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  • · Fachbeitrag · Hauptverhandlung

    Zivilrechtlicher Vergleich löst einfache Einigungsgebühr aus

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Schließen Nebenkläger und Angeklagter auf Antrag des Nebenklägervertreters in der Hauptverhandlung einen zivilrechtlichen Vergleich über Ansprüche des Nebenklägers wegen eines durch die Straftat erlittenen Schadens, steht dem Nebenklägervertreter hierfür eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie eine (lediglich) 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 in Verbindung mit Nr. 1000 VV RVG zu, auch wenn kein förmliches Adhäsionsverfahren nach § 404 StPO vorausgegangen ist (OLG Nürnberg 6.11.13, 2 Ws 419/13, Abruf-Nr. 141526).

     

    Sachverhalt

    In einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs beantragte der Nebenklägerinvertreter V in der Hauptverhandlung den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vor der Strafkammer. Dieser wurde zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin geschlossen. Der Angeklagte verpflichtete sich unter anderem, an die Nebenklägerin 5.000 EUR zu zahlen und übernahm auch die ihr entstehenden notwendigen Auslagen.

     

    Nach Abschluss des Verfahrens beantragte V, die Gebühren für den Vergleichsabschluss gegen den Verurteilten festzusetzen. V ging von einer 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie einer 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 10.000 EUR aus. Festgesetzt worden ist nach dem Gegenstandswert von 10.000 EUR nur eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel des V ist erfolglos geblieben.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG ist davon ausgegangen, dass dem V eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sowie (nur) eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 10.000 EUR zustehen.

     

    Für die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren erhält der Rechtsanwalt neben den Gebühren für das Strafverfahren eine einheitliche Gebühr, und zwar im ersten Rechtszug gemäß Nr. 4143 VV RVG in Höhe des Doppelten der vollen Gebühr aus dem Wert des vermögensrechtlichen Anspruchs. Für den Anfall der Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG kommt es nicht darauf an, ob ein Adhäsionsverfahren nach § 404 Abs. 1 StPO förmlich eingeleitet gewesen ist. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG entsteht, wenn der Rechtsanwalt beauftragt ist, im Strafverfahren vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten geltend zu machen, mit der ersten darauf gerichteten Tätigkeit. Dass der Anspruch im Strafverfahren bereits anhängig geworden ist, ist nicht erforderlich.

     

    Die Einigungsgebühr ist gemäß Nr. 1003 VV RVG nur in Höhe von lediglich 1,0 entstanden. Dabei kann dahinstehen, ob ein (gerichtliches) Adhäsionsverfahren durchgeführt worden ist. Denn schon mit dem in der Hauptverhandlung vor dem LG gestellten Antrag des V, einen gerichtlichen Vergleich vor der Strafkammer abzuschließen, hat V das gerichtliche Verfahren, ihm beim Abschuss des Vergleichs behilflich zu sein, in Gang gesetzt. Dieser Antrag hat den Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten nach Nr. 4143 VV RVG ausgelöst. Eine (solche) Verfahrensgebühr hat V auch geltend gemacht.

     

    Soweit er der Ansicht ist, die Einigungsgebühr sei gleichwohl nicht zu kürzen, setzt er sich in Widerspruch zum Ansatz dieser zusätzlichen (gerichtlichen!) Verfahrensgebühr. Diesen Widerspruch kann er auch nicht dadurch auflösen, dass er ausführt, es sei lediglich ein Schmerzensgeld-Vergleich geschlossen worden, der in gebührenrechtlicher Hinsicht die für ein Adhäsionsverfahren anfallenden Gebühren ausgelöst habe. Mit der Auslösung der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG wird dem Ansatz einer (erhöhten) 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG die Grundlage entzogen.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung des OLG ist in beiden Punkten zutreffend.

     

    • Zum Anfall der Nr. 4143 VV RVG entspricht sie der h.M. in Rechtsprechung und Literatur (OLG Jena AGS 09, 587 mit Anmerkung N. Schneider; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 21. Aufl., Nr. 4143 VV RVG Rn. 6; Burhoff/Burhoff, RVG, 3. Aufl., Nr. 4143 VV RVG Rn. 2).
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    • Sie ist aber auch hinsichtlich der Höhe der Einigungsgebühr nicht zu beanstanden. Vielmehr entspricht die Lösung des OLG dem Sinn und Zweck der unterschiedlichen Gebührenhöhen: Durch die höhere außergerichtliche 1,5-Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV RVG soll das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, gefördert und belohnt werden (BT-Drucksache 15/1971, 204; OLG Jena, a.a.O.). Eine Anrufung des Gerichts ist hier aber mit dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Abschluss eines Vergleichs erfolgt. Damit ist der Grund für die Privilegierung weggefallen. Spätestens mit dem Antrag auf Abschluss eines Vergleichs ist zudem auch das von Nr. 1003 VV RVG vorausgesetzte gerichtliche Verfahren eingeleitet (noch weitergehend OLG Brandenburg AGS 09, 325, wonach darauf abzustellen ist, dass bereits mit dem Strafverfahren selbst ein gerichtliches Verfahren über den Einigungsgegenstand anhängig ist).

     

    Weiterführende Hinweise

    • RVG prof. 13, 156: Adhäsionsverfahren - hier dürfen die Einzelwerte nicht addiert werden LG Magdeburg 12.7.13, 24 Qs 65/13, Abruf-Nr. 132670 
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 97 | ID 42427495