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  • 01.06.2006 | Sozialrecht

    Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren richtig abrechnen

    von RiSG Heinz Schäfer, Münster

    Der Beitrag zeigt, wie der Anwalt sozialrechtliche Beratungsmandate sowie im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren richtig abrechnet (zur Abrechnung sozialrechtlicher Mandate Schäfer, RVG prof. 06, 71 und 88 [neue Abonnenten können die Beiträge anfordern: Fax: 02596 922-80, kein Fax-Abruf!]).  

     

    Bloße Beratung einschließlich Beratungshilfe

    Rat- und Auskunftserteilung in sozialrechtlichen Mandaten bemisst sich nach Nr. 2101 VV RVG. Der Gebührensatz beträgt zwischen 10 und 260 EUR. Handelt es sich um Verbraucher i.S. des § 13 BGB, beschränkt sich der Höchstbetrag der Erstberatung auf 190 EUR, Nr. 2102 VV RVG. Diese Beratungsgebühr wird auf die Gebühr für andere Tätigkeiten angerechnet, Nr. 2100 Abs. 1 und Abs. 2 VV RVG. Ab dem 1.7.06 entfällt die Nr. 2101 VV RVG ersatzlos (die ab dem 1.7.06 geltenden Nrn. der Gebühren stehen daher in Klammern hinter den bisherigen Nrn.) Die Kappungsgrenze bleibt in § 34 Abs. 1 RVG n.F. erhalten. Die Anrechnungsregelung bleibt in § 34 Abs. 2 RVG n.F. bestehen.  

     

    Als Sonderfall gilt noch die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels in sozialrechtlichen Angelegenheiten: Nach Nrn. 2202, 2203 VV RVG (ab 1.7.06: Nrn. 2102 und 2103 VV RVG n.F.) beläuft sich die Gebühr auf 10 bis 260 EUR bzw. bei schriftlichen Gutachten auf 40 bis 400 EUR. Auch diese Gebühr wird bei späterer Mandatsübernahme speziell bei Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens, auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 2202 Abs. 2 VV RVG (Nr. 2102 Abs. 2 VV RVG n.F.) angerechnet.  

     

    Sonderregelungen zur reinen Beratungshilfe, § 44 S. 1 RVG

    Eine volle Gebühr fällt an, sofern für Betragsrahmengebühren keine gesonderte Regelung getroffen wurde. Die Beratungshilfegebühr für Ratsuchende beträgt nach Nr. 2600VV RVG (Nr. 2500 VV RVG n.F.) 10 EUR und sind allein von ihnen zu entrichten, § 44 S. 2 RVG. Der Anwalt kann diese Gebühr auch erlassen. Von der Staatskasse erhält er die Beratungsgebühr gemäß Nr. 2601 VV RVG (Nr. 2501 VV RVG n.F.) i.H. von 30 EUR, soweit die Beratung nicht mit anderen gebührenpflichtigen Tätigkeiten zusammentrifft.  

     

    Folgt aus der Beratung eine weitere Tätigkeit, bemisst sich die Geschäftsgebühr nach Nr. 2603 VV RVG (Nr. 2503 VV RVG n.F.) und ist mit 70 EUR veranschlagt. Auch diese Gebühr ist bis zur Hälfte auf die Gebühr eines sich (etwaig) anschließenden gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens anzurechnen. Zugleich bedeutet dies, dass die Geschäftsgebühr im Rahmen der Beratungshilfe nach § 44 RVG eben nicht die Abrechnung weiterer Aufwendungen für ein Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren ausschließt.  

     

    Abrechnung der Tätigkeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren

    Anders als nach der BRAGO wird nach dem RVG bereits in § 17 Nr. 1 RVG, zwischen verschiedenen Angelegenheiten differenziert. Bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen ursprünglichem Verwaltungsverfahren und dem einem gerichtlichen Verfahren vorgeschalteten Widerspruchsverfahren. Im Sozialrecht handelt es sich bei dem der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden weiteren Verwaltungsverfahren um das Vorverfahren nach Widerspruch, §§ 78, 83 bis 86 SGG. Dabei überträgt § 3 Abs. 2 RVG im Grundsatz die für das gerichtliche Verfahren geltende Abgrenzung zwischen Betragsrahmengebühren und wertmäßiger Abrechnung auch auf das Verwaltungsverfahren. Die außergerichtliche Vertretung in sozialrechtlichen Angelegenheiten wird insoweit in Teil 2 Abschnitt 5 VV RVG (ab 1.7.06: Abschnitt 4) zusammengefasst. Dieser Teil gibt die Fälle wieder, in denen Betragsrahmengebühren entstehen und das GKG unanwendbar ist, arg. ex § 183 i.V. mit § 197a SGG.  

     

    Inhaltlich beginnt das Verwaltungsverfahren mit der Antragstellung, vgl. § 16 SGB I, und endet mit Erlass des Verwaltungsakts i.S. von § 31 SGB X. Die Vergütung des Anwalts im Antragsverfahren regelt Nr. 2500 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG n.F.). Vorgesehen ist eine Gebühr von 40 bis 520 EUR. Allerdings besteht eine gesetzliche Kappungsgrenze i.S. einer Deckelung des konkreten Honoraranspruchs. Denn eine Gebühr von mehr als 240 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.  

     

    Praxishinweis: Die Schwellengebühr (240 EUR) unterschreitet die Mittelgebühr (290 EUR). Letztere ist i.d.R. im Antragsverfahren nicht abrechenbar.  

     

    Beispiel: Gebührenbemessung nach § 14 RVG

    Rechtsanwalt R nimmt gegenüber der Deutschen Rentenversicherung im Anhörungsverfahren nach § 24 SGB X vor Bescheiderteilung zu einer vorgesehenen Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Rentenansprüche schriftlich Stellung. Welche Gebühren kann R dafür abrechnen?  

     

    Lösung: Es liegt eine nach § 14 RVG als durchschnittlich anzusehende Angelegenheit vor. Damit ist allein die Gebühr von 240 EUR nach Nr. 2500 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG n.F.) abrechnungsfähig.  

     

    Der weitere Verfahrensablauf bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids ist davon unabhängig. Das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Vorverfahren ist auch in Sozialrechtsangelegenheiten gesondert abrechenbar.  

     

    Soweit der Anwalt noch nicht im vorangegangenen Verwaltungsverfahren tätig war, entsteht die Gebühr gemäß Nr. 2500 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG n.F.) von 240 EUR. Nach Nr. 2501 VV RVG (Nr. 2401 VV RVG n.F.) gilt aber ein niedriger Gebührenrahmen, wenn der Anwalt bereits im Verwaltungsverfahren tätig war und auch das Widerspruchsverfahren durchgeführt hat. Der Gesetzgeber unterstellt, dass die Tätigkeit im vorangehenden Verwaltungsverfahren das nachfolgende Widerspruchsverfahren erleichtere. Dem entsprechend beträgt die Gebühr für das weitere Verfahren allein 40 bis 260 EUR. Nur bei umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit ist eine Gebühr von mehr als 120 EUR anzusetzen. Auch hier erfolgt eine Deckelung unter die Mittelgebühr von 150 EUR, Anm. Abs. 2 zu Nr. 2501VV RVG (Nr. 2401 VV RVG n.F.).  

     

    Zur Klarstellung sei jedoch nochmals betont: Die niedrigere Gebühr im Widerspruchsverfahren nach Nr. 2501 VV RVG (Nr. 2401 VV RVG n.F.) fällt nur an, wenn der Anwalt die Gebühr gemäß Nr. 2500 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG n.F.) bereits durch Tätigkeit im Antragsverfahren verdient hat.  

     

    Beispiel: Tätigkeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren

    R vertritt die Versicherte V im Verfahren gegen die gesetzliche Krankenkasse und stellt für V umfangreiche und zeitaufwendige Anträge auf Hilfsmittel- und Rehabilitationsleistungen wegen verschiedener Krankheitsbilder. Alle Anträge werden abgelehnt. Gegen den ablehnenden Bescheid legt R auftragsgemäß Widerspruch ein. Auch das Vorverfahren gestaltet sich als schwierig, führt aber dazu, dass V die beantragten Hilfsmittel nach dem SGB V, wenn auch keine stationäre Rehabilitation, bewilligt erhält. Welche (Mittel-)Gebühren kann R bei einer durchschnittlichen Tätigkeit abrechnen?  

     

    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:  

     

    Tätigkeit im Antragsverfahren  

     

    Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG n.F.)  

    280,00 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR  

     

    300,00 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 %  

    48,00 EUR  

     

    348,00 EUR  

    Tätigkeit im anschließenden Widerspruchsverfahren (Vorverfahren)  

     

    Geschäftsgebühr Nr. 2501 VV RVG (Nr. 2401 VV RVG n.F.)  

    150,00 EUR  

    Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr jeweils nach Nr. 1005 VV RVG  

    280,00 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

    20,00 EUR 

     

    450,00 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 %  

    72,00 EUR  

     

    522,00 EUR  

    R kann insgesamt 870 EUR (348 EUR + 522 EUR) abrechnen.  

     

     

     

     

    Abwandlung: Tätigkeit nur im Widerspruchsverfahren

    Wie sähe die Vergütung aus, wäre R nicht im vorangegangenen Verwaltungsverfahren, sondern nur im Widerspruchsverfahren für V tätig geworden?  

     

    Lösung: R könnte nach Nr. 2500 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG n.F.) abrechnen.  

     

    Praxishinweis: Damit wären allerdings nur Kosten für das isolierte Vorverfahren abrechenbar. Den Kostenersatz durch den Sozialleistungsträger regelt § 63 SGB X. Nach Abs. 1 dieser Norm muss der Sozialleistungsträger, der den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen erstatten. Die Notwendigkeit richtet sich nach dem Standpunkt eines verständigen Bescheidempfängers. Dabei kommt es auf die Einzelfallumstände anhand des Maßstabs eines vernünftigen Bürgers mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand an (BSG FGb 88, 65).  

     

    Die Entscheidung der Sozialleistungsträger ergeht als Kostenbescheid, das heißt als gesonderter Verwaltungsakt. Wird der Anwalt dadurch beschwert, muss er isoliert dagegen Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht erheben. Grundsätzlich gilt für das Vorverfahren nicht § 193 SGG, der nach seinem Wortlaut allein die Erstattungsfähigkeit der im Gerichtsverfahren angefallenen Kosten regelt.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2006 | Seite 106 | ID 91884