

     

     

    • Beispiel 3

    Der Anwalt ist mit der Vertretung in einer Angelegenheit beauftragt, in der es um Schadenersatz in Höhe von 100 Millionen Euro geht. Nach § 22 Abs. 2 RVG ist der Wert jedoch auf 30 Millionen Euro begrenzt, sodass das (weitergehende) Haftungsrisiko des Anwalts nicht über die Gebühren abgegolten wird.

     

    Auch in sonstigen Angelegenheiten kann das Haftungsrisiko des Anwalts in Relation zum Gegenstandswert weit höher liegen, z.B. in folgenden Fällen:

     

    • steuerrechtliche Beratung mit weitreichenden Folgen,
    • Vertragsgestaltung von Eheverträgen, letztwilligen Verfügungen oder im Gesellschaftsrecht,
    • Entwurf von Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
    • Betreuung von Rechtsgeschäften, die Grundlage für den Abschluss von Folgegeschäften sind, z.B. der für die Erschließung eines größeren Bauabschnitts notwendige Grundstückserwerb und
    • Übernahme eines Mandats unmittelbar vor Verjährungseintritt (erheblicher Zeitdruck in der Mandatsbearbeitung).

    7. Unbenannte Merkmale

    Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 RVG ist nicht abschließend. In die Berechnung einfließen können z.B. zudem folgende Kriterien:

     

    • Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit,
    • Reputation des Anwalts, zumal sich der Anwalt seinen Ruf durch Fortbildung und Spezialisierung in der Regel kostenaufwendig erwerben muss,
    • Arbeit an Samstagen, Sonn- und Feiertagen oder in der Nacht (empfohlen wird ein Zuschlag von 0,2 bis 0,3 für die Arbeit an Samstagen, von 0,3 bis 0,4 für die an Sonntagen und von 0,4 bis 0,5 für die an Feiertagen),
    • besondere Umstände des Falls (z.B. drohende Verjährung, Fristablauf) und/oder die Weisungen des Auftraggebers, die eine besondere Mandatsbearbeitung veranlassen),
    • Interessenvertretung des Mandanten gegenüber der Presse,
    • Bedrohung des Rechtsanwalts durch den Gegner oder
    • Kostenstruktur der Anwaltskanzlei.
    •  

    Weiterführender Hinweis

    • In RVG prof. 4/14 wird der Beitrag fortgesetzt.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 45 | ID 42497950