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  • Zurückverweisung
    So muss Ihre Gebührenabrechnung bei einer Zurückverweisung aussehen
    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn
    Nach § 15 Abs. 2 RVG erhält der Anwalt die Gebühren in jedem Rechtszug nur einmal. Etwas anderes kann jedoch bei der Zurückverweisung eines Rechtsstreits gelten. Dazu im Einzelnen:
    Zurückverweisung vom Rechtsmittel- zum untergeordneten Gericht
    Wann das weitere Verfahren vor dem untergeordneten Gericht einen neuen gebührenrechtlichen Rechtszug bildet, regelt § 21 RVG und unterscheidet dabei zwei Konstellationen:
  • Nach Abs. 1 ist im Fall der Zurückverweisung das weitere Verfahren vor dem untergeordneten Gericht ein neuer Rechtszug.
  • Nach Abs. 2 bildet bei der Aufhebung eines Urteils, mit dem ein Scheidungsantrag abgewiesen wurde (§ 629b ZPO), das weitere Verfahren vor dem mit einer Folgesache befassten Familiengericht mit dem früheren Verfahren einen Rechtszug. Dies gilt auch für die Verfahren in Lebenspartnerschaftssachen.
    § 21 Abs. 1 RVG übernimmt § 15 Abs. 1 S. 1 BRAGO. Die früher in § 15 Abs. 1 S. 2 BRAGO enthaltene Einschränkung, dass der Anwalt die Prozessgebühr nur erhält, wenn die Sache an ein Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache noch nicht befasst war, ist nun in Form einer Anrechnungsvorschrift in Abs. 6 der Vorbemerkung 3 VV RVG übernommen worden.
    Eine Zurückverweisung liegt vor, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine den Rechtszug beendende Entscheidung dem untergeordneten Gericht desselben Instanzenzugs die abschließende Entscheidung überträgt. Es entscheidet das Verfahren also nicht selbst endgültig.
    Beispiel 1
    Nach Abweisung der Klage durch das AG stellt das LG in der Berufungsinstanz einen wesentlichen Verfahrensmangel fest, der eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich machen würde (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und verweist den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers zur weiteren Verhandlung zurück.
    Das Rechtsmittelgericht muss sich mit einer den Rechtszug beendenden Entscheidung des Erstgerichts befasst haben, die die Hauptsache vollständig oder zum Teil (z.B. Grund-, Teilurteil) beendet hat. Wird nur eine Zwischenentscheidung angegriffen, ist § 21 Abs. 1 RVG nicht anwendbar.
    Beispiel 2
    In einem Rechtsstreit bejaht das LG gemäß § 71 Abs. 1 ZPO durch Zwischenurteil die Zulässigkeit einer Nebenintervention. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers (§ 71 Abs. 2 ZPO) hebt das OLG das Zwischenurteil auf und gibt die Sache an das LG zurück.
    Lösung: Hier handelt es sich nicht um einen Fall des § 21 Abs. 1 RVG, weil das OLG zwar als Rechtsmittelgericht entschieden, sich aber nicht mit einer den Rechtszug beendenden Entscheidung des LG befasst hat. Das weitere Verfahren vor dem LG ist damit kein neuer gebührenrechtlicher Rechtszu
    Das höhere Gericht muss eine Sachentscheidung treffen. Dazu zählen auch das Versäumnisurteil und der Vergleich: Wird z.B. im Berufungsverfahren über ein Grundurteil ein Vergleich über den Anspruchsgrund geschlossen, ist das weitere Verfahren erster Instanz über die Höhe des Anspruchs gebührenrechtlich ein neuer Rechtszug. Es entstehen aber keine neuen Gebühren, wenn der Rechtsstreit ohne eine solche Sachentscheidung an das untere Gericht zurückfällt. Das ist z.B. der Fall, wenn
  • das Rechtsmittel gegen ein Grundurteil zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wurde und sich daran die weitere Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht über die Anspruchshöhe anschließt oder
  • das Rechtsmittelgericht nur über die Beschwerde gegen eine die PKH ablehnende Entscheidung entschieden hat. Das weitere Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht über die Hauptsache ist derselbe Rechtszug oder
  • das Grundurteil in der Berufungsinstanz bestätigt und vor dem Ausgangsgericht über die Höhe verhandelt wird. Der BGH hat entschieden, dass nach dem in der Rechtsmittelinstanz bestätigten Grundurteil im Betragsverfahren die Verhandlungsgebühr (jetzt Terminsgebühr) nicht neu entsteht. Denn eine Zurückverweisung erfolgt nur, wenn das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil nicht billigt (AGS 04, 234, Abruf-Nr. 041388).
    Entscheidend ist, dass sich auf Grund der Zurückverweisung die Notwendigkeit der weiteren Verhandlung vor dem untergeordneten Gericht ergibt.
    Beispiel 3
    Rechtsanwalt R verklagt für A den B auf Werklohn von 150.000 EUR. Das LG weist die Klage mangels Fälligkeit als zur Zeit unbegründet ab. Das OLG gibt der Berufung des A statt und verweist den Rechtsstreit zurück an das LG. Dieses gibt der Klage nach Beweisaufnahme in Höhe von 100.000 EUR statt und weist sie im Übrigen ab. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: Der Anwalt des A kann folgende Gebühren in Rechnung stellen:
    (1) Verfahren vor dem LG (Streitwert: 150.000 EUR)
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 2.060,50 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 1.902,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      3.982,50 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 637,20 EUR
      4.619,70 EUR
    (2) Verfahren vor dem OLG (Streitwert: 150.000 EUR)  
    1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG 2.536,00 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG 1.902,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      4.458,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 713,28 EUR
      5.171,28 EUR
    (3) Weiteres Verfahren vor dem LG (Streitwert: 150.000 EUR)    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 2.060,50 EUR  
    Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG ./. 2.060,50 EUR  
    Auf die Verfahrensgebühr wird die Verfahrensgebühr aus dem Verfahren vor dem LG angerechnet.
    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr 0,00 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 1.902,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.922,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 307,52 EUR
      2.229,52 EUR
      12.020,50 EUR
    Kein neuer Rechtszug liegt z.B. vor, wenn das Rechtsmittel gegen ein Teilurteil nach § 301 ZPO zurückgewiesen wird. Das weitere Verfahren vor dem untergeordneten Gericht über den noch offenen Teil ist kein neuer Rechtszug, weil diesbezüglich keine Zurückverweisung des Rechtsstreits erfolgte.
    Beispiel 4
    R verklagt für A den B auf Mietzahlung von 6.500 EUR. B erhebt Widerklage auf Ersatz von Aufwendungen über 2.500 EUR. Das AG gibt der Klage nach Verhandlung über Klage und Widerklage durch Teilurteil statt. Die Berufung des B gegen das Teilurteil ist erfolglos. A wird auf die Widerklage zur Zahlung von Aufwendungsersatz von 2.000 EUR verurteilt. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    (1) Verfahren vor dem AG (Streitwert: 9.000 EUR)  
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 583,70 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 538,80 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.142,25 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 182,80 EUR
      1.325,30 EUR
    (2) Verfahren vor dem LG (Streitwert: 6.500 EUR)  
    1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG 600,00 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG 450,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.070,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 171,20 EUR
      1.241,20 EUR
    (3) Weiteres Verfahren vor dem AG  
    Dieses Verfahren ist gegenüber dem früheren Verfahren vor dem AG keine eigene Angelegenheit. Denn es wird über die Widerklage verhandelt, die dem Rechtsmittelgericht nicht zur Entscheidung vorlag. Es fallen keine weiteren Gebühren an.



    2.566.50 EUR
    Die Zurückverweisung muss an ein untergeordnetes Gericht erfolgen. Bei Zurückverweisung an eine Behörde (Verwaltungs-behörde, Staatsanwaltschaft etc.) ist § 21 RVG nicht anwendbar.
    Verfahren vor und nach Zurückverweisung wie getrennte Prozesse
    Bei der Zurückverweisung gilt das weitere Verfahren als getrennter Prozess. Der Anwalt kann die entstehenden Gebühren nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer erneut verlangen.
    Anrechnung der Verfahrensgebühr
    Nach Abs. 6 der Vorbemerkung 3 VV RVG wird auf die Verfahrensgebühr für das weitere Verfahren vor dem untergeordneten Gericht die entstandene Verfahrensgebühr angerechnet, wenn das untergeordnete Gericht mit der Sache befasst war. Die Terminsgebühr des weiteren Verfahrens wird dagegen nicht angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt auch, wenn auf Grund geänderter Geschäftsverteilung oder ausdrücklicher Zurückverweisung an eine andere Kammer nicht mehr derselbe Spruchkörper für das Verfahren zuständig ist. Denn "Gericht" meint hier das Gericht als Justizbehörde und nicht als konkreten Spruchkörper in seiner personellen Besetzung.
    Beispiel 5
    Wird auf die Revision des Angeklagten das Urteil des LG Köln aufgehoben und das Verfahren nach § 354 Abs. 2 S. 1 2. Alt. StPO an das LG Aachen zurückverwiesen, kann der Anwalt für das weitere Verfahren vor dem LG Aachen auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG erneut verlangen.
    Anrechnung nur im jeweiligen Mandatsverhältnis
    Die Anrechnung setzt voraus, dass der Anwalt bereits vor der Zurückverweisung tätig war. Beauftragt der Mandant nach der Zurückverweisung einen neuen Anwalt, erhält dieser die Verfahrensgebühr ohne Anrechnung. Die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten muss der Gegner aber nur erstatten, wenn der Anwaltswechsel notwendig war.
    Änderung des Gegenstandswerts
    Die Gebühren richten sich nach dem Gegenstandswert, der im Zeitpunkt ihres Entstehens gilt. Erhöht er sich nach der Zurückverweisung, ist dieser sowohl für die neuen Gebühren als auch für die Verfahrensgebühr maßgebend.
    Beispiel 6
    Das Berufungsgericht hebt ein Urteil über 10.000 EUR auf und verweist das Verfahren zurück. R erweitert vor dem LG die Klage auf 15.000 EUR. Der Rechtsstreit endet durch Vergleich. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    (1) Verfahren vor dem LG (Streitwert: 10.000 EUR)  
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 631,80 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 583,20 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.235,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 197,60 EUR
      1.432,60 EUR
    (2) Verfahren vor dem OLG (Streitwert: 10.000 EUR)  
    1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG 777,60 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG 583,20 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.380,80 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 220,93 EUR
      1.601,73 EUR
    (3) weiteres Verfahren vor dem LG (Streitwert 15.000 EUR)    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 735,80 EUR  
    Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG ./. 631,80 EUR  
    Hierauf wird die Verfahrensgebühr aus dem Verfahren vor dem LG angerechnet.
    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr 104,00 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3102 VV RVG 679,20 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      803,20 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 128,51 EUR
      931,71 EUR
      3.966,04 EUR
    Verringert sich der Gegenstandswert nach Zurückverweisung, entstehen die neuen Gebühren nur nach dem geringeren Wert. Die Verfahrensgebühr des weiteren Verfahrens geht in der anzurechnenden Verfahrensgebühr auf.
    Beispiel 7
    Das Berufungsgericht hebt das von R erstrittene Urteil über 10.000 EUR in Höhe von 6.000 EUR auf und verweist den Rechtsstreit insoweit zurück an das LG. Wie wird das weitere Verfahren vor dem LG vergütet?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    weiteres Verfahren vor dem LG (Streitwert 6.000 EUR)    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 439,40 EUR  
    Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG ./. 631,80 EUR  
    Hierauf wird die Verfahrensgebühr aus dem Verfahren vor dem LG (Streitwert 10.000 EUR) angerechnet.    
    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr   0,00 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3102 VV RVG   405,60 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
        425,60 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent   68,10 EUR
        493,70 EUR
    Zurückverweisung im familienrechtlichen Verfahren (§ 629b ZPO)
    Verweist das Rechtsmittelgericht das Verfahren über den Scheidungsantrag bzw. den Antrag auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft zurück an das Familiengericht, weil dort eine Folgesache anhängig ist, bilden das weitere Verfahren über diese Anträge und die Folgesachen mit dem Ausgangsverfahren denselben Rechtszug, § 21 Abs. 2, § 15 Abs. 2 ZPO.
    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 12/2004, Seite 209
    Quelle: Ausgabe 12 / 2004 | Seite 209 | ID 106680