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  • · Fachbeitrag · Verfahrensgebühr

    Erneute Anklageerhebung nach Rücknahme: Verteidiger stehen zwei Verfahrensgebühren zu

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Wird eine zunächst erhobene Anklage auf Beanstandung des Vorsitzenden zurückgenommen und dann erneut Anklage mit identischem Vorwurf erhoben, stehen dem Verteidiger zwei Verfahrensgebühren zu (LG Duisburg 12.9.11, 31 KLs 183 Js 318/10 (39/10), Abruf-Nr. 113377).

    Sachverhalt

    Der Rechtsanwalt war dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Dann wurde Anklage vor der Strafkammer erhoben. Der Verteidiger hat geltend gemacht, dass die Anklage nicht konkret genug gefasst sei. Daraufhin wurde die Anklage zurückgenommen und eine neue Anklage mit identischem, nur konkreter gefasstem, Anklagevorwurf erhoben. Dem Pflichtverteidiger sind zwei Verfahrensgebühren Nr. 4112 VV RVG gewährt worden.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Verteidiger hat Anspruch auf eine zweite Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG, da nach konkludenter Rücknahme der Anklage vom 27.9.10 unter dem Datum vom 1.12.10 eine zweite Anklage erhoben wurde. Zwar liegt beiden Anklagen der identische Vorwurf zugrunde, der in der zweiten „Version“ der Anklage lediglich präziser ausformuliert worden ist. Damit wurde ersichtlich Bedenken des Vorsitzenden hinsichtlich der Vollständigkeit des Konkretums Rechnung getragen, die jedoch nicht zu einer Ablehnung der Eröffnung hätten führen können. Gleichwohl ist gebührenrechtlich der Umstand zu berücksichtigen, dass die Anklageschrift zweimal mit Fristsetzung zur Stellungnahme zugestellt worden ist. Der Verteidiger ist damit zweimal aufgefordert worden, zur Anklage in ihren zwei Versionen Stellung zu nehmen, und zwar unter dem Hinweis, dass es sich um zwei verschiedene Anklagen handele. Dies rechtfertigt, die Verfahrensgebühr zweifach anzusetzen. Die Entscheidung des OLG Köln vom 5.2.10 (AGS 10, 175 ) steht dem nicht entgegen. In dem dort zugrundeliegenden Fall ist gerade nicht ersichtlich, dass die Anklage zweifach mit Frist zur Stellungnahme zugestellt worden ist. Darüber hinaus ist auch keine inhaltliche Änderung an der Anklage vorgenommen worden.

     

    Praxishinweis

    Es ist zu begrüßen, dass das LG die doppelte Arbeit des Verteidigers mit den beiden Anklagen honorieren will. Für diese anwaltsfreundliche Absicht hat es nur leider den falschen Weg gewählt. Denn: Offenbar wurde § 15 Abs. 2 S. 1 RVG übersehen, wonach in jeder Angelegenheit die Gebühr nur einmal entsteht. Hier liegt auch nach Rücknahme der ersten Anklage immer noch dieselbe Angelegenheit vor. Der Gegenstand des Strafverfahrens hat sich nicht geändert. Deshalb konnte die Nr. 4112 VV RVG nicht zweimal entstehen. Wenn das LG dem Pflichtverteidiger gebührenrechtlich helfen wollte, hätte es ihn auf eine Pauschgebühr nach § 51 RVG verweisen müssen. Beim Wahlanwalt sind die (doppelten) Tätigkeiten gegebenenfalls über § 14 RVG zu berücksichtigen.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2011 | Seite 186 | ID 29483930