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  • · Fachbeitrag · Rahmengebühr

    Gebührenbestimmung: Toleranzbereich ausnutzen

    von RiOLG Dr. Julia Bettina Onderka, Köln

    | Möchten Sie eine angemessene Rahmengebühr bestimmen, sind Sie nicht an eine Einteilung in Mindest-, Mittel- oder Höchstgebühr (Onderka, AK 14, 66) gebunden, sondern können die Gebühr innerhalb des Betrags- oder Satzrahmens bestimmen. Lesen Sie im Folgenden eine Musterformulierung zur Gebührenbestimmung. |

    1. Gebühren ermessensfehlerfrei bestimmen und fordern

    Die Gebührenbestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Mandanten. Eine besondere Begründung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. In Durchschnittsfällen, vor allem wenn die Mittelgebühr angesetzt wird, kann als Erklärung genügen:

     

    Musterformulierung / Bestimmung der Mittelgebühr

    In der Anlage übersende ich Ihnen nach Abschluss meiner Tätigkeit in der Sache ... meine Vergütungsabrechnung. Im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit habe ich die Mittelgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe eines Gebührensatzes von 1,5 in Rechnung gestellt.

     

     

    PRAXISHINWEIS | Bei einem Abweichen von der Mittelgebühr oder dem Überschreiten des Schwellenwerts wird aber dringend geraten, die Vergütung mit besonderer Sorgfalt zu begründen und in einem etwaigen Vergütungsprozess substanziiert zu allen Bewertungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG vorzutragen. Ein anwaltliches Schweigen zu den Bewertungskriterien provoziert Rückfragen und Beschwerden des Mandanten, was eine Mandantenbeziehung ohne Not gefährdet.

     

    Die Bestimmung der Gebühr muss der Billigkeit entsprechen und darf die angemessene Gebühr nicht deutlich übersteigen. Die Rechtsfolgen einer unbilligen Bestimmung regelt das RVG nicht, sodass § 315 Abs. 3 BGB Anwendung findet. Im Verhältnis zum Auftraggeber ist die Billigkeit in vollem Umfang überprüfbar. Dies bedeutet aber nicht, dass die Gebührenbestimmung bis auf den Cent überprüft werden kann. Vielmehr steht dem Anwalt ein Ermessensspielraum (Toleranzbereich) von etwa 20 Prozent zu. Innerhalb dieses Rahmens ist seine Entscheidung gerichtlich nicht überprüfbar.

     

    Auch im Hinblick auf diesen Toleranzbereich kann jedoch eine über dem Schwellenwert liegende Geschäftsgebühr nur verlangt werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Abweichende Entscheidungen des BGH (AGS 11, 120; AGS 12, 220) sind überholt (AGS 12, 373): Bei der Frage, ob eine Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung des Anwalts, sondern um Tatbestandsmerkmale des Gebührentatbestands. Diese sind voll gerichtlich überprüfbar.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Anwalt darf die Darlegung der konkreten Gebühr nicht auf die Aussage beschränken, dass für eine durchschnittliche Angelegenheit nur aufgrund des Toleranzbereichs eine um 20 Prozent über dem Schwellenwert liegende Gebühr verlangt werden könne. Dies ist eine Überschreitung des anwaltlichen Ermessensspielraums, da der Toleranzbereich nur die anwaltliche Gebührenbestimmung schützt, jedoch kein gebührenerhöhendes Bewertungskriterium ist.

     

    Hat der Anwalt die Gebühr unbillig bestimmt, ist die Bestimmung insgesamt unverbindlich. Das Gericht bestimmt die billige Gebühr nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch Urteil. Es setzt die Gebühr nicht herab, sondern vollständig neu fest. Das Gericht darf seinen eigenen Maßstab anlegen. Es ist nicht etwa gezwungen, den höchsten, gerade noch nicht unbilligen Betrag anzunehmen.

    2. Bindung an den gewählten Gebührensatz

    Hat der Anwalt die Bestimmung nach § 14 Abs. 1 RVG getroffen, ist er an den gewählten Gebührensatz gebunden. Ausnahmen gibt es nur, wenn der Anwalt

    • sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten hat,
    • einen Gebührentatbestand übersehen hat (Berechnungsirrtum),
    • die Gebühren neu bestimmt, da er nach der Abrechnung wieder tätig wird oder
    • vom Auftraggeber über die Bemessungsfaktoren getäuscht wurde.

     

    Die Erhöhung des Gebührensatzes oder des Gebührenbetrags kann bei der letzten Variante indes nur auf Umstände gestützt werden, die nach Erledigung des ersten Auftrags entstanden sind. § 15 Abs. 5 S. 1 RVG steht dem nicht entgegen, da der Anwalt keine Gebühren erneut erhält, sondern lediglich einen höheren Betrag oder einen höheren Satz.

     

    • Beispiel

    In einer außergerichtlichen Angelegenheit teilt Mandant M dem Anwalt A mit, die Sache habe sich erledigt. A rechnet daraufhin eine 1,5-Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) ab, die auch bezahlt wird. Wenige Wochen später soll A in dieser Sache weiter tätig werden. Für die weitere Tätigkeit erhält er keine neuen Gebühren. A kann hierfür aber den restlichen Gebührenrahmen (bis zu 2,5) noch ausschöpfen.

     

     

    Rechnet der Anwalt eine Vergütung nach Satzrahmengebühren ab (z.B. die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG), muss er für die Berechnung nicht nur die konkrete Gebühr, sondern auch den Gegenstandswert bestimmen. An die Bestimmung des Gegenstandswerts ist er jedoch nicht gebunden, sodass er diesen nachträglich (das heißt nach Abrechnung der Angelegenheit) noch korrigieren kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Erste Teile der Beitragsserie in RVG prof. 14, 45 und 14, 66
    • Einzelheiten zu Gebührenvereinbarungen in einer der folgenden Ausgaben
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 82 | ID 42588869