Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kostenrecht

    Beweis- und Hauptsacheverfahren bilden kostenrechtlich eine Einheit

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die Kosten eines im selbstständigen Beweisverfahren beigetretenen Streithelfers setzt nicht dessen Beitritt im Hauptsacheverfahren voraus (BGH 5.12.13, VII ZB 15/12, Abruf-Nr. 140229).

     

    Sachverhalt

    Klägerin K und die Beklagte B sind Parteien eines selbstständigen Beweisverfahrens. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist in diesem Verfahren der B als Streithelferin S beigetreten. In dem sich anschließenden Klageverfahren, an dem sich S nicht beteiligt hat, hat das LG gegen B ein Anerkenntnisurteil erlassen und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die Kosten der S enthält das Urteil nicht.

     

    Auf die sofortige Beschwerde der B hat das OLG die Kostenentscheidung abgeändert und der K die Kosten des Rechtsstreits nach § 93 ZPO auferlegt. Zustellungen an S sind nicht erfolgt. Ihren Antrag, das Urteil des LG nach § 321 Abs. 1 ZPO im Kostenausspruch dahingehend zu ergänzen, dass K auch die Kosten der S tragen muss, hat das LG durch Urteil abgewiesen. Hiergegen hat S sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Das LG habe eine Kostenentscheidung zugunsten der S nicht treffen können, da es die Kosten der B, der Hauptpartei, auferlegt habe. Zugleich hat das OLG den Ergänzungsantrag der S als Ergänzungsantrag des OLG-Beschlusses ausgelegt und als unbegründet zurückgewiesen. S hat erfolgreich Rechtsbeschwerde eingelegt.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Antrag nach § 321 ZPO ist zulässig und begründet, da der Lauf der Antragsfrist nach Abs. 2 der Norm noch nicht begonnen hat. Erforderlich ist hierfür die Zustellung des Kostenbeschlusses an S. Die Zustellung an die Hauptpartei setzt den Lauf der Antragsfrist nicht in Gang. Der Streithelfer, der eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen will, verfolgt nur sein eigenes Interesse. Daher ist er nicht von der Zustellung an die Hauptpartei abhängig. Ihm ist es möglich, auf eine Ergänzung der Entscheidung hinzuwirken, solange er von dem Ergebnis der seine Kosten nicht berücksichtigenden Entscheidung nichts weiß. Zuverlässige Kenntnis kann ihm regelmäßig nur die Zustellung der Kostenentscheidung verschaffen.

     

    Der Antrag ist auch begründet. Über die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens ist im sich anschließenden Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Da das Beweis- und das Hauptsacheverfahren kostenrechtlich eine Einheit bilden, umfassen die Kosten des Rechtsstreits stets auch die Kosten eines vorausgegangenen selbstständigen Beweisverfahrens, wenn zumindest ein Teil der Streitgegenstände und die Parteien identisch sind.

     

    Praxishinweis

    Streitig war, ob § 101 Abs. 1 ZPO im Hauptsacheverfahren Anwendung findet, wenn der Streithelfer des selbstständigen Beweisverfahrens dem Hauptsacheverfahren nicht beitritt. Während die h.M. einen Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers zuerkennt, unabhängig davon, ob er im Hauptsacheverfahren beitritt (OLG Hamm NJW 13, 2130; Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl., § 101 Rn. 2), hält eine Mindermeinung den Beitritt im Hauptsacheverfahren für nötig (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 101 Rn. 2). Der BGH schließt sich der h.M. an und schafft Rechtssicherheit: § 101 Abs. 1 ZPO wird für das Beweisverfahren entsprechend angewandt, auch bei Prozessbeendigung durch Vergleich (BGH 19.12.13, VII ZB 11/12, Abruf-Nr. 140299).

     

    Die Vorschriften des selbstständigen Beweisverfahrens regeln die Kostentragung nur in § 494a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Kosten sind dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn er nicht in einer ihm vom Gericht auf Antrag des Antragsgegners bestimmten Frist Klage erhebt. In dieser Kostenentscheidung ist entsprechend § 101 Abs. 1 ZPO über die Kosten des Streithelfers zu entscheiden. Wenn der Antragsteller Klage erhoben hat, ist es dem Antragsgegner und seinem Streithelfer verwehrt, einen Antrag nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO zu stellen. Eine Entscheidung über die dem Streithelfer im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens entstandenen Kosten kann also nur im Hauptsacheverfahren von Amts wegen ergehen. Andernfalls wäre der Streithelfer gezwungen, dem Hauptsacheverfahren beizutreten, auch ohne Interesse am inhaltlichen Ausgang. Dies widerspricht dem Zweck der Nebenintervention: Ein Dritter soll die Möglichkeit haben, sich am Rechtsstreit zu beteiligen, an dessen inhaltlicher Entscheidung er ein rechtliches Interesse hat. Ausschließliches Ziel wäre aber vorliegend, eine günstige Kostenentscheidung herbeizuführen. Hinzu kommt, dass der Streithelfer vor dem LG oder OLG für den Beitritt einen Anwalt beauftragen und neue Kosten verursachen müsste. Ein Beitritt setzt ferner voraus, dass der Streithelfer rechtzeitig vom Hauptsacherechtsstreit erfährt. Erhält er erst nach dessen Abschluss Kenntnis, könnte er mangels eines materiellen Anspruchs keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch mehr geltend machen. Der Hauptpartei wird regelmäßig in Bezug auf die Streitverkündung und deren Kosten keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen sein. Ein Beitritt des Streithelfers im Hauptsacheverfahren widerspricht auch dem Kosteninteresse der gegnerischen Partei, die im Unterliegensfall die zusätzlichen Kosten tragen müsste. Die folgende Checkliste fasst die Gründe für die h.M. zusammen:

     

    Checkliste / Gründe für die Meinung des BGH

    • 1. Zweck der Nebenintervention: Für einen Beitritt kommt es auf ein rechtliches Interesse, nicht auf ein wirtschaftliches, an.
    • 2. Beitritt des Streithelfers vor dem LG/OLG würde weitere Kosten verursachen, da der Streithelfer einen Anwalt beauftragen müsste.
    • 3. Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers würde davon abhängen, wann er von dem Hauptsacheverfahren erfährt.
    • 4. Beitritt des Streithelfers widerspricht dem Kosteninteresse der gegnerischen Partei, die im Fall des Unterliegens die zusätzliche Kosten tragen müsste.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 92 | ID 42691903