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  • 01.03.2005 | Zivilsachen

    Terminsgebühr im schriftlichen Verfahren

    von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Düsseldorf

    Aus Abs. 1 Ziff. 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV RVG ergibt sich, dass die 1,2 Terminsgebühr auch im schriftlichen Verfahren entstehen kann. Voraussetzung dafür ist, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden wird  

    • im Einverständnis mit den Parteien (§ 128 Abs. 2 ZPO) im Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung oder
    • gemäß § 307 Abs. 2 ZPO (dazu Beispiel 1) oder
    • gemäß § 495a ZPO.

     

    Die Terminsgebühr kann ferner entstehen, wenn in einem der aufgeführten Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Dazu im Einzelnen:  

    Terminsgebühr durch Entscheidung im schriftlichen Verfahren

    Im Zivilprozess ist grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, § 128 Abs. 1 ZPO. Gesetzlich nicht geregelt ist, durch welche Tätigkeiten des Anwalts im schriftlichen Verfahren die Terminsgebühr entsteht. Da er den Mandanten nicht im Termin vertritt bzw. einen Termin für ihn wahrnimmt, treffen die in Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG aufgeführten Voraussetzungen für das schriftliche Verfahren insoweit nicht zu. Daher hängt die Terminsgebühr davon ab, ob der Anwalt das Verfahren durch schriftsätzliche Anträge oder durch schriftlichen Sachvortrag bzw. rechtliche Ausführungen gefördert hat. Bestellt er sich z.B. nur zum Prozessbevollmächtigten, ohne das Verfahren schriftsätzlich zu fördern, kann keine Terminsgebühr entstehen (Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 7 Rn. 340).  

     

    Praxishinweis: Ergeht keine Entscheidung, kann die Terminsgebühr nicht entstehen. Dasselbe gilt, wenn eine Entscheidung ergeht, die keine mündliche Verhandlung voraussetzt. Entscheidungen i.S. von Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG sind primär Urteile. Aus § 128 Abs. 4 ZPO ergibt sich der Grundsatz, dass bis auf Urteile Entscheidungen des Gerichts keine mündliche Verhandlung voraussetzen. Das gilt aber nur, soweit nichts anderes bestimmt ist, z.B. § 1063 Abs. 2 ZPO: mündliche Verhandlung vor Beschlussfassung.  

     

    Beispiel 1: Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren, § 307 ZPO

    Rechtsanwalt R klagt 5.000 EUR ein. Es wird das schriftliche Vorverfahren gemäß § 276 Abs. 1 ZPO durchgeführt. Auf Grund des schriftlichen Anerkenntnisses des Beklagtenvertreters B ergeht ein Anerkenntnisurteil. Welche Vergütung können R und B abrechnen?  

     

    Lösung: R und B können je folgende Gebühren aus einem Wert von 5. 000 EUR abrechnen:  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    391,30 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG  

    361,20 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    772,50 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent  

    123,60 EUR  

     

    896,10 EUR  

     

    Grundlage des Anerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren nach § 307 ZPO ist der Klageantrag des Klägers und das schriftliche Anerkenntnis des Beklagten. Ein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils ist nicht erforderlich. Der Klägervertreter erhält daher die 1,2 Terminsgebühr gemäß Abs. 1 Ziff. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG auf Grund des schriftlichen Klageantrags, der Beklagtenvertreter auf Grund des schriftlichen Anerkenntnisses (KG RVGreport 04, 149). Die Anm. Abs. 1 Ziff. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG verweist zwar noch auf den inzwischen durch Art. 1 Nr. 9a JuMoG (BGBl. I S. 2198) gestrichenen § 307 Abs. 2 ZPO. Dieser Verweisungsfehler hat jedoch auf die Terminsgebühr keinen Einfluss. Es besteht hierdurch insbesondere keine Regelungslücke: Während § 307 Abs. 2 ZPO nur bei Anerkenntnis des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung vorsah, ist auf Grund des § 307 ZPO n.F. ein Anerkenntnisurteil generell ohne mündliche Verhandlung möglich (BT-Drucksche 15/1508, 41; Fölsch, MDR 04, 1029). In diesen Fällen dürfte eine Terminsgebühr entstehen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 307 Rn. 12 ).  

     

    Terminsgebühr durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs

    Nach Abs. 1 Ziff. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs in den dort aufgeführten Verfahren. Der Vergleich ersetzt die gerichtliche Entscheidung (Zöller, a.a.O.). Der Anfall einer Terminsgebühr für diese Fälle ist konsequent, weil der Anwalt nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG eine Terminsgebühr bereits erhält, wenn Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mit dem Ziel der Vermeidung/Erledigung des Verfahrens geführt werden. Der schriftliche Vergleich geht weiter, weil er das Gerichtsverfahren vermeidet bzw. erledigt (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 16. Aufl., Nr. 3104 VV Rn. 57). Nach dem Wortlaut dürfte jeder schriftliche Vergleich, nicht nur der gerichtliche Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO erfasst sein (Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 7 Rn. 349, a.A.: Anw.Komm. RVG/Gebauer, VV 3104 Rn. 31).  

     

    Nach dem Wortlaut lässt aber nur ein schriftlicher Vergleich (§ 779 BGB), nicht aber eine schriftliche Einigung die Terminsgebühr entstehen (Hansens/Braun/Schneider,a.a.O., Teil 7 Rn. 351; Zöller/Greger, a.a.O., § 278 Rn. 27: Nr. 3104 sollte auch bei schriftlicher Einigung gelten.).  

     

    Streitpunkt: Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO

    Der Streit bei § 35 BRAGO, ob eine Verhandlungsgebühr auch anfällt, wenn im schriftlichen Verfahren keine Entscheidung ergeht, sondern ein Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird (dazu Onderka, BRAGO prof. 03, 158) ist im RVG nicht erledigt: Nach überwiegender Auffassung in der Literatur zum RVG fällt beim schriftlichen Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO die Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG an (Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 7 Rn. 346 ff.; Zöller/Greger, a.a.O., § 278 Rn. 27; a.A. Hartmann KostenG, 34. Aufl., VV 3104 Rn. 30). Der BGH lehnt dies jedoch ab (NJW 04, 2311). Das OLG Nürnberg hat sich dem BGH angeschlossen (AnwBl. 05, 222 mit Anm. Henke). Abs. 1 Ziff. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG beziehe sich lediglich auf das Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO und nicht auf das nach § 278 Abs. 6 ZPO, in dem keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Die Ausdehnung der Terminsgebühr auf den Beschlussvergleich widerspreche dem Interesse der Parteien an einer kostensparenden Prozessführung.  

     

    Dem ist Folgendes entgegen zu halten: Nach den Motiven des Gesetzgebers soll sich der Abschluss eines Verfahrens durch eine gütliche Regelung für den Anwalt nicht nachteilig auf sein Honorar auswirken. Der Anwalt soll im Fall des Beschlussvergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht schlechter stehen als beim Vergleichsschluss im Termin (Henke, AnwBl. 04, 593). Die Regelung, dass für das Verfahren die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, bezieht sich auf das gesamte Zivilverfahren, nicht nur auf die Güteverhandlung gemäß § 278 ZPO (Hansens, RVGreport 04, 311).  

     

    Praxishinweis: Sind dem Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO Erörterungen bzw. Gespräche, ggf. auch telefonisch, zwischen den Parteien vorausgegangen, entsteht die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG vielfach bereits hierdurch (Hansens, a.a.O.).  

     

    Verfahren nach § 495a ZPO

    Im Verfahren nach § 495a ZPO (Streitwert bis 600 EUR) entsteht die Terminsgebühr, wenn eine gerichtliche Entscheidung ergeht, die eine mündliche Verhandlung voraussetzt (Urteil), und der Anwalt das Verfahren schriftsätzlich gefördert hat, z.B. durch Stellung eines Sachantrags (Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 7 Rn. 341). Darüber hinaus fällt die Terminsgebühr im Verfahren nach § 495a ZPO auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs an, weil er „in einem solchen Verfahren“ ergeht (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3104 Rn. 60). Auch das OLG Nürnberg geht im Verfahren nach § 495a ZPO von der Entstehung der Terminsgebühr durch schriftlichen Vergleich aus.  

     

    Beispiel 2: Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO

    Im Prozess über 5.000 EUR erfolgt nach Besprechung zwischen den Prozessbevollmächtigten ein schriftsätzlicher Vergleich auf 2.000 EUR. Das Gericht stellt dessen Abschluss und Inhalt nach § 278 Abs. 6 ZPO fest. Welche Gebühren kann R abrechnen?  

     

    Lösung: R kann folgende Gebühren aus einem Wert von 5.000 EUR abrechnen:  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    391,30 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG  

    361,20 EUR  

    1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG  

    301,00 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    1.073,50 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent  

    171,76 EUR  

     

    1.245,26 EUR  

     

     

    Die Terminsgebühr ist bereits durch die Besprechung zur Erledigung des Verfahrens zwischen den Prozessbevollmächtigten entstanden. Auch bei Abschluss des Vergleichs ohne Besprechung dürfte nach Sinn und Zweck der Regelung die Terminsgebühr entstehen (str.).  

     

    Beispiel 3: wie vor, mit rechtshängigen und nicht rechtshängigen Ansprüchen

    R reicht auftragsgemäß Klage über 5.000 EUR ein. Auf Vorschlag des Gerichts wird nach Besprechung zwischen den Prozessbevollmächtigten ein Vergleich über den Klageanspruch und einen weiteren nicht rechtshängigen Anspruch in Höhe von 10.000 EUR festgestellt, § 278 Abs. 6 ZPO. Welche Vergütung kann R abrechnen?  

     

    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, Wert 5.000 EUR  

    391,30 EUR  

    391,30 EUR  

    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG, Wert 10.000 EUR  

     

    Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG: Die 1,3 und die 0,8 Verfahrensgebühren dürfen zusammen nicht mehr als 1,3 aus 15.000 EUR, also 735,80 EUR ergeben. Sie übersteigen diesen Betrag aber um 44,30 EUR (780,10 EUR ./. 735,80 EUR). Daher wird die 0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 um 44,30 EUR auf 344,50 EUR gekürzt.  

    388,80 EUR  

    780,10 EUR  

     

    Gekappte 0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG  

     

    344,50 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG, Wert 15.000 EUR  

     

    679,20 EUR  

    1,5 Einigungsgebühr Nr. 1000 VV RVG, Wert 10.000 EUR  

    729,00 EUR  

    729,00 EUR  

    1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG, Wert 5.000 EUR  

    301,00 EUR 

     

     

    1.030,00 EUR  

     

    Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG: Die 1,5 und 1,0 Einigungsgebühr dürfen nicht mehr als 1,5 aus 15.000 EUR, also 849 EUR ergeben. Sie übersteigen diesen Betrag aber um 181 EUR (1.030 EUR ./. 849 EUR). Daher wird die 1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 um 181 EUR auf 120 EUR gekürzt. 

     

     

    Gekappte 1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG  

     

    120,00 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    20,00 EUR  

     

     

    2.284,00 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent  

     

    365,44 EUR  

     

     

    2.649,44 EUR  

     

    Die Terminsgebühr ist auch hier bereits durch die Besprechung zur Erledigung des Verfahrens über den Klageanspruch und zur Vermeidung des Verfahrens über den nicht rechtshängigen Anspruch zwischen den Prozessbevollmächtigten entstanden (vgl. Volpert, RVG prof. 05, 3). Daher dürfte es für die Entstehung der Terminsgebühr durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auch ohne Besprechung unerheblich sein, ob der Anspruch rechtshängig ist oder nicht. Der Anwalt muss aber insoweit einen Verfahrensauftrag erhalten haben (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 3104 VV Rn. 61).  

     

    Praxishinweis: Während bei der Differenzverfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziffer 2 VV RVG nach dem nicht rechtshängigen Anspruch in Höhe von 10.000 EUR auf die Feststellung einer Einigung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO abgestellt wird, setzt die Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG den Abschluss eines schriftlichen Vergleichs voraus. Da nach § 278 Abs. 6 ZPO verfahrensrechtlich nur die Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs, nicht aber einer Einigung möglich ist, dürfte auch die Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG in diesem Fall nur bei Feststellung eines Vergleichs entstehen.  

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2005 | Seite 48 | ID 91786