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  • · Fachbeitrag · Auslagen

    Diese Reisekosten werden dem Anwalt erstattet

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Die gesetzliche Vergütung für Geschäftsreisen des Anwalts richtet sich nach den Nrn. 7003 ff. VV RVG i. V. m. Vorbem. 7 Abs. 2 und 3 VV RVG. Der folgende Beitrag erläutert die Erstattung von anwaltlichen Reisekosten anhand von Beispielen, damit Ihnen die Berechnung in der Praxis leichtfällt. |

    1. Grundsätze (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG)

    Nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG liegt eine Geschäftsreise vor, wenn sich das Reiseziel außerhalb der Gemeinde befindet, in der der Anwalt seine Kanzlei oder seinen Wohnsitz hat. Für eine Geschäftsreise ist allein maßgebend, ob der Anwalt das Gebiet der politischen Gemeinde verlassen muss. Auf die Entfernung kommt es dabei nicht an. So fallen selbst bei großen Entfernungen innerhalb derselben Stadt (z. B. Berlin oder Hamburg) keine Reisekosten an, auch nicht, wenn der Anwalt in einen anderen AG-Bezirk fährt. Dagegen können bei kürzester Entfernung Reisekosten anfallen, wenn dabei die Grenzen der politischen Gemeinde überschritten werden.

     

    • Beispiel 1

    Rechtsanwalt R wohnt in Düsseldorf und hat seine Kanzlei in Neuss. Er nimmt einen Termin vor dem AG Düsseldorf wahr. Reist R dafür von seiner Wohnung aus an, liegt keine Geschäftsreise vor. Reist er dagegen von seiner Kanzlei aus an, ist eine Geschäftsreise gegeben. Es obliegt seiner alleinigen unternehmerischen Entscheidung, ob er vor dem Gerichtstermin noch in seine Kanzlei fährt oder nicht (OLG Düsseldorf RVG prof. 12, 164).

     

     

    Nach der Rechtsprechung umfasst „Kanzlei“ i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG auch die Zweigstelle. Diese zählt mit zur Kanzlei und wird von demselben Anwalt bzw. denselben Anwälten betrieben (OLG Koblenz AGS 15, 507; OLG Dresden AGS 11, 275). Fahrtkosten für eine Geschäftsreise zu einem Ziel innerhalb der Gemeinde, in der eine Zweigstelle unterhalten wird, sollen deshalb nicht nach den Nrn. 7003 ff. VV abgerechnet werden können.

     

    Anders verhält es sich, wenn eine überörtliche Sozietät (BGH AGS 08, 368) oder eine überörtliche Partnerschaftsgesellschaft (BVerwG RVG prof. 18, 25) mehrere Kanzleien unterhält ‒ also keine Zweigstellen, sondern eigenständige Büros mit postulationsfähigen Anwälten, die diesen Büros zugeordnet sind. In diesem Fall entstehen Reisekosten, wenn ein Anwalt einer der verbundenen Kanzleien beauftragt wird und am Ort einer anderen Kanzlei einen für ihn auswärtigen Gerichtstermin wahrnimmt.

    2. Benutzung des eigenen Fahrzeugs (Nr. 7003 VV RVG)

    Die Kosten für die Benutzung des eigenen Kfz sind stets zu erstatten. Der Anwalt kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, dass er ein günstigeres Transportmittel hätte benutzen müssen (OLG Hamburg AnwBl. 66, 322; OLG Bamberg JurBüro 81, 1350; AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn. 7003 bis 7006 VV Rn. 13). Unerheblich ist, um welche Art von Kfz es sich handelt. Auch Motorräder und Mofas zählen dazu.

     

    Die Kosten für die Benutzung des eigenen Kfz werden mit einer Pauschale von derzeit 0,42 EUR je gefahrenem Kilometer ersetzt.

     

    Vergütet werden sämtliche gefahrenen Kilometer, also sowohl der Hin- als auch der Rückweg. Maßgebend ist die tatsächliche Fahrtstrecke (OLG Celle NdsRpfl 67, 63) und nicht die fiktive Entfernung von Ortsmitte zu Ortsmitte (a. A. LG Ansbach NJW 66, 1762). Aufzurunden ist auf volle Kilometer (LG Rostock NJW-Spezial 09, 715; OLG Hamm JurBüro 81, 1681; VG Würzburg JurBüro 00, 77; KG AGS 04, 12).

     

    Beachten Sie | Grundsätzlich muss der Anwalt den kürzesten Weg nehmen. Zweckmäßige Umwege, etwa bei Benutzung einer Autobahn zur Zeitersparnis, sind jedoch zulässig (OLG Hamm JurBüro 81, 1681; VG Würzburg JurBüro 00, 77; KG AGS 04, 12), zumal wenn dadurch ein geringeres Tage- und Abwesenheitsgeld anfällt (KG AGS 04, 12).

    3. Benutzung anderer Reisemittel (Nr. 7004 VV RVG)

    Bei Benutzung anderer Verkehrsmittel sind dem Anwalt die tatsächlichen Aufwendungen zu ersetzen, soweit sie angemessen sind. Anders als bei den Kosten eines Kfz findet hier also eine Wirtschaftlichkeitsprüfung statt.

     

    Beachten Sie | Ob und in welcher Höhe die anteiligen Kosten einer Bahncard verlangt werden können, ist umstritten. Nach überwiegender Rechtsprechung (OLG Karlsruhe JurBüro 00, 145; AG Ansbach AnwBl. 01, 185; KG AGS 03, 310) zählen die Kosten der Bahncard zu den allgemeinen Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG. Sie können auch nicht anteilig zu dem gezahlten ermäßigten Fahrpreis verlangt werden (KG AGS 03, 310; OVG Nordrhein-Westfalen NJW 06, 1897; VG Köln RVGreport 06, 154). Nicht einmal im Fall der Bahncard 100, in dem erst gar keine Fahrtkosten anfallen, können die Anschaffungskosten umgelegt werden (AnwK-RVG / N. Schneider, Nr. 7003 bis 7006 VV Rn. 25 m. w. N.). Eine interessante Ausnahme macht das OLG Celle im Hinblick auf die Anschaffung einer BahnCard für ein konkretes Verfahren (RVG prof. 21, 91).

    4. Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG)

    Für Mehrkosten, die durch die Geschäftsreise verursacht werden (z. B. Mittagessen), erhält der Anwalt ein pauschales Tage- und Abwesenheitsgeld. Die Höhe dieser Pauschale ist in Nr. 7005 VV RVG nach dem Zeitaufwand gestaffelt. Entscheidend ist die Zeit, die der Rechtsanwalt von seiner Kanzlei abwesend ist, also grundsätzlich von der Abreise bis zur Rückkehr, ggf. einschließlich der Zeit für die Einnahme eines Mittagessens (VG Stuttgart AnwBl. 84, 323 und 562). Zeiten für eine Vor- und Nachbesprechung eines Gerichtstermins außerhalb desselben mit dem Mandanten sind nicht zu berücksichtigen (OVG Thüringen RVGreport 18, 301). Allerdings darf der Anwalt so zeitig losfahren, dass er neben dem von einem Routenplaner angegebenen Zeitaufwand einen angemessenen Sicherheitszuschlag für eventuelle Verzögerungen (z. B. Stau) mitberücksichtigt, um rechtzeitig beim Termin zu erscheinen (OVG Thüringen RVGreport 18, 301; OLG München AGS 16, 507).

     

    Erstreckt sich die Abwesenheit über mehrere Kalendertage, werden die Abwesenheitsstunden für jeden Tag gesondert berechnet (OLG Düsseldorf JurBüro 93, 674).

     

    Bei Auslandsreisen können die in Nr. 7005 VV RVG genannten Beträge um bis zu jeweils 50 Prozent angehoben werden (Anm. zu Nr. 7003 VV RVG). Ob und inwieweit der Anwalt diesen Rahmen ausschöpft, bestimmt er analog § 14 Abs. 1 RVG.

     

    • Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG

    Inland

    Ausland

    bis zu 4 Stunden

    30 EUR

    bis 45 EUR

    4 bis 8 Stunden

    50 EUR

    bis 75 EUR

    über 8 Stunden

    80 EUR

    bis 120 EUR

     

    5. Sonstige Auslagen der Geschäftsreise (Nr. 7006 VV RVG)

    Neben den Reisekosten und dem Abwesenheitsgeld kann der Anwalt die Erstattung seiner sonstigen Kosten verlangen, sofern sie angemessen sind:

     

    • Hierzu zählen vor allem Übernachtungskosten, sofern diese erforderlich waren. Dies ist z. B. der Fall, weil eine An- oder Rückreise an demselben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar war (LG Flensburg JurBüro 76, 1650).
    • Parkgebühren werden zusätzlich zu den Kosten des Kfz ersetzt.
    • Darüber hinaus sind alle sonstigen Kosten anlässlich einer Geschäftsreise vom Mandanten zu übernehmen, etwa Kosten der Gepäckaufbewahrung, notwendige Telegrafen- oder Fernsprechgebühren in Ausführung der Geschäftsreise, Kurtaxe, Reise- und Gepäckversicherung sowie Trinkgeld. Auch Kosten für die Benutzung einer Fähre, Mautgebühren oder eine Vignette können hinzukommen.

    6. Verlegung der Kanzlei

    Verlegt der Anwalt nach Entgegennahme des Auftrags seine Kanzlei, kann er seine Reisekosten nach Vorbem. 7 Abs. 3 S. 2 VV RVG nur insoweit verlangen, als sie auch vom früheren Kanzleisitz aus angefallen wären (OLG Brandenburg AGS 09, 432).

     

    • Beispiel 2

    Nach Erhalt des Mandats verlegt Rechtsanwalt R seine Kanzlei von Köln nach Bonn und nimmt anschließend an der mündlichen Verhandlung vor dem AG Köln teil. Für die Wahrnehmung des Termins vor dem AG Köln darf R seinem Auftraggeber keine Reisekosten in Rechnung stellen.

     

     

    Beachten Sie | Abzustellen ist bei der Betrachtung nach Vorbem. 7 Abs. 3 S. 2 VV RVG nicht auf jede einzelne Reise. Maßgebend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung, also: Die Summe aller tatsächlichen Reisekosten darf die Summe der fiktiven Reisekosten nicht übersteigen, die bei Beibehaltung des alten Kanzleisitzes entstanden wären.

     

    • Beispiel 3

    Nach Erhalt des Prozessauftrags verlegt Rechtsanwalt R seine Kanzlei von Bonn nach Köln. Vor dem LG Köln nimmt er an der mündlichen Verhandlung und anschließend in Bonn an einem auswärtigen Ortstermin teil (Entfernung Bonn ‒ Köln: 30 km). Hätte R seine Kanzlei in Bonn beibehalten, wären Reisekosten für den Termin in Köln entstanden. Da er diese Kosten durch seine Kanzleiverlegung erspart hat, sind die für die umgekehrte Reise entstandenen Kosten nach Bonn in voller Höhe vom Mandanten zu tragen.

     

    7. Geschäftsreise in mehreren Angelegenheiten

    Wird eine Geschäftsreise für mehrere Angelegenheiten ‒ egal, ob für mehrere Auftraggeber oder für denselben ‒ durchgeführt, sind die gesamten Reisekosten gemäß Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV RVG verhältnismäßig aufzuteilen. Dies gilt insbesondere für sog. Rundreisen, bei denen für mehrere Auftraggeber auf einer Reise mehrere Ziele angefahren werden (OVG Thüringen RVGreport 18, 301). Jeder Auftraggeber haftet bei dieser Geschäftsreise nur für seinen Anteil und nicht etwa für die Kosten, die entstanden wären, wenn der Anwalt allein für ihn gereist wäre. Eine Haftung der Auftraggeber als Gesamtschuldner oder nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG kommt hier nicht in Betracht, da der Anwalt nicht in derselben Angelegenheit tätig wird.

     

    Einfach ist die Berechnung, wenn der Anwalt in mehreren Angelegenheiten zu demselben Gericht fährt. Hier entstehen die Reisekosten nur einmal. Sie sind durch die Anzahl der Angelegenheiten (unabhängig von der Anzahl der Mandanten) zu dividieren. So sind die Reisekosten bei zwei Angelegenheiten zu halbieren (OVG Thüringen AGS 18, 395; BVerwG 19.8.08, 4 KSt 1001/08), bei drei Angelegenheiten zu dritteln etc.

     

    Ansonsten ‒ insbesondere bei Rundreisen ‒ ist bei der Berechnung des auf die jeweilige Angelegenheit entfallenden Anteils in den folgenden vier Schritten vorzugehen:

     

    • 1. Zunächst sind die tatsächlichen (erstattungsfähigen) Gesamtkosten zu berechnen.
    • 2. Sodann sind die fiktiven Einzelreisekosten zu ermitteln, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jeden Mandanten einzeln durchgeführt hätte.
    • 3. Schließlich müssen die Kosten der fiktiven einzelnen Reisen summiert werden.
    • 4. Alsdann werden die fiktiven Einzelreisekosten des Mandanten mit der Summe der tatsächlichen erstattungsfähigen Reisekosten multipliziert und durch den Gesamtbetrag aller fiktiven Reisekosten dividiert.

     

    • Formel: So wird der Anteil pro Angelegenheit ermittelt

    Fiktive Kosten der einen Einzelreise des Mandanten

    x

    Summe der tatsächlichen erstattungsfähigen Gesamtreisekosten

    :

    Summe aller fiktiven Einzelreisekosten

     

     
    • Beispiel 4

    Rechtsanwalt R mit Kanzlei in Köln fährt erst in einer Angelegenheit für Mandant A zum LG Bonn und anschließend in einer anderen Angelegenheit für Mandant B zum LG Koblenz. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt, das LG Koblenz 120 km, die Entfernung zwischen LG Bonn und LG Koblenz beträgt 100 km. Insgesamt ist R sieben Stunden unterwegs. Für die Fahrt nach Bonn wäre er insgesamt drei Stunden abwesend gewesen, für die Fahrt nach Koblenz insgesamt fünf Stunden. Es ergibt sich folgende Reisekostenberechnung:

     

    1. Tatsächlich erstattungsfähige Gesamtreisekosten

    Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (30 + 100 + 120 km) x 0,42 EUR/km

    105,00 EUR

    Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG

    50,00 EUR

    155,00 EUR

     

    2. Fiktive Einzelreisekostenaufstellung

    Angelegenheit A

    Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (2 x 30 km x 0,42 EUR/km)

    25,20 EUR

    Abwesenheitspauschale bis 4 Stunden, Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG

    30,00 EUR

    55,20 EUR

    Angelegenheit B

    Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (2 x 120 km x 0,42 EUR/km)

    100,80 EUR

    Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG

    50,00 EUR

    150,80 EUR

    3. Summe der fiktiven Einzelreisekosten

    55,20 EUR + 150,80 EUR

    206,00 EUR

    4. Anteilige Kosten

    Mandant A muss zahlen: 55,20 EUR x 155,00 EUR : 206,00 EUR

    41,53 EUR

    Mandant B muss zahlen: 150,80 EUR x 155,00 EUR : 206,00 EUR

    113,47 EUR

    Gesamt (Kontrolle)

    155,00 EUR

     

    8. Beratungshilfe

    Auch in der Beratungshilfe sind Reisekosten zu erstatten, es sei denn, sie waren zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich (§ 46 Abs. 1 RVG). Reisekosten kommen danach insbesondere bei erforderlichen Terminen vor auswärtigen Behörden in Betracht (vgl. LG Bochum JurBüro 86, 403; LG Hannover JurBüro 86, 120; AG Aachen 19.8.86, 7 UR II 401/86; AG Gießen 14.3.86, 47 II 71/86).

    9. Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

    Reisekosten werden auch grundsätzlich im Rahmen der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe übernommen (§ 46 RVG).

     

    a) Beiordnung

    Hier ist allerdings schon bei der Beiordnung auf Folgendes Acht zu geben:

     

    • Hat der Anwalt seine Kanzlei im Gerichtsbezirk, darf er nicht eingeschränkt beigeordnet werden.
    •  
    • Hat der Anwalt seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks, ist eine einschränkende Beiordnung möglich:
    •  
      • Soweit die bedürftige Partei Anspruch auf einen zusätzlichen Verkehrsanwalt hat (§ 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG), ist der Anwalt mit der Maßgabe beizuordnen, dass seine Reisekosten aus der Landeskasse bis zur Höhe der zusätzlichen Kosten eines Verkehrsanwalts übernommen werden.
    •  
      • Soweit die bedürftige Partei keinen Anspruch auf einen zusätzlichen Verkehrsanwalt hat, ist der Anwalt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beizuordnen. Unzulässig ist es, einen auswärtigen Rechtsanwalt zu den „Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts“ beizuordnen (OLG Celle AGS 11, 365).

     

    PRAXISTIPP | Sie als beigeordneter Anwalt sollten bereits bei der Beiordnung prüfen, ob diese zutrifft: Hat das Gericht Einschränkungen vorgenommen, die unzulässig sind? Ist dies der Fall, müssen Sie hiergegen nach § 127 ZPO sofortige Beschwerde erheben, die auch im Namen des beigeordneten Rechtsanwalts zulässig ist (OLG Celle AGS 11, 365).

     

    b) Abrechnung der Reisekosten

    Hinsichtlich der Abrechnung der Reisekosten ist wie folgt vorzugehen:

     

    • Ist der Anwalt uneingeschränkt beigeordnet worden, erhält er seine Reisekosten aus der Landeskasse in voller Höhe. Das gilt auch, wenn er vor einem auswärtigen Gericht tätig wird und die uneingeschränkte Beiordnung nicht hätte vorgenommen werden dürfen (KG AGS 10, 612; OLG Düsseldorf AGS 14, 196). Eine zu Unrecht erfolgte uneingeschränkte Beiordnung kann weder durch einen einschränkenden Beschluss des Richters noch durch eine Absetzung der Reisekosten korrigiert werden (VG Würzburg 18.3.21, W 8M 20.31222).

     

    • Ist der Anwalt vor einem auswärtigen Gericht einschränkend zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, kann er seine Reisekosten aus der Landeskasse bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk verlangen (OLG Celle AGS 216, 437; OLG Brandenburg NZFam 16, 566).
    •  
      • Beispiel 5

      Rechtsanwalt R hat seine Kanzlei in Köln und wird vor dem AG Gummersbach zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet. R erhält aus der Landeskasse seine tatsächlichen Reisekosten (54 km) bis zur höchstmöglichen Entfernung im Bezirk des AG Gummersbach (34 km).

       
    • Ist der Anwalt vor einem auswärtigen Gericht mit der Einschränkung beigeordnet worden, dass seine Reisekosten bis zur Höhe der zusätzlichen Kosten des (ersparten) Verkehrsanwalts übernommen werden, kann er
    •  
      • seine tatsächlichen Reisekosten bis zur Höhe einer 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 3400 VV) nach der Tabelle des § 49 RVG zuzüglich 20 EUR Postentgeltpauschale abrechnen oder
    •  
      • Beispiel 6

      Rechtsanwalt R hat seine Kanzlei in Köln und wird vor dem FamG München beigeordnet mit der Maßgabe, dass seine Reisekosten von der Landeskasse bis zur Höhe der zusätzlichen Kosten eines Verkehrsanwalts übernommen werden. Der Verfahrenswert beträgt 10.000 EUR.

       

      R erhält aus der Landeskasse seine tatsächlichen Reisekosten ...

      Reisekosten (Köln‒München und zurück; 2 x 574 km x 0,42 EUR/km)

       

      482,16 EUR

      Abwesenheitspauschale über 8 Stunden

      80,00 EUR

      Zwischensumme

      562,16 EUR

      19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

      106,81 EUR

      668,97 EUR

       

      ... und zwar bis zur Höhe der fiktiven Kosten eines Verkehrsanwalts, die sich wie folgt berechnen:

      1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3400 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 10.000 EUR)

       

      339,00 EUR

      Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

      20,00 EUR

      Zwischensumme

      359,00 EUR

      19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

      68,21 EUR

      427,21 EUR

       
      • im eigenen Namen einen Terminsvertreter beauftragen und dessen Kosten als Auslagen nach § 46 RVG i. V. m. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG bis zur Höhe einer 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 3400 VV RVG) nach der Tabelle des § 49 RVG zuzüglich 20 EUR Postentgeltpauschale geltend machen.

    10. Pflichtverteidiger

    Ist ein nicht am Gerichtsort ansässiger Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt worden, muss die Landeskasse dessen Reisekosten zu den Hauptverhandlungsterminen übernehmen (BVerfG AGS 01, 63). Auch sonstige Kosten, etwa zu Besuchen in der JVA, sind im Rahmen der Notwendigkeit zu erstatten. Der Verteidiger kann nach § 46 Abs. 2 RVG vorab die Notwendigkeit der Reise feststellen lassen. Diese Feststellung bindet den Urkundsbeamten.

    11. Rechtsschutzversicherung

    In der Rechtsschutzversicherung sind Reisekosten als gesetzliche Auslagen grundsätzlich versichert. Es können allerdings (gängige) Ausschlussklauseln greifen. So übernimmt ein Rechtschutzversicherer die Reisekosten z. B. oft nur, soweit diese bei einem am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalt angefallen wären. Lediglich der ADAC-Rechtsschutz übernimmt die Reisekosten eines im Bezirk des zuständigen Gerichts niedergelassenen Anwalts.

     

    • Beispiel 7

    Mandant M wohnt in Gummersbach (LG-Bezirk Köln). Der Rechtsstreit findet vor dem LG Köln statt. M beauftragt Rechtsanwalt R aus Gummersbach, der nach Köln fährt. Der ADAC-Rechtsschutz würde die Reisekosten übernehmen, da Gummersbach im LG-Bezirk Köln liegt. Andere Versicherer würden keine Reisekosten tragen.

     

    Beachten Sie | Wohnt der Versicherungsnehmer mehr als 100 km Luftlinie vom zuständigen Gericht entfernt, übernehmen die Versicherer bei bestimmten Leistungsarten weitere Kosten für einen Verkehrsanwalt oder in gleicher Höhe Reisekosten und Abwesenheitsgeld des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts.

     

    • Beispiel 8

    Mandant M wohnt in Hamburg. Der Rechtsstreit findet vor dem AG Köln statt. M beauftragt Rechtsanwalt R aus Hamburg, der nach Köln fährt.

     

    a) Der Streitwert beträgt 3.000,00 EUR

    b) Der Streitwert beträgt 7.000,00 EUR

     

    R kann abrechnen:

    Reisekosten (2 x 435 km x 0,42 EUR/km)

    365,40 EUR

    Abwesenheitsgeld

    80,00 EUR

    445,40 EUR

     

    Im Fall a) beträgt eine Verkehrsanwaltsgebühr nach Nr. 3400 VV RVG 222,00 EUR. Hinzu kommen 20,00 EUR Postentgeltpauschale. Daher muss der Versicherer die Reisekosten i. H. v. 242,00 EUR übernehmen.

     

    Im Fall b) beträgt eine Verkehrsanwaltsgebühr nach Nr. 3400 VV RVG 446,00 EUR. Hinzu kommen 20,00 EUR Postentgeltpauschale. Daher muss der Versicherer jetzt die Reisekosten in voller Höhe übernehmen.

     

    Beachten Sie | Nicht gedeckte Reisekosten unterliegen dem Quotenvorrecht nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG (zu Einzelheiten siehe N. Schneider, ZAP Fach 24, S. 1261; AnwK-RVG/N. Schneider, Anhang VI.).

    12. Kostenerstattung (§ 91 Abs. 2 ZPO)

    Hinsichtlich der Erstattung von Reisekosten des Anwalts gilt nach § 91 Abs. 2 ZPO Folgendes:

     

    • Reisekosten eines am Gerichtsort ansässigen Anwalts werden immer erstattet, etwa zur Teilnahme an auswärtigen Beweisterminen (AG Zeitz AGS 19, 45).

     

    • Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts werden immer erstattet, also die Reisekosten für Fahrten zum Gericht und zu sonstigen auswärtigen Terminen. Eine Notwendigkeitsprüfung darf hier nicht vorgenommen werden (LG Krefeld JurBüro 11, 307; AGS 14, 424; AG Siegburg AGS 12, 594; LG Limburg AGS 13, 98; LG Gera AGS 14, 251; AG Gießen AGS 14, 544; LG Bonn AGS 15, 11).
    •  
      • Beispiel 9

      Der in Köln wohnende Mandant beauftragt für einen Rechtsstreit vor dem OLG Köln Rechtsanwalt R aus Aachen. Die Reisekosten des R werden erstattet, da Aachen im Bezirk des OLG Köln liegt.

       
    • Reisekosten eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts werden erstattet,
      • soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Es muss also eine besondere Notwendigkeit bestanden haben, einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks zu beauftragen. Ist dies der Fall, sind die Reisekosten ohne Einschränkung in voller Höhe zu übernehmen (BGH NJW 21, 3663),
    •  
      • wenn diese auch bei einem am entferntesten Ort des Gerichtsbezirks niedergelassenen Anwalt angefallen wären, obwohl keine Notwendigkeit gegeben ist (BGH AGS 18, 319; AGS 19, 42). Bei mehreren Instanzen ist für jede Instanz auf den jeweiligen Gerichtsbezirk abzustellen (OLG Frankfurt AGS 18, 481).
    •  
      • Beispiel 10

      Der in Köln wohnende Mandant beauftragt für einen Rechtsstreit vor dem LG Köln Rechtsanwalt R aus Bonn. Die tatsächlichen Reisekosten des R sind zu erstatten bis zur Höhe der höchstmöglichen Reisekosten im LG-Bezirk Köln.

       

    Beachten Sie | Erstreckt sich ein Gerichtsbezirk über mehrere Bundesländer, ist dieser maßgebend (LAG Berlin-Brandenburg AGS 19, 441). Hat ein Bundesland von der Möglichkeit des § 13a GVG Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit eines Gerichts in bestimmten Streitigkeiten für mehrere Gerichtsbezirke angeordnet, sind die Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des zentralen Gerichts zu erstatten (LG Dortmund AGS 19, 535).

     

    PRAXISTIPP | Die jeweils höchstmögliche Entfernung können Sie einfach unter gerichtsbezirke.de ermitteln.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2022 | Seite 136 | ID 48462970