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  • 02.04.2009 | Straf- und Bußgeldverfahren

    Befriedungsgebühr auch für die Rücknahme des Einspruchs nach der Hauptverhandlung?

    Die Befriedungsgebühr ist ein Thema, das viele Leser interessiert (vgl. schon RVG prof. 08, 72). Hier ein Beispielsfall aus der Praxis:  

     

    Leseranfrage: „Mein Mandant und ich haben gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. An der Hauptverhandlung vor dem auswärtigen AG haben wir beide teilgenommen. Das AG musste die Hauptverhandlung aussetzen, weil ein Zeuge nicht erschienen war. Es hat einen neuen Hauptverhandlungstermin bestimmt. An dem Tag war mein Mandant verhindert. Einen Entbindungsantrag nach § 73 OWiG hat das AG abgelehnt. Nach Absprache mit meinem Mandanten habe ich drei Wochen vor dem Hauptverhandlungstermin den Einspruch zurückgenommen. Ich habe bei der Rechtsschutzversicherung (RSV) meines Mandanten auch die Gebühr Nr. 5115 Anm. Ziff. 4 VV RVG geltend gemacht. Die RSV verweigert diese und verweist auf ein Urteil des AG Hannover vom 22.11.07 (425 C 14144/07, n.v., Abruf-Nr. 090922). Dieses habe entschieden, dass die Gebühr Nr. 5115 VV RVG nur entstehe, wenn die Hauptverhandlung an sich und nicht nur ein weiterer Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird. Ist das zutreffend?“  

     

    Antwort: Die Entscheidung des AG Hannover ist falsch. Die Gebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG bzw. Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 4 VV RVG ist auch zu gewähren, wenn eine Hauptverhandlung ausgesetzt wurde und die neu anzuberaumende Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil der Verteidiger die Berufung oder den Einspruch früher als zwei Wochen vor deren Beginn zurücknimmt. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass diese Vorschriften anders formuliert sind als § 84 Abs. 2 BRAGO. Während früher durch die Mitwirkung des Anwalts eine Hauptverhandlung entbehrlich werden musste, heißt es in Nr. 4141 VV RVG bzw. Nr. 5115 VV RVG, dass die Hauptverhandlung entbehrlich werden muss. Das ist aber kein rechtliches, sondern ein sprachliches Problem (s. auch OLG Bamberg, RVGreport 07, 150). Es lässt sich weder der Gesetzesbegründung noch sonstigen Umständen entnehmen, dass mit der Verwendung des bestimmten Artikels eine sachliche Änderung verbunden sein sollte. Entscheidend ist der Sinn und Zweck von Nr. 4141 und Nr. 5115 VV RVG: Sie sollen den Anreiz erhöhen, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, und damit zu weniger Hauptverhandlungen führen. Es folgt weder aus dem Gesetzestext noch aus der -begründung, dass die Instanz gänzlich ohne Durchführung einer Hauptverhandlung erledigt werden muss. Zudem werden bei der Vermeidung eines weiteren Hauptverhandlungstages Aufwand und Kosten erspart. Wird diese rechtzeitig durch die Tätigkeit des Verteidigers entbehrlich, ist das gesetzgeberische Ziel erreicht, eine Hauptverhandlung zu vermeiden, die das Gericht vorbereiten und durchführen muss, wofür dem Verteidiger eine erneute Terminsgebühr zustehen würde (so auch die ganz h.M., vgl. z.B. OLG Hamm AGS 08, 228 m. Anm. N. Schneider; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 18. Aufl., VV 4141 Rn. 21 und VV 5151 RN. 17).  

     

    (Antwort von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg)