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  • 01.07.2007 | Strafverfahren

    Terminsgebühr mit Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm

    Dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalt steht zusätzlich zur Terminsgebühr für die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin, also z.B. nach Nr. 4108 VV RVG, eine Zusatzgebühr zu, wenn es sich um einen besonders langen Hauptverhandlungstermin gehandelt hat. Die folgende Checkliste informiert Sie über wichtige Punkte bei der Abrechnung dieser Gebühr.  

     

    Terminsgebühr mit Längenzuschlag für den gerichtlich bestellten / beigeordneten Anwalt
    • Allgemeines: Bei einer Hauptverhandlungsdauer von mehr als 5 und bis 8 Stunden wird ein Zuschlag von 50 Prozent gewährt, bei einer Hauptverhandlungsdauer von mehr als 8 Stunden ein Zuschlag von 100 Prozent. Die Gebühr erhält der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt, i.d.R. also der Pflichtverteidiger, zusätzlich neben der Terminsgebühr. Es handelt sich um eine selbstständige Gebühr, die nicht mit anderen Zuschlägen verrechnet wird.

     

    • Teilnahme an der (besonders) langen Hauptverhandlung: Für das Entstehen der Zuschlagsgebühr ist entscheidend, wie lange der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und aus ihrem Sinn und Zweck, wonach der Zeitaufwand, den der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt erbringen muss, besser honoriert werden soll (BT-Drucks. 15/1971, 224).

     

    • Berechnung der Hauptverhandlungsdauer: In der Rechtsprechung ist inzwischen Streit entbrannt, wie die für die Gewährung des Zuschlags maßgebliche Zeit ermittelt wird. Umstritten ist, ob und wie Wartezeiten und/oder (längere) Pausen bei der Ermittlung der für die Gewährung eines Zuschlags zur Terminsgebühr maßgeblichen Zeit zu berücksichtigen sind. Die Gesetzesbegründung sagt dazu ausdrücklich nichts (BT-Drucks., a.a.O.).

     

    • Berücksichtigung von Wartezeiten: Nach inzwischen wohl überwiegender Meinung in der Rechtsprechung werden bei der Dauer der Hauptverhandlung Wartezeiten mitgerechnet (KG RVG prof. 06, 23, Abruf-Nr. 060202; OLG Hamm RVG prof. 05, 177, Abruf-Nr. 052545; OLG Düsseldorf RVG prof. 07, 30, Abruf-Nr. 070184; OLG Koblenz RVG prof. 06, 84, Abruf-Nr. 060999; OLG Stuttgart RVG prof. 05, 200, Abruf-Nr. 053047; a.A. OLG Saarbrücken AGS 06, 336). Dem ist zuzustimmen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, den besonderen Zeitaufwand eines gerichtlich bestellten Anwalts angemessen zu honorieren (so auch KG RVG prof. 06, 23). Es leuchtet nicht ein, warum einem Anwalt ggf. über Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG ein Termin, der nicht stattfindet, honoriert wird, er aber Wartezeiten, also auch nutzlos aufgewendete Zeit, nicht vergütet bekommen soll.

     

    Praxishinweis: Maßgeblich für den Beginn der Zeitberechnung ist der Zeitpunkt der Ladung, wenn der Anwalt zu diesem Zeitpunkt erschienen ist (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

     

    • Berücksichtigung von Hauptverhandlungspausen: Die Frage, ob diese ggf. abgezogen werden, ist streitig. Teilweise wird zwischen kürzeren und längeren Pausen unterschieden. Insoweit gilt:
    • Einigkeit besteht, dass kürzere Pausen – „zur Vermeidung einer kleinlichen Handhabung der Vorschrift“ (OLG Bamberg AGS 06, 124) – nicht abgezogen werden (OLG Hamm AGS 06, 282).
    • Längere Pausen werden vom OLG Bamberg (a.a.O.) und OLG Zweibrücken (NStZ-RR 06, 392) hingegen abgezogen. Demgegenüber stellen u.a. OLG Stuttgart (a.a.O.) und OLG Düsseldorf (a.a.O.) bei (extrem) langen Pausen zutreffend darauf ab, ob und wie der Anwalt die freie Zeit sinnvoll hat nutzen können (AnwKomm-RVG/N.Schneider, VV 4108 - 4111 Rn. 27).

     

    Praxishinweis: Im Übrigen steht dem Anwalt stets (auch) eine angemessene Mittagspause von mindestens einer Stunde (so wohl OLG Stuttgart, a.a.O.) bzw. von zwei Stunden (OLG Koblenz, a.a.O.) zu. Diese Zeit ist von einer längeren Pause abzuziehen und zu fragen, ob der Anwalt die verbleibende Zeit sinnvoll nutzen konnte (OLG Stuttgart, OLG Koblenz, OLG Hamm, jeweils a.a.O.). Dabei sind zahlreiche Umstände bedeutsam, wie z.B. neben der Länge der Pause auch die Entfernung der Kanzlei zum Gerichtsort, die tatsächliche Fahrtzeit, wobei der Anwalt wählen können muss, ob er öffentliche Verkehrsmittel oder ein Kraftfahrzeug benutzt, und ähnliches (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.).
     

    Beispiel

    Die Hauptverhandlung beim AG ist auf 10.00 Uhr terminiert und dauert bis 15.10 Uhr. Rechtsanwalt R erscheint (verspätet) erst um 10.15 Uhr.  

     

    Lösung: Die Zuschlagsgebühr ist nicht entstanden. Die Hauptverhandlung hat zwar mehr als fünf Stunden gedauert, R hat an ihr jedoch nur 4,55 Stunden teilgenommen. Entscheidend für die Berechnung der Hauptverhandlungsdauer ist auch nach der Rechtsprechung, die Wartezeiten berücksichtigt, immer der Zeitpunkt, zu dem der Anwalt im Gerichtssaal anwesend ist.  

     

    Abwandlung 1

    Im Beispiel ist R pünktlich um 10.00 Uhr erschienen. Wegen der Verspätung eines Schöffen beginnt die Hauptverhandlung jedoch erst um 10.30 Uhr. Sie dauert bis 15.15 Uhr.  

     

    Lösung: R kann die Terminsgebühr mit Zuschlag nach Nr. 4110 VV RVG berechnen. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem R im Gerichtssaal anwesend ist.  

     

    Abwandlung 2

    Im Beispiel beginnt die Hauptverhandlung, die bis 15.15 Uhr dauert, pünktlich um 10.00 Uhr. Aus dem Protokoll ergeben sich Sitzungspausen von 10.45 bis 10.49 Uhr und von 11.36 bis 11.51 Uhr.  

     

    Lösung: Auch hier steht R die Gebühr Nr. 4110 VV RVG zu. Die Sitzungspausen von insgesamt 19 Minuten werden von der Hauptverhandlungsdauer nicht abgezogen.