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  • · Fachbeitrag · Kostenrecht

    Bei einer außergerichtlichen Einigung sollten Sie stets die Vergleichskosten mitregeln

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt erinnert Rechtsanwälte daran, dass sie bei einem Vergleich stets auch eine Kostenregelung hinsichtlich der angefallenen Vergleichskosten treffen sollten. Anderenfalls kann dies u. U. zu Haftungsansprüchen führen. |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Im Streitfall hatten die Parteien außergerichtlich einen Vergleich geschlossen und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht beschloss daraufhin, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 37 Prozent von der Klägerin und zu 63 Prozent von der Beklagten getragen werden. Das OLG Frankfurt änderte auf die sofortige Beschwerde der Beklagten den Kostenfestsetzungsbeschluss insofern ab, dass es eine 1,0-Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV RVG auf beiden Seiten nicht festsetzte (15.8.22, 28 W 1/22, Abruf-Nr. 232235). Die Richter begründeten ihre Entscheidung folgendermaßen: Beim Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, in dem die Kosten nach Quoten verteilt werden, ohne dass die Vergleichskosten ausdrücklich geregelt werden, gelten die Kosten des Vergleichs als gegeneinander aufgehoben.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des BGH (vgl. RVG prof. 09, 19; BGH NJW 11, 1680). Im vorliegenden Fall führte dies dazu, dass die Parteien nicht die jeweils entstandene Einigungsgebühr zur Kostenausgleichung anmelden durften. Vielmehr konnte der jeweilige Rechtsanwalt die Einigungsgebühr nur von seinem Mandanten einfordern, notfalls nach § 11 RVG gegen diesen festsetzen lassen.

     

    MERKE | Die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs gehören nur dann zu den Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien ‒ zumindest konkludent ‒ eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Ohne eine solche Vereinbarung werden die Kosten des außergerichtlichen Vergleichs nach § 98 S. 1 ZPO verteilt ‒ und zwar unabhängig davon, wie die gerichtliche Kostengrundentscheidung lautet.

     

    Den Parteien ist es nach § 98 S. 1 ZPO unbenommen, etwas anderes zu vereinbaren und die Vergleichskosten in die Kosten des Rechtsstreits einzubeziehen. Das kann ausdrücklich z. B. dadurch geschehen, dass sie in einem außergerichtlichen Vergleich zwar eine Aufhebung der Kosten gegeneinander in Aussicht nehmen, die Entscheidung darüber aber insgesamt dem Gericht überlassen (vgl. BGH NJW 07, 835).

     

    Beachten Sie | In der abweichenden Kostenregelung müssen die Vergleichskosten nicht notwendig besonders angesprochen werden (OLG Köln OLG-Report 07, 31). Es müssen aber hinreichende Anhaltspunkte gegeben sein, dass die Parteien die Kosten des Vergleichs als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollen. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:

     

    • Bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs ist dies regelmäßig anzunehmen, weil er zu dem eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werden.

     

    • Bei einem außergerichtlichen Vergleich gehört dies aber gerade nicht zu dem Prozessgeschehen. Deshalb kann ohne weitere Anhaltspunkte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien die Kosten eines solchen Vergleichs abweichend von der gesetzlichen Regelung als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollen. Vielmehr ist hier davon auszugehen, dass die Parteien bei der gesetzlichen Regelung bleiben und
      • entweder die Kosten des Rechtsstreits nach dem für die Kosten des Vergleichs geltenden Maßstab behandeln
      • oder beide Gruppen von Kosten eigenen Regeln folgen lassen wollen.

     

    Vergleichskosten als Kosten des Rechtsstreits: Die erste Alternative „Vergleichskosten als Kosten des Rechtsstreits“ ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Parteien als Folge ihres Vergleichs den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären und die Entscheidung über die Kosten nicht dem Gericht überlassen (BGH NJW-RR 97, 510; NJW-RR 06, 1000).

     

    Vergleichskosten nicht automatisch als Kosten des Rechtsstreits: Die zweite Alternative ist regelmäßig gegeben, wenn der Rechtsstreit als Folge des Vergleichs durch die Rücknahme der Klage (OLG Stuttgart OLG-Report 04, 90; OLG Frankfurt/Main NJW 05, 2465, 2466) oder eines Rechtsmittels (vgl. BGH NJW 89, 39) beendet wird. Dafür spricht auch, dass der Rücknahme einer Klage oder eines Rechtsmittels regelmäßig nicht anzusehen ist, ob sie aufgrund eines Vergleichs erfolgt und ob für sie die Kostenverteilung des § 98 S. 2 ZPO gelten soll.

     

    Beachten Sie | Kostenrechtlich gibt es einen Unterschied zwischen vor- und außergerichtlichen Kosten bei einem Vergleich. Bei einer außergerichtlichen Einigung sollten Sie stets die Vergleichskosten mitregeln.

     

    Musterformulierung / Vergleich vor- /außergerichtliche Kosten

    Die Parteien tragen ihre vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten selbst. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten zu 2) für die Vertretung im Rechtsstreit trägt ‒ unter Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühren nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ‒ die Beklagte zu 1) ebenso wie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Vor Vergleichsabschluss unbedingt Kostenfolgen analysieren, RVG prof. 22, 112
    • Kein Antrag auf Kostenentscheidung nach Vergleich, RVG prof. 21, 182
    • Vorsicht bei „Monte-Carlo-Vergleich“: Kostenregelung nicht vergessen, RVG prof. 21, 215
    • Kostenfestsetzung: Der Parteiwille im Vergleich zählt, RVG prof. 21, 147
    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 206 | ID 48633026