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  • 29.05.2008 | Terminsgebühr

    Keine Terminsgebühr beim § 91a ZPO-Beschluss

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn
    Bei Kostenentscheidungen gemäß § 91a ZPO fällt keine Terminsgebühr an, wenn nicht ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung stattfindet (BGH 25.9.07, VI ZB 53/06, AGS 07, 610, Abruf-Nr. 073388).

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte hat während des Prozesses die Forderung bezahlt. Die Parteien haben übereinstimmende Erledigungserklärung abgegeben. Der Beklagte hat die Kostenlast anerkannt. Das Gericht hat gemäß § 91a ZPO über die Kosten entschieden und der Klägervertreter hat vergeblich eine 1,2 Terminsgebühr angemeldet. Die zugelassene Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Gemäß seinem Wortlaut findet Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV nur auf solche Verfahren Anwendung, in denen eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist. Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht nach seinem Ermessen aufgrund mündlicher Verhandlung oder ohne eine solche durch Beschluss entscheiden kann. Deshalb greift Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV bei Beschlüssen, die gemäß § 128 Abs. 3, 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen können, nicht ein. Die Vorschrift ist auch nicht analog auf den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung anzuwenden, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Dem Gesetzgeber war im Hinblick auf die zu § 35 BRAGO ergangenen Entscheidungen die Problematik bekannt. Trotzdem hat er die übereinstimmende Erledigungserklärung mit der Möglichkeit des §§ 91a, 128 Abs. 3, 4 ZPO nicht in Nr. 3104 VV RVG aufgenommen.  

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist zutreffend. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ist nur bei solchen Verfahren anwendbar, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, auf die aber im Einverständnis mit den Parteien oder kraft ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung verzichtet werden kann. Steht es dagegen im Ermessen des Gerichts, ob aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil oder ohne eine solche durch Beschluss entschieden wird, entsteht die Terminsgebühr nur, wenn die mündliche Verhandlung tatsächlich stattgefunden hat oder die sonstigen Alternativen (Besprechung mit Gegner, Teilnahme am Sachverständigentermin) erfüllt sind. Die folgende Checkliste gibt eine Übersicht über Verfahren und die Frage der Verhandlungspflicht.  

     

    Checkliste: Verfahren und Verhandlungspflicht
    • Arbeitssachen: In Verfahren nach dem ArbGG ist § 128 ZPO nur im Berufungsverfahren anwendbar (§ 64 Abs. 6 ArbGG), im Urteilsverfahren wird er durch § 46 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen.

     

    • Entscheidung nach Lage der Akten: Für eine Entscheidung nach § 331a ZPO erhält der Anwalt der erschienenen Partei eine 1,2 Terminsgebühr, weil er einen Termin wahrgenommen und in diesem nicht nur ein Versäumnisurteil beantragt hat.

     

    • FGG-Sachen: Es kann schriftlich und mündlich verhandelt werden. Eine Terminsgebühr entsteht nur, wenn tatsächlich mündlich verhandelt wird oder eine andere Alternative der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG erfüllt ist. Ausnahme: WEG-Verfahren, da nach § 44 Abs. 1 WEG in der ersten und zweiten Tatsacheninstanz mündlich verhandelt werden soll und das Gericht nur ausnahmsweise darauf verzichten kann (BGH NJW 98, 3713). Die mündliche Verhandlung steht derart im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, dass quasi eine Verhandlungspflicht besteht (BGH AGS 06, 268 m. Anm. Onderka; BGH AGS 07, 14 m. Anm. N. Schneider). Dies gilt jedoch nur für diejenigen WEG-Verfahren, die auf § 44 Abs. 1 WEG beruhen. Ergeht z.B. im WEG-Verfahren auf die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten eine Kostenentscheidung ohne mündliche Verhandlung, entsteht keine Terminsgebühr (KG AGS 07, 444). Grund: Bei der Kostenentscheidung nach § 47 WEG i.V. mit § 91a ZPO ist keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben und es besteht keine Quasi-Verhandlungspflicht.

     

    • Kostenentscheidungen: Diese (z.B. §§ 91a, 269 Abs. 4, § 516 Abs. 3 ZPO) können ohne mündliche Verhandlung ergehen, sodass eine Terminsgebühr nur anfällt, wenn – zivilprozessual überflüssig – tatsächlich eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Gleiches gilt für Verfahren über einen Kostenwiderspruch, da auch hier nach § 128 Abs. 3 ZPO eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen kann (OLG Frankfurt a.M. AGS 07, 70 m. Anm. N. Schneider).

     

    • Landwirtschaftssachen: In Verfahren nach dem LwVfG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn keiner der Beteiligten nach § 15 Abs. 1 LwVfG eine mündliche Verhandlung beantragt. Meinung 1: Auch hier kann eine Terminsgebühr entstehen, weil der unterlassene Antrag der Beteiligten als das Einverständnis zu bewerten sei, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (Schons, AGS 07, 490). Meinung 2: Es fehlt eine entsprechende gesetzliche Regelung, wie z.B. § 63 Abs. 4 S. 2 BRAGO, sodass keine Terminsgebühr entstehen kann (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3104 Rn 32). Meinung 1 überzeugt: Wenn schon in Verfahren nach dem WEG, in denen die mündliche Verhandlung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht, eine Terminsgebühr zugebilligt wird, muss dies erst recht in solchen Verfahren gelten, in denen ein Beteiligter diese durch schlichten Antrag erzwingen kann und sie damit nicht im Ermessen des Gerichts steht.

     

    • Normenkontrollverfahren: Bei diesen Verfahren kann gemäß § 47 Abs. 5 S. 1 VwGO ohne Einverständnis bzw. sogar gegen den erklärten Willen der Beteiligten von der mündlichen Verhandlung abgesehen werden, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht daher nicht.

     

    • Verfassungsbeschwerde: Nach § 94 Abs. 5 BVerfGG kann in Verfahren der Verfassungsbeschwerde von der mündlichen Verhandlung abgesehen werden, was Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ausschließt.

     

    • Versäumnisurteil (VU), § 331 Abs. 3 ZPO: Der Erlass eines VU im schriftlichen Verfahren wird in Nr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG speziell geregelt. Es fällt eine 0,5 Terminsgebühr an.

     

    • Verweisungsbeschluss: Ein Verweisungsbeschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn der Kläger einen entsprechenden Antrag stellt (§ 281 Abs. 1 ZPO). Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG kann damit nicht entstehen.

     

    • Zivilverfahren: In Zivilverfahren ist nach § 128 Abs. 1 ZPO grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgesehen, wobei nach § 128 Abs. 4 ZPO Entscheidungen, die keine Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen können. Bei solchen Beschlussverfahren kann eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG daher nur ausnahmsweise entstehen, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass dem Beschluss eine mündliche Verhandlung vorauszugehen hat (vgl. § 128 Abs. 4, 2. HS. ZPO). Dies ist beispielsweise bei einem Beschluss nach § 1063 Abs. 2 ZPO der Fall.

     

    • Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO: Wird die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen, entsteht keine Terminsgebühr, da erst im Anschluss an das Prüfungsverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt wird. Eine Terminsgebühr kann jedoch entstehen, wenn die Parteien – während des Stadiums des § 522 ZPO – eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens i.S. von Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG führen. Denn solche außergerichtliche Besprechungen lösen unabhängig davon eine Terminsgebühr aus, ob für das folgende/anhängige Verfahren eine mündliche Verhandlung vorschrieben ist (a.A. – wenig überzeugend und im Widerspruch zur Entscheidung des 9. Senats [AGS 07, 166]: BGH AGS 07, 397 m. Anm. N. Schneider).
     

     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2008 | Seite 97 | ID 119526