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  • · Fachbeitrag · Verfahrenseinstellung

    Kostenübernahme: Kein Grundsatz ohne Ausnahme

    | Nach § 467a Abs. 1, § 467 StPO, die auch im Bußgeldverfahren anzuwenden sind (vgl. § 108a Abs. 1 OWiG), sind die dem Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen auch dann der Staatskasse aufzuerlegen, wenn das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Hiervon kann nach § 108a Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467a Abs. 1, § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO abgesehen werden, wenn eine Verurteilung nur deshalb nicht erfolgt, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Das AG Bad Kreuznach weist darauf hin, dass § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. |

     

    Sachverhalt

    Der Betroffene hatte über Jahre einen Schrotthandel betrieben und damit erheblichen Umsatz erzielt. Gleichzeitig hat er jedoch Leistungen nach Hartz IV bezogen. Als das entdeckt wurde, wurde ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die GewO und das SchwarzArbG und ein Strafverfahren wegen gewerblichen Betrugs eingeleitet. Sein Verteidiger ging von einer einheitlichen Tat aus. Er forciert das Bußgeldverfahren und verzögert das Strafverfahren, um eine Sachentscheidung des Bußgeldrichters zu erreichen und dadurch eintretenden Strafklageverbrauch im Strafverfahren.

     

    Im Strafverfahren wurde am 19.8.15 Anklage wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs durch Unterlassen erhoben. Die Anklage wurde am 7.10.15 zur Hauptverhandlung zugelassen. Am 6.10.15 hatte die Staatsanwaltschaft das Bußgeldverfahren aber eingestellt. Begründung: „Wegen der Tat ist unter dem Az. ... ein Strafverfahren anhängig. Es wurde Anklage erhoben, sodass ein Verfahrenshindernis besteht.“

     

    Der Verteidiger beantragte eine Kostenentscheidung. Diese wurde von der Staatsanwaltschaft erst nach dem Abschluss des Strafverfahrens beschieden. Darin wurde die Übernahme der notwendigen Auslagen des Betroffenen unter Hinweis auf § 467 Abs. 3 StPO abgelehnt. Dagegen richtete sich der - erfolgreiche - Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

     

     

    Entscheidungsgründe

    Das AG Bad Kreuznach begründet seine Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung der § 108a Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467a Abs. 1, § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO nicht vorliegen (26.9.16, 40 OWi 1022 Js 1520/15, Abruf-Nr. 193804). Ein Ermessen hinsichtlich des Absehens von der Auferlegung der Kosten sei von vornherein nur eröffnet, wenn ein Verfahrenshindernis letztlich die alleinige Ursache der Einstellung gewesen sei.

     

    Im Zeitpunkt der Einstellung des Bußgeldverfahrens habe aber kein Verfahrenshindernis bestanden. Ein aus dem Verbot der Doppelbestrafung abzuleitendes Verfahrenshindernis komme nämlich erst bei bestehender anderweitiger Rechtshängigkeit zum Tragen. Rechtshängigkeit wird im Strafverfahren aber nicht bereits durch Erhebung der Anklage, sondern erst durch den gerichtlichen Eröffnungsbeschluss begründet. Da die Anklage erst durch Beschluss vom 7.10.15 zur Hauptverhandlung zugelassen worden sei, hinderte das noch nicht rechtshängige Strafverfahren die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung am 6.10.15 also nicht.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung zeigt, welche Auswirkungen der zeitliche Ablauf in Verfahren auch auf die Kosten- und Auslagenentscheidung haben kann. Denn, wäre der zeitliche Ablauf ein anderer gewesen und die Eröffnungsentscheidung ein oder zwei Tage früher bzw. die Einstellungsentscheidung später ergangen, dann hätte man mit dem Verfahrenshindernis i. S. des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO gegen die Auferlegung der Kosten argumentieren können.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Verteidiger muss also versuchen, auf die „richtige“ zeitliche Reihenfolge hinzuwirken.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 119 | ID 44677245