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  • · Fachbeitrag · Bußgeldverfahren


    Owi-Verfahren vor Bußgeldbehörde und Gericht: Postpauschale Nr. 7002 fällt nur einmal an


    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg


    Bei einem Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde und vor dem AG handelt es sich um dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 S. 1 RVG, sodass ein Rechtsanwalt die Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) nur einmal fordern kann (BGH 19.12.12, IV ZR 186/11, Abruf-Nr. 130311).

    Sachverhalt


    Der Kläger fordert von der beklagten Rechtsschutzversicherung die Freistellung von Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Bußgeldverfahren. Der Rechtsanwalt des Klägers hatte für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des Klägers zwei Pauschalen für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von je 20 EUR zuzüglich Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG in Höhe von je 3,80 EUR geltend gemacht. Die beklagte Rechtsschutzversicherung hatte nur eine Pauschale gezahlt. Die zweite Pauschale ist Gegenstand des Rechtsstreits. Der Kläger hatte mit seinem Freistellungsanspruch keinen Erfolg.


    Entscheidungsgründe


    Der BGH hat sich der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Mindermeinung angeschlossen, wonach es sich bei dem Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde und vor dem AG um dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 S. 1 RVG handelt, sodass der Rechtsanwalt die Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) nur einmal fordern kann. 


    Zur Begründung verweist er auf den Katalog des § 17 RVG, der Verfahren aufzählt, die verschiedene Angelegenheiten sind. Allerdings kann ihm keine Entscheidung des Gesetzgebers über die Behandlung des außergerichtlichen und gerichtlichen Bußgeldverfahrens als verschiedene Angelegenheiten entnommen werden. Weder ist das Bußgeldverfahren hierin erwähnt, noch sind die aufgeführten Verfahren mit dem Bußgeldverfahren vergleichbar. 


    Eine Anwendung des § 17 Nr. 1 RVG scheidet aus. Darin werden als Beispiel für verschiedene Angelegenheiten das Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren aufführt. Zwar handelt es sich auch bei dem außergerichtlichen Bußgeldverfahren um ein „Verfahren vor der Verwaltungsbehörde“ (vgl. die entsprechende Überschrift zu Teil 5 Abschn. 1, Unterabschnitt 2 des VV RVG). Die Gliederung des VV RVG differenziert aber zwischen den Gebühren für die Tätigkeit in Bußgeldsachen, die in Teil 5 VV RVG gesondert geregelt sind, und denen für die außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit in Verwaltungsverfahren bzw. Verfahren der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, die in Teil 1 und 2 behandelt werden. Der Gesetzgeber des RVG hat also das im Ordnungswidrigkeitengesetz geregelte Bußgeldverfahren nicht unter den Begriff des „Verwaltungsverfahrens“ subsumiert. Gegen eine weite, das Bußgeldverfahren umfassende Auslegung spricht auch der Grundgedanke der Neuregelung in § 17 Nr. 1 RVG, der auch einer entsprechenden Anwendung von § 17 Nr. 1 RVG entgegensteht. Bei Berücksichtigung der in der Rechtsprechung zur Definition des Begriffs der „Angelegenheit“ i.S. von § 15 Abs. 2 S. 1 RVG entwickelten Kriterien ist der anwaltliche Vertreter des Klägers in derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn tätig geworden. Die anwaltliche Vertretung vor der Verwaltungsbehörde und vor Gericht betraf materiell-rechtlich dieselbe Sache. 


    Praxishinweis


    Die Entscheidung des BGH, der sich wieder einmal gegen die h.M. in Rechtsprechung und Literatur stellt, hat erhebliche Bedeutung für die Abrechnung im Bußgeldverfahren. 


    • Folgt man dem BGH - und das werden die Rechtsschutzversicherungen und Landeskassen mit großem Jubel tun - kann in Bußgeldsachen für die Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren und im gerichtlichen Verfahren nur eine Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht werden. Und im Zweifel wird die Entscheidung auch für das Parallelproblem im Strafverfahren herangezogen werden. Auch dort wird nämlich darüber gestritten, ob das vorbereitende Verfahren und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheit sind (zu allem Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A: Angelegenheit, §§ 15 ff., Rn. 71 und 90 ff. m.w.N.; s. auch die Rechtsprechungsnachweise in der BGH-Entscheidung).


    • Wichtig | Zum Glück wird der Jubel der Rechtsschutzversicherungen und der Landeskassen nicht von langer Dauer sein. Denn die vom BGH entschiedene Frage wird durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz anders entschieden, als der BGH die Frage gesehen hat. Demnächst ist nämlich in § 17 Nr. 11 RVG ausdrücklich geregelt, dass es sich im Bußgeldverfahren bei dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und beim gerichtlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt. In § 17 Nr. 10a RVG wird eine entsprechende Regelung für das Strafverfahren erfolgen. Das bedeutet, dass dann entsprechend der Anm. zu Nr. 7002 VV RVG die Postentgeltpauschale zweimal abgerechnet werden kann. Das gilt wegen der Übergangsregelungen in den §§ 60, 61 RVG allerdings erst für die Verfahren, in denen der endgültige Auftrag ab dem 1. 7. 13 erteilt worden ist. In den „Altverfahren“ bleibt es im Zweifel bei der Anwendung der o.a. BGH-Entscheidung.


    Schließlich: Wenn man die BGH-Entscheidung sieht, fragt man sich, warum so und warum jetzt noch so? Das bleibt das Geheimnis des BGH, der es noch nicht einmal für nötig befunden hat, in seinem Urteil überhaupt zu erwähnen, dass der Gesetzgeber die Frage ab 1.7.13 anders regelt. Das hätte man aber von einem obersten Bundesgericht erwarten dürfen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 61 | ID 37856810