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  • · Fachbeitrag · Berufung

    Anwaltsgebühren im Berufungsverfahren

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | Im Berufungsverfahren erhält der Anwalt die Gebühren nach Teil 3.2.1 VV RVG. Da das Berufungsverfahren ein eigener gebührenrechtlicher Rechtszug ist (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG), können auch hier die Verfahrens- Termins und Einigungsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer anfallen. Welche Gebühren der Anwalt im Einzelnen abrechnen kann, hängt vom Umfang des erteilten Auftrags sowie vom konkreten Verlauf des Berufungsverfahrens ab. Hier die wichtigsten Fallgestaltungen mit Abrechnung. In den folgenden Ausgaben werden Einzelprobleme zur Berufung vertieft. |

    1. Prüfungsgebühr

    Prüft der Anwalt für den Mandanten die Erfolgsaussicht eines Berufungsverfahrens, so hängt der Gebührenanspruch davon ab, welchen Auftrag ihm der Mandant zuvor erteilt hat.

    • Beispiel 1

    Der Mandant will lediglich, dass der Anwalt die Erfolgsaussicht der Berufung prüft. Hier liegt noch kein Verfahrensauftrag hinsichtlich des Berufungsverfahrens vor, sodass sich die Gebühren nach Teil 2 VV RVG richten. Bei einer durchschnittlichen Angelegenheit und einem Wert von 20.000 EUR kann wie folgt abgerechnet werden:

    0,75-Prüfungsgebühr, Nr. 2100 VV RVG

    484,50 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    504,50 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    95,86 EUR

    Gesamt

    600,36 EUR

     

     

    Ist die Prüfung der Erfolgsaussicht der Berufung auftragsgemäß mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens verbunden, kann der Anwalt nach Nr. 2101 VV RVG eine 1,3-Prüfungsgebühr verlangen. Das Ergebnis der Prüfung ist unerheblich, sodass es bei der Gebühr nach Nr. 2100 VV RVG auch verbleibt, wenn der Anwalt nach Prüfung von der Durchführung des Berufungsverfahrens abrät. Wird dem Anwalt nach positiver Prüfung anschließend ein Verfahrensauftrag erteilt, so ist die Prüfungsgebühr auf die spätere Verfahrensgebühr anzurechnen (Anm. zu Nr. 2100 VV RVG).

    • Beispiel 2

    Der Anwalt kommt in Beispiel 1 zu dem Ergebnis, dass die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Er erhält daraufhin Prozessauftrag und im Berufungsverfahren wird auch verhandelt. Der Anwalt kann folgende Gebühren abrechnen:

    1. Prüfungsverfahren

    0,75-Prüfungsgebühr, Nr. 2100 VV RVG

    484,50 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    504,50 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    95,86 EUR

    Gesamt

    600,36 EUR

    2. Berufungsverfahren

    1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG

    1.033,60 EUR

    abzgl. 0,75-Prüfungsgebühr gem. Anm. zu Nr. 2100

    - 484,50 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV RVG

    775,20 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.344,30 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    255,42 EUR

    Gesamt

    1.599,72 EUR

     

    Hat der Anwalt dagegen bereits einen Verfahrensauftrag für das Berufungsverfahren, so gehört die Prüfung der Erfolgsaussicht zum Berufungsrechtszug und ist mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) abgegolten. Es bleibt auch dann bei einer Verfahrensgebühr, wenn der Anwalt nach der Prüfung vom Rechtsmittelverfahren abrät. Dann erhält er die Verfahrensgebühr allerdings nur in reduzierter Höhe (Nr. 3201 VV RVG).

     

    • Beispiel 3

    Der Anwalt hat bereits Prozessauftrag und rät nach Prüfung des erstinstanzlichen Urteils von der Durchführung des Berufungsverfahrens ab. Er kann bei einem Wert von 20.000 EUR wie folgt abrechnen:

    1,1-Verfahrensgebühr, Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG

    710,60 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    730,60 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    138,81 EUR

    Gesamt

    869,41 EUR

     

    2. Verfahrensgebühr

    Legt der Anwalt auftragsgemäß Berufung ein, so ist damit die 1,6-Verfahrensgebühr aus dem Wert des Berufungsverfahrens (Nr. 3200 VV RVG) entstanden.

     

    a) Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO

    Misst das Gericht der Berufung weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung zu, so wird die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen522 Abs. 2 ZPO). In einem solchen Fall kann der Anwalt neben der 1,6-Verfahrensgebühr nur noch Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, nicht jedoch die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG abrechnen. Denn für das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO ist keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben. Die Pflicht zur Terminsbestimmung im Berufungsverfahren besteht nach § 523 Abs. 1 S. 2 ZPO erst dann, wenn die Berufung nicht nach § 522 ZPO durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen wurde und das Berufungsgericht über die Übertragung auf den Einzelrichter entschieden hat.

     

    Praxishinweis |

    Der Anwalt kann in diesem Stadium des Verfahrens jedoch eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG verdienen, wenn er eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens führt (vgl. dazu den Folgebeitrag „Terminsgebühr im Berufungsverfahren“ in einer der nächsten Ausgaben von RVG prof.).

     

    Vor einer Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO muss das Gericht die Parteien auf seine Rechtsauffassung hinweisen und dem Berufungsführer Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Da der Zurückweisungsbeschluss nicht anfechtbar ist (§ 522 Abs. 3 ZPO), stellt sich für den Anwalt des Berufungsführers anlässlich eines solchen Hinweises immer die Frage, ob er die Berufung aus Kostengründen lieber zurücknehmen soll.

     

    Praxishinweis |

    Auf die Anwaltsgebühren hat die Rücknahme keinen Einfluss, da die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG bereits entstanden ist. Für den Mandanten ist eine Rücknahme aber im Hinblick auf die Gerichtskosten wirtschaftlich interessant, da sich die 4,0-Gebühr nach Nr. 1220 KV GKG im Fall einer Rücknahme auf 2,0 (Nr. 1222 KV GKG) ermäßigt.

     

    b) Bestellungs- und Zurückweisungsantrag

    Vertritt der Anwalt den Berufungsbeklagten, so besteht seine Tätigkeit gegenüber dem Gericht zunächst im Bestellungsschriftsatz und später im Zurückweisungsantrag. Hier ist bei der Antragstellung auf die Formulierung in der Berufungsschrift zu achten: Bittet nämlich der Berufungskläger den Gegner, sich zunächst nicht zu bestellen und keinen Antrag zu stellen, so löst der dennoch gestellte Zurückweisungsantrag zwar die volle 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) für den Anwalt des Berufungsbeklagten aus. Im Fall einer anschließenden Rücknahme der Berufung trägt der Berufungskläger auch nach § 516 Abs. 3 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens. Für den Berufungsbeklagten ist allerdings in diesem Fall nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG (nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) erstattungsfähig. Denn nach h.M. (vgl. nur BGH AGS 07, 537) ist es bei einer ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung zur sachgerechten Rechtsverteidigung ausreichend, wenn sich der Anwalt des Berufungsbeklagten bestellt. Ein Zurückweisungsantrag ist erstattungsrechtlich (noch) nicht erforderlich.

     

    Merke |

    Die Gebühr für den Bestellungsschriftsatz (1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG) ist dagegen erstattungsfähig. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Anwälte ein „sogenanntes“ Stillhalteabkommen geschlossen haben.

     

    Die Bestellung zum Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten sollte jedoch bei Zustellung der Berufungsschrift unverzüglich vorgenommen werden: Solange sich kein Anwalt für die Berufungsinstanz bestellt hat, gilt der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte noch als zustellungsbevollmächtigt (§ 172 Abs. 2 ZPO). Werden nun an diesen die Berufungsschrift oder auch der Verwerfungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zugestellt, so gehört diese Tätigkeit - unabhängig davon, ob der Anwalt von seinem Mandanten schon für das Berufungsverfahren beauftragt wurde - gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG gebührenrechtlich noch zum erstinstanzlichen Rechtszug und löst keine weiteren Gebühren aus. Erst wenn der Anwalt sich für das Berufungsverfahren bestellt hat, erfolgt die Zustellung an ihn als Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens und gehört nicht mehr zum (gebührenrechtlichen) Rechtszug der ersten Instanz.

    3. Terminsgebühr

    Wird im Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung durchgeführt, so erhält der Anwalt die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG aus dem Wert der im Berufungsverfahren anhängigen Ansprüche. Soweit die Parteien in diesem Termin über weitere, nicht anhängige Ansprüche verhandeln, fällt eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 2 VV RVG an. Nach § 15 Abs. 3 RVG ist das Gebührenaufkommen begrenzt auf die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr. Die Terminsgebühr entsteht nach dem erhöhten Gegenstandswert, soweit bereits ein Prozessauftrag für die nicht anhängige Forderung erteilt wurde.

     

    • Beispiel 4

    A ist erstinstanzlich zur Zahlung von 10.000 EUR an B verurteilt worden. Er legt Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung besprechen die Anwälte eine vergleichsweise Einigung unter Einbeziehung eines weiteren Anspruchs des B in Höhe von 4.000 EUR, den der Anwalt des B demnächst klageweise geltend machen soll. Die Verhandlungen scheitern und die Berufung des A wird zurückgewiesen. Der Anwalt des B kann folgende Gebühren für das Berufungsverfahren geltend machen:

    1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR

    777,60 EUR

    1,1-Verfahrensgebühr, Nr. 3201 VV RVG aus 4.000 EUR

    269,50 EUR

    max. 1,6 aus 14.000 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG)

    905,60 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV RVG aus 14.000 EUR

    679,20 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.604,80 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    304,91 EUR

    Gesamt

    1.909,71 EUR

     

    4. Einigungsgebühr

    Wird im Berufungsverfahren ein Vergleich geschlossen, so erhält der Anwalt eine Einigungsgebühr nach Teil 1 VV RVG. Die Höhe der Gebühr richtet sich danach, ob sich die Einigung auf Ansprüche bezieht, die Gegenstand des betreffenden Berufungsverfahrens, Gegenstand eines anderen Verfahrens oder überhaupt nicht anhängig sind.

     

    Bei einem Vergleich nur über den Gegenstand des Berufungsverfahrens entsteht zusätzlich zu Verfahrens- und Terminsgebühr eine 1,3-Einigungsgebühr nach Nr. 1004 VV RVG aus dem Berufungsstreitwert. Bei den sogenannten Mischfällen ist eine differenzierte Berechnung erforderlich.

     

    • Beispiel 5

    A ist zur Zahlung von 10.000 EUR an B verurteilt worden. Er legt Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem OLG einigen sich die Parteien, dass A zum Ausgleich der Klageforderung sowie eines weiteren - nicht anhängigen - Anspruchs des B in Höhe von 8.000 EUR (der Anwalt des B hat bereits einen entsprechenden Prozessauftrag) einen Betrag von 13.000 EUR zahlt. Der Anwalt des B kann folgende Gebühren für das Berufungsverfahren in Rechnung stellen:

    1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR

    777,60 EUR

    1,1-Verfahrensgebühr, Nr. 3201 VV RVG aus 8.000 EUR

    453,20 EUR

    max. 1,6 aus 18.000 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG)

    969,60 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV RVG aus 18.000 EUR

    727,20 EUR

    1,3-Einigungsgebühr, Nr. 1004 VV RVG aus 10.000 EUR

    631,80 EUR

    1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG aus 8.000 EUR

    618,00 EUR

    max. 1,5 aus 18.000 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG)

    909,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    2.626,10 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    498,96 EUR

    Gesamt

    3.125,06 EUR

     

     

    • Beispiel 6

    Im obigen Beispiel einigen sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG dahingehend, dass A zum Ausgleich der Klageforderung sowie eines weiteren, in der ersten Instanz vor dem LG anhängigen Anspruchs über 5.500 EUR einen Betrag von 13.000 EUR zahlt. Der Anwalt des B kann folgende Gebühren für das Berufungsverfahren in Rechnung stellen:

    1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 10.000 EUR

    777,60 EUR

    1,1-Verfahrensgebühr, Nr. 3201 VV RVG aus 5.500 EUR

    371,80 EUR

    max. 1,6 aus 15.500 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG)

    905,60 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV RVG aus 15.500 EUR

    679,20 EUR

    1,3-Einigungsgebühr, Nr. 1004 VV RVG aus 10.000 EUR

    631,80 EUR

    1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV RVG aus 5.500 EUR

    338,00 EUR

    max. 1,3 aus 15.500 EUR (§ 15 Abs. 3 RVG)

    735,80 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    2.340,60 EUR

    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    444,71 EUR

    Gesamt

    2.785,31 EUR

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2011 | Seite 178 | ID 28923420