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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Gesetzgebung

    Besonders umfangreiche Beweisaufnahme: Mehraufwand wird abgegolten

    von Diplom Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich

    | Die durch das 2. KostRMoG (BGBl. I, 2586) zum 1.8.13 neu eingefügte Nr. 1010 VV RVG sieht eine Zusatzgebühr für den durch besonders umfangreiche Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand vor. Der Autor stellt in diesem Beitrag und in RVG prof. 4/14 die Voraussetzungen der Gebühr vor. |

    1. Verfahren nach Teil 3 VV RVG

    Die Zusatzgebühr kann nur in Verfahren nach Teil 3 VV RVG mit einer besonders umfangreichen Beweisaufnahme entstehen, in denen mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, wenn Sachverständige und Zeugen vernommen werden. Der Gebührensatz beträgt in allen Instanzen 0,3. In sozialrechtlichen Angelegenheiten erhöht sich bei Betragsrahmengebühren nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG der Mindest- und Höchstbetrag der Zusatzgebühr um 30 Prozent. Die Zusatzgebühr ersetzt also die zum 1.7.04 durch das 1. KostRMoG abgeschaffte BRAGO-Beweisgebühr allenfalls teilweise.

     

    Obwohl die Zusatzgebühr in Teil 1 VV RVG als allgemeine Gebühr eingestellt ist, kommt sie nur in den von Teil 3 VV RVG erfassten Angelegenheiten in Betracht. Der Anwendungsbereich von Teil 3 VV RVG ergibt sich aus dessen Überschrift. Sie kann entgegen Vorb. 1 VV RVG nicht neben den in den Teilen 2 und 4 bis 6 VV RVG bestimmten Gebühren entstehen. Vor allem ist die Entstehung in Straf- und Bußgeldsachen (Teile 4 und 5 VV RVG) ausgeschlossen.

    2. Besonders umfangreiche Beweisaufnahme

    Die Zusatzgebühr entsteht für eine besonders umfangreiche Beweisaufnahme. Eine nur umfangreiche Beweisaufnahme reicht nicht aus. Unklar ist, ob die Gebühr entsteht, wenn die Beweisaufnahme zwar nicht besonders umfangreich war, aber mindestens drei gerichtliche Termine stattgefunden haben, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen worden sind:

     

    • Nach einer Auffassung ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob ein besonderer Umfang der Beweisaufnahme gegeben ist. Die Voraussetzungen „besonderer Umfang“ und „mindestens drei gerichtliche Termine“ müssen danach kumulativ vorliegen (AnwKomm RVG/N. Schneider, 7. Aufl., VV 1010 Rn. 6; Enders, JurBüro 13, 449; Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., VV 1010 Rn. 10; Schneider/Thiel, AGS 13, 53).
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    • Nach der Gegenansicht indiziert das Stattfinden von mindestens drei Gerichtsterminen mit Sachverständigen- und Zeugenvernehmungen den besonderen Umfang der Beweisaufnahme. Eine Einzelfallprüfung ist nicht nötig (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., VV 1010 Rn. 1; Hansens, RVGreport 13, 410). Hierfür spricht, dass sich der Umfang der Beweisaufnahme für die Prozessbeteiligten und das Gericht anders gestalten kann.

     

    • Beispiel 1

    Der Sachverständige S wird in drei verschiedenen gerichtlichen Terminen vernommen. Die Termine dauern jeweils eine halbe Stunde. Ob sie zu einer besonders umfangreichen Beweisaufnahme führen, kann von den Prozessbeteiligten und dem Gericht ganz unterschiedlich gesehen werden. Außerdem wird die Terminsdauer in Angelegenheiten nach Teil 3 VV RVG im Regelfall nicht protokolliert.

     

     

    Wird der Ansicht gefolgt, dass der besondere Umfang der Beweisaufnahme im Einzelfall festgestellt werden muss, ergibt sich dieser nicht nur aus der Vernehmung des Sachverständigen oder Zeugen in den Gerichtsterminen. Es reicht, dass die Beweisaufnahme an sich besonders umfangreich war, z.B. weil es zu mehreren und umfangreichen schriftlichen Sachverständigengutachten gekommen ist (AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV 1010 Rn. 10).

     

    • Beispiel 2

    Die Vernehmungen des Sachverständigen S in drei Gerichtsterminen dauern je eine halbe Stunde. S hatte ein schriftliches Gutachten im Umfang von 500 Seiten vorgelegt. Eine besonders umfangreiche Beweisaufnahme kann vorliegen. Zwar waren die Termine nicht umfangreich. Der besondere Umfang kann sich aber aus dem Gutachten und der erforderlichen Beschäftigung des Anwalts A ergeben.

     

    3. Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen

    Eine Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen nach Nr. 1010 VV RVG liegt vor, wenn es sich um eine förmliche Vernehmung nach der jeweiligen Verfahrensordnung handelt (Hansens, RVGreport 13, 413). Im Zivilprozess ist die förmliche Zeugenvernehmung in § 394 ZPO, die förmliche Vernehmung eines Sachverständigen in § 404 Abs. 3 ZPO geregelt. Die mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens gemäß § 411 Abs. 3 ZPO durch den Sachverständigen reicht aus (Hansens, a.a.O.). Keine Vernehmung im Sinne des Nr. 1010 VV RVG ist eine schriftliche Zeugenaussage gemäß § 377 Abs. 3 ZPO oder eine Anhörung gemäß § 141 Abs. 1, § 273 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Vernehmung oder Anhörung der Parteien oder Beteiligten reicht ebenfalls nicht aus.

     

    • Beispiel 3

    In zwei gerichtlichen Terminen werden Zeugen vernommen. Der Sachverständige V erstellt anschließend sein schriftliches Gutachten, das er in einem weiteren gerichtlichen Termin erläutert. Seine mündliche Erläuterung des Gutachtens im gerichtlichen Termin wird von Nr. 1010 VV RVG erfasst. Es liegen deshalb drei gerichtliche Termine im Sinne von Nr. 1010 VV RVG vor.

     

    Weiterführender Hinweis

    • In RVG prof. 4/14 setzt der Autor den Beitrag fort und widmet sich insbesondere dem Normverständnis eines gerichtlichen Termins.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 49 | ID 42471924