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  • · Fachbeitrag · Einigungsgebühr

    Vergleich: Gebührensatz kann variieren

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | Nach Nr. 1000 VV RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Ist der Gegenstand der Einigung gerichtlich anhängig, reduziert sie sich nach Nr. 1003 VV RVG auf 1,0. In den Fällen der Nr. 1004 VV RVG beträgt die Einigungsgebühr allerdings 1,3. Die vielen verschiedenen Fallkonstellationen stellt die ­Autorin in diesem und einem folgenden Beitrag vor. |

    1. Gerichtliches Verfahren anhängig: reduzierte 1,0-Gebühr

    Ist über den Gegenstand der Einigung ein gerichtliches Verfahren anhängig, reduziert sich die 1,5-Einigungsgebühr auf 1,0 (Nr. 1003 VV RVG). Von der ­Reduzierung ausgenommen sind ein selbstständiges Beweisverfahren und ein auf ein solches gerichtetes Prozesskostenhilfe (PKH)-Verfahren. Dabei steht das Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher ab dem Vollstreckungsantrag dem gerichtlichen Verfahren gleich (Anm. 1 S. 3 zu Nr. 1003 VV RVG). Die ­Anhängigkeit, also der Eingang einer Klage/Antragsschrift bei Gericht reicht aus. Nicht erforderlich ist die Zustellung/Kenntnis des Anwalts von der ­Anhängigkeit. Letztere muss zum Zeitpunkt der Einigung bestehen. Die volle 1,5-Einigungsgebühr fällt also immer an, wenn keine oder lediglich eine im Zeitpunkt der Einigung nicht mehr bestehende Anhängigkeit vorliegt.

     

    • Beispiele

    Fall 1: Anwalt A reicht für seinen Mandanten eine Klage über 10.000 EUR ein. Noch vor Zahlung des Gerichtskostenvorschusses einigen sich die Parteien. Hier entsteht für A nur eine 1,0-Einigungsgebühr. Der Einigungsgegenstand ist ­anhängig, und es kommt weder auf die Rechtshängigkeit noch die Kenntnis der Gegenseite von der Anhängigkeit an.

     

    Fall 2: Anwalt A reicht eine Klage auf Werklohn ein. Nach Hinweis des Gerichts, dass die zur Fälligkeit erforderliche Abnahme fehlt, nimmt er die Klage zurück. Anschließend einigen sich die Parteien außergerichtlich. Da im Zeitpunkt der ­Einigung keine Anhängigkeit gegeben war, entsteht die 1,5-Einigungsgebühr.

     

    2. In Fällen der Nr. 1004 VV RVG: Gebührensatz von 1,3

    Ist der Einigungsgegenstand im Berufungs-/Revisionsverfahren, im Nichtzulassungsbeschwerde-/Zulassungsverfahren anhängig, entsteht die 1,3-Einigungsgebühr, Nr. 1004 VV RVG. Der Gebührensatz hängt vom Instanzenzug, nicht vom Einigungszeitpunkt ab. Eine Sache ist anhängig, wenn über den Einigungsgegenstand Klage geführt wird und im Fall einer/eines

    • Primäraufrechnung,
    • Hilfswiderklage/Hilfsantrags,
    • Zwangsvollstreckungsverfahrens,
    • Mahnverfahrens und im Fall eines
    • Eilverfahrens (Arrest- oder einstweiliges Verfügungsverfahrens), wenn sich die Parteien über das Eilverfahren - nicht die Hauptsache - einigen.

     

    Keine Anhängigkeit nach Nr. 1003, 1004 VV RVG liegt vor im Fall einer/eines

    • Hilfsaufrechnung,
    • selbstständigen Beweisverfahrens (Sonderregelung in Nr. 1003 VV RVG),
    • Feststellungsklage (Ausnahme: die Einigung bezieht sich nur auf den ­Anspruchsgrund) und im Fall eines
    • Güte- oder schiedsgerichtlichen Verfahrens.

     

    Denkbar ist, dass ein Gegenstand gleichzeitig in mehreren Instanzen anhängig ist. Dann entstehen zwei getrennte Einigungsgebühren, und es ist gegebenenfalls nach § 15 Abs. 3 RVG zu kürzen.

     

    • Beispiel

    Fall 3: Kläger K erhebt Klage auf 20.000 EUR Schadenersatz. Das LG erlässt ein Grundurteil, wonach der Schadenersatzanspruch zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wird. Beklagter B legt hiergegen Berufung ein. Im ­Berufungsverfahren einigen sich die Parteien über sämtliche ­Ansprüche, also über Grund und Höhe. Anwalt A erhält eine 1,0-Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV RVG) aus 20.000 EUR und eine 1,3-Einigungsgebühr aus 10.000 EUR (Nr. 1004 VV RVG), ­insgesamt aber nicht mehr als eine 1,3-Einigungs­gebühr aus 20.000 EUR.

     

    3. PKH-Verfahren: reduzierte Gebühr in Höhe von 1,0

    Eine Anhängigkeit nach Nr. 1003 VV RVG liegt auch vor, wenn über den Gegenstand der Einigung ein PKH-Verfahren anhängig ist. Dabei genügt bereits der Antrag auf Bewilligung von PKH, um die ­Einigungsgebühr auf 1,0 zu reduzieren. Die Reduzierung gilt auch für den Anwalt der Partei, die keine PKH ­beantragt hat. Hinsichtlich der Reichweite der PKH ist zu differenzieren.

     

    • Beispiele

    Fall 4: Die Parteien einigen sich über nicht anhängige Ansprüche. Es wird weder für die Einigung PKH beantragt, noch erstreckt sich die bewilligte PKH kraft ­Gesetzes auf die Mehreinigung. Anwalt A erhält neben der 1,0-Einigungsgebühr für die anhängigen Ansprüche für die Mehreinigung ­zusätzlich (­unter Beachtung von § 15 Abs. 3 RVG § 15 Abs. 3 RVG) eine 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG.

     

    Fall 5: Die für den Rechtsstreit bewilligte PKH erstreckt sich gemäß § 48 Abs. 3 RVG kraft Gesetzes auf die Mehreinigung. Die Berechnung der Gebühren für diesen Fall ist in der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG geregelt: Da insoweit kein PKH-Verfahren mit Prüfung der Bedürftigkeit und der Erfolgsaussicht durchzuführen ist, kommt die Reduzierung der Gebühr nach Nr. 1003 VV RVG nicht in Betracht. Gleiches gilt, wenn sich zwar die für den Rechtsstreit bewilligte PKH nicht gemäß § 48 Abs. 3 RVG auf die Mehreinigung erstreckt, aber PKH für die Protokollierung des Vergleichs beantragt und bewilligt wurde.

     

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 14 | ID 42434144