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  • Streitwert

    Wann wirkt eine Hilfsaufrechnung streitwerterhöhend?

    Trotz der gebührenrechtlichen Bedeutung der Hilfsaufrechnung, die im Gegensatz zur Primäraufrechnung streitwerterhöhend wirken und mithin die anwaltlichen Gebühren nicht unerheblich beeinflussen kann (§ 8 Abs. 1  Satz 1 BRAGO i.V.m. § 19 Abs. 3 GKG), bereitet es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten, diese Fälle richtig zu erkennen. Eine Ursache dafür ist, daß erst nach der Entscheidung durch ein Urteil oder einen Vergleich über den zur Hilfsaufrechnung geltend gemachten Gegenanspruch (§ 19 Abs. 3 GKG) feststeht, ob eine Wertkumulation eingetreten ist. Zum anderen sind die Voraussetzungen, unter denen die Hilfsaufrechnung werterhöhend wirkt, oft nicht ohne weiteres erfüllt. Damit Sie die Hilfsaufrechnung bei der Gebührenberechnung vorteilhaft anwenden können, werden im folgenden Beitrag die hierfür notwendigen Grundsätze erläutert.

    Die Voraussetzungen der streitwerterhöhenden Hilfsaufrechnung im einzelnen

    Allgemeine Aufrechnungsvoraussetzungen sind: Der Beklagte muß das Bestehen der Klageforderung bestreiten. Für den Fall, daß das Gericht die Klageforderung bejaht, rechnet der Kläger – hilfsweise – mit einer Gegenforderung auf und muß das Bestehen der Gegenforderung bestreiten. Darüber hinaus muß eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung vorliegen (§ 322 Abs. 2 ZPO). Diese kann entweder durch die Aberkennung der Gegenforderung oder durch den Verbrauch durch die Aufrechnung erfolgen.

    Beispiel 1

    Der Kläger A. macht eine Forderung von 12.000 DM geltend, die der Beklagte B. bestreitet. Für den Fall, daß das Gericht die Klageforderung für begründet hält, rechnet B. mit einer Gegenforderung von 8.000 DM auf, deren Bestehen wiederum A. bestreitet.

    Lösung – Alternative 1: Für den Fall, daß das Gericht die Klageforderung für begründet und die Aufrechnung für zulässig erachtet, kann es zum einen der Klageforderung stattgeben, weil die Gegenforderung nicht besteht. Zum anderen kann es die Klage abweisen, weil diese durch die Gegenforderung verbraucht ist. In beiden Fällen erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung auf 20.000 DM, da jeweils eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung ergangen ist.

    Alternative 2: Würde das Gericht die Klage abweisen, weil die Klageforderung nicht besteht, so bliebe es bei einem Streitwert von 12.000 DM, da nicht über die Gegenforderung entschieden wird.

    Streitwerterhöhung auch, wenn Gegenforderung nicht gegenseitig/nicht fällig ist

    Streitig ist, ob auch dann eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung ergeht, wenn das Gericht der Klage stattgibt, weil es an der Gegenseitigkeit oder der Fälligkeit der Gegenforderung fehlt. In beiden Fällen ist die Streitwerterhöhung zu bejahen. Die Entscheidung des Gerichts, daß die Gegenforderung dem Beklagten im Verhältnis zu dem Kläger nicht bzw. noch nicht zusteht, erwächst insoweit in Rechtskraft, als der Beklagte diese Gegenforderung gegen den Kläger nicht noch einmal bzw. noch nicht geltend machen kann (so zum Beispiel OLG Düsseldorf MDR 96, 1299; Zöller, ZPO, § 322 Rz 18; a.A.: OLG Frankfurt JurBüro 91, 1388).

    Streitwerterhöhung hängt vom Umfang der Begründetheit der Klageforderung ab

    Der Streitwert erhöht sich rückwirkend, also vom Zeitpunkt der Erklärung der Hilfsaufrechnung, ab. Jedoch wird die Streitwerterhöhung durch die Höhe der begründeten Klageforderung begrenzt, das heißt: Hätte der Beklagte im Beispiel 1 mit einer zulässigen und bestrittenen Gegenforderung von 15.000 DM hilfsweise aufgerechnet, könnte sich der Streitwert auf höchstens 24.000 DM erhöhen. Wäre die Klage aber nur in Höhe von 5.000 DM begründet, betrüge der Gesamtstreitwert nur 10.000 DM. Über die über 5.000 DM hinausgehende Gegenforderung wird nicht entschieden.

    Von mehreren Gegenforderungen erhöht jede den Streitwert

    Etwas anderes gilt für den Fall, daß der Beklagte gleich mit mehreren Gegenforderungen hilfsweise aufrechnet. Hierbei erhöht jede Gegenforderung den Streitwert, soweit über diese entschieden wird. Der Beklagte hat vorab anzugeben, in welcher Reihenfolge er seine Forderungen zur Aufrechnung stellt.

    Beispiel 2

    Sachverhalt wie Beispiel 1. Der Beklagte rechnet aber mit zwei Gegenforderungen von 10.000 DM und 20.000 DM auf. Das Gericht weist die Klage ab, weil sie durch die zweite Gegenforderung erloschen ist. Die erste Gegenforderung besteht nicht. Da über jede Gegenforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergangen ist, beträgt der – durch die Hauptforderung nach § 322 Abs. 2 ZPO begrenzte – Streitwert:

    Klage                                                                                                            12.000 DM
    1. Gegenforderung                                                                                       10.000 DM
    2. Gegenforderung                                                                                       12.000 DM
                                                                                                                         34.000 DM

    Hinweis: Der Beklagte kann mit beliebig vielen Gegenforderungen hilfsweise aufrechnen. Da er deren Reihenfolge selbst bestimmen kann, könnte er so die Prozeßkostenkalkulation des Klägers zunichte machen. Um für den Kläger im Falle des Unterliegens nicht eine unbillige Kostenexplosion zuzulassen, behilft sich die Praxis mit von § 91 Abs. 1 ZPO abweichenden Kostenentscheidungen. So kommt eine Kostenverteilung nach § 92 ZPO (Lappe, Justizkostenrecht, § 8 Abs. 3 Nr.  2) oder eine Kostenentscheidung nach § 96 ZPO in Betracht. Danach können dem Beklagten die Kosten der erfolglos gebliebenen Aufrechnung auferlegt werden.

    In restriktiver Anwendung des § 19 Abs. 3 GKG wird auch die Meinung vertreten, den Streitwert generell auf das Doppelte der Hauptforderung zu beschränken (so OLG Frankfurt JurBüro 80, 1544).

    Ein gerichtlicher Vergleich schadet nicht

    Nach § 19 Abs. 5 GKG tritt die Werterhöhung unter den ausgeführten Voraussetzungen auch bei Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich ein. Dabei muß es sich um einen gerichtlichen Vergleich handeln. Außergerichtliche Vergleiche beenden einen Rechtsstreit nicht.

    Streitwerterhöhung ist auch in Rechtsmittelinstanz möglich

    In der Berufungsinstanz wird gemäß § 14 Abs. 1 GKG zwar der Streitwert durch die Anträge des Rechtsmittelklägers bestimmt. Dieser Streitwert wird aber durch den Streitwert der ersten Instanz begrenzt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GKG). Unproblematisch ist hier, wenn in der ersten Instanz über die Klage- und die Gegenforderung entschieden wurde und in der Berufungsinstanz

    • das erstinstanzliche Urteil vollinhaltlich bestätigt oder
    • das erstinstanzliche Urteil durch die Entscheidung über die Klage- und Gegenforderung aufgehoben wird.

    In beiden Fällen kommt es sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz zur Streitwerterhöhung.

    Nur dann keine Streitwerterhöhung in der zweiten Instanz, wenn über Gegenforderung nicht entschieden wird

    Wird in der Berufungsinstanz das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, ohne daß eine Entscheidung über die erneut zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung ergeht, so bleibt es für die zweite Instanz maximal bei dem Wert der Klageforderung. Für die erste Instanz gilt weiterhin der durch den Wert der Gegenforderung erhöhte Streitwert, da in dieser Instanz eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung ergangen ist. Auf die förmliche Rechtskraft kommt es insoweit nicht an (siehe auch OLG Köln JurBüro 95, 144; BGH Rpfleger 87, 37 ; OLG München JurBüro 90, 1337; a.A.: OLG Frankfurt JurBüro 81, 249; Lappe, Justizkostenrecht, § 8 Nr.  2).

    Streitwerterhöhung in der zweiten Instanz, wenn in der ersten Instanz nicht über die Aufrechnung entschieden wurde

    Auch die folgenden Fälle sind denkbar:

    • Über die hilfsweise Aufrechnung wurde in der ersten Instanz nicht entschieden, diese wird in der Berufungsinstanz nun erneut geltend gemacht.
    • Die Hilfsaufrechnung wird in der Berufungsinstanz erstmalig geltend gemacht.

    Wird hier über die Gegenforderung entschieden, ergeht in beiden Fällen jeweils erst in der Berufungsinstanz eine der Rechtskraft fähige Entscheidung. Für den Streitwert der ersten Instanz bleibt daher die Aufrechnungsforderung unberücksichtigt. In der zweiten Instanz erhöht sich dagegen der Wert gemäß § 19 Abs. 3 GKG um den Wert der Gegenforderung. § 19 Abs. 3 GKG ist hier lex specialis zu der Regelung des § 14 Abs. 2 GKG.

    Tip: Um dem kostenberechnenden Sachbearbeiter optimale Arbeitsvoraussetzungen zu geben, sollte der Rechtsanwalt die Hilfsaufrechnung und eine eventuelle Entscheidung darüber mit Seitenzahl auf der Handakte vermerken.

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 07/1998, Seite 10

    Quelle: Ausgabe 07 / 1998 | Seite 10 | ID 106129