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  • 22.12.2010 | Verfahrenskosten

    Kostenquotelung und/oder Differenztheorie

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Auch bei überwiegendem Freispruch können dem Angeklagten alle Verfahrenskosten auferlegt werden (OLG Köln 9.7.10, 2 Ws 325/10, Abruf-Nr. 104194).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte ist durch ein landgerichtliches Urteil wegen sexuellen Kindesmissbrauchs in einem Fall unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung wegen Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Vom Vorwurf weiterer 20 Missbrauchstaten wurde er freigesprochen. Nach der Kostenentscheidung fallen die Verfahrens-kosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Umfang des Freispruchs der Staatskasse zur Last, während sie im Umfang der Verurteilung von ihm selbst zu tragen sind. Mit der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft sind dem Angeklagten die gesamten im Verfahren entstandenen Gebühren und Auslagen von rund 60.000 EUR in Rechnung gestellt worden, wovon der weit überwiegende Teil in Höhe von rund 46.000 EUR auf Vergütungen von Sachverständigen entfällt. Dagegen hat der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt, mit dem er geltend gemacht hat, es könne angesichts des Freispruchs in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle nicht sein, dass er die gesamten Kosten tragen müsse. Zur Aufklärung der einzigen abgeurteilten Tat wäre der Umfang der Beweisaufnahme mit 16-tägiger Hauptverhandlung nicht erforderlich gewesen. Auszugehen sei von einer Kostenquotelung von 20/21, die die Staatskasse zu tragen habe. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG stützt seine Entscheidung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 2 GKG) auf folgende Punkte:  

     

    • Die Kostenentscheidung im landgerichtlichen Urteil ist bindend. Das LG hat insoweit von einer nach § 464d StPO zulässigen Bruchteilsentscheidung abgesehen und entschieden, die Feststellung von bezogen auf die Freisprechungsfälle ausscheidbaren Kosten dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO zu überlassen, in welchem nach der Differenztheorie zu prüfen ist, welche Kosten und Gebühren entstanden wären, wenn die Anklage von vornherein so gelautet hätte wie das Urteil. Die somit aufgrund der Differenztheorie vorzunehmende Prüfung ergab dann, dass ausscheidbare Kosten nicht feststellbar sind.

     

    • Die Anklageerhebung zum LG ist vom OLG angesichts des verbliebenen Vorwurfs, der Strafdrohung und der Schutzwürdigkeit des Opfers nicht beanstandet worden. Folge: Die durch diese Anklageerhebung entstandenen Gerichtskosten sowie die von der Staatskasse zunächst übernommenen Gebühren der Nebenklagevertreterin von rund 6.000 EUR waren gemäß § 59 RVG vom Angeklagten voll zu tragen.