Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Strafprozessordnung

    Klageerzwingungsverfahren: Bereits abgegoltene Gebühren werden nicht erstattet

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Hat sich der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren ohnehin eines Verteidigers bedient, ist dessen Tätigkeit im sogenannten Klageerzwingungsverfahren grundsätzlich durch die Gebühren nach den Nrn. 4100 ff. VV RVG abgegolten (Kostenfestsetzungsbeschluss des OLG Koblenz 4.8.14, 1 Ws 56/14, Abruf-Nr. 143266).

     

    Sachverhalt

    In einem Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen war der Rechtsanwalt Verteidiger des Beschuldigten. Nach Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft hat die Geschädigte Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO gestellt. Den Antrag hat das OLG nach § 174 StPO zurückgewiesen. Nach der Kostenentscheidung des Zurückweisungsbeschlusses muss die Antragstellerin gemäß § 177 StPO die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten tragen. Der Verteidiger hat die Gebühren nach Nrn. 4100, 4104 VV RVG geltend gemacht. Die Rechtspflegerin beim OLG hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Kostenentscheidung des OLG ist auf § 177 StPO gestützt. Nach diesem Beschluss hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen. Gemäß § 177 StPO sind die durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten in den Fällen des § 174 und § 176 Abs. 2 StPO dem Antragsteller aufzuerlegen. Bei den veranlassten Kosten handelt es sich unter anderem um die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Verfahren vor dem OLG (Karlsruher Kommentar/Moldenhauer, StPO, 7. Aufl., § 177 Rn. 3). Hierzu zählen auch die durch das Klageerzwingungsverfahren veranlassten Verteidigerkosten.

     

    Hierbei ist jedoch Folgendes zu beachten: Hat sich der Beschuldigte ohnehin im Ermittlungsverfahren eines Verteidigers bedient, ist dessen Tätigkeit im Klageerzwingungsverfahren durch die Tätigkeit im Ermittlungsverfahren nach den Nrn. 4100 ff. VV RVG abgegolten. Als notwendige Mehrauslagen kommen in diesem Fall lediglich etwa dem Verteidiger zu erstattende Auslagen in Betracht. Da hier der Rechtsanwalt den Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren vertreten hat, sind somit keine durch das Klageerzwingungsverfahren veranlassten erstattungsfähigen Gebühren angefallen. Da auch keine durch eine Tätigkeit im Klageerzwingungsverfahren ausgelösten Auslagen feststellbar sind, ist der Festsetzungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

     

    Praxishinweis

    Richtig ist der Ausgangspunkt des OLG, wonach es sich bei den „durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten“ im Sinne des § 177 StPO immer nur um die im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO (Klageerzwingungsverfahren) entstandenen Kosten handeln kann. Danach bezieht sich die Kostenentscheidung des OLG nicht auf das gesamte Strafverfahren. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 177 StPO.

     

    Richtig ist es auch, wenn der Beschluss davon ausgeht, dass dann, wenn der Rechtsanwalt den Beschuldigten zuvor auch schon im Ermittlungsverfahren verteidigt hat, für dessen Tätigkeiten im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO nicht zusätzliche Gebühren entstehen. Vielmehr werden diese Tätigkeiten - ebenso wie z.B. Tätigkeiten des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren (Burhoff, RVG prof. 14, 30) - durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG mitabgegolten. Das ergibt sich aus Vorb. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV RVG und dem darin festgeschriebenen (allgemeinen) Pauschalcharakter der anwaltlichen Gebühren in Teil 4 VV RVG.

     

    Falsch ist die Entscheidung des OLG aber insoweit, als das OLG auf der Grundlage davon ausgeht, dass „keine durch das Klageerzwingungsverfahren veranlassten erstattungsfähigen Gebühren angefallen“ sein sollen. Denn es übersieht, dass die Tätigkeit des Verteidigers im Klageerzwingungsverfahren zu einem Mehraufwand geführt hat. Dieser Mehraufwand führt aber dazu, dass die abzurechnende Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG höher innerhalb des Gebührenrahmens zu bemessen ist, als sie ohne diese Tätigkeiten zu bemessen wäre (zum vergleichbaren Fall der Verteidigertätigkeit im Beschwerdeverfahren Burhoff, RVG prof., a.a.O.). Das hätte zur Anwendung der sogenannten Differenztheorie führen müssen. Das OLG hätte also einmal die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG mit und einmal ohne Klageerzwingungsverfahren ermitteln und den Unterschiedsbetrag als durch das Klageerzwingungsverfahren veranlasste erstattungsfähige Gebühren gemäß § 177 StPO festsetzen müssen. Auch, wenn der Erstattungsbetrag im Zweifel gering gewesen wäre, hätten die Gebühren dem Verteidiger zugestanden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zur Abrechnung im Klageerzwingungsverfahren siehe auch in dieser Ausgabe, S. 216
    • Burhoff, RVG prof. 14, 30 - zur Beschwerdeabrechnung in Straf- und Bußgeldsachen
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 208 | ID 43056531