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  • 01.03.2007 | Kostenfestsetzung

    Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privatgutachten

    von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg

    Holt eine Partei ein Privatgutachten ein, handelt es sich dabei nicht um ein Beweismittel der ZPO. Der Beitrag erläutert, in welchen Fällen die Kosten eines solchen Gutachtens trotzdem erstattungsfähig sind.  

     

    Checkliste: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens

    Vorprozessual eingeholte Privatgutachten: Diese sind als Verfahrenskosten erstattungsfähig, wenn  

    • die unmittelbare Prozessbezogenheit des Privatgutachtens vorliegt und
    • es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig ist, § 91 ZPO.

     

    • Unmittelbare Prozessbezogenheit: Diese setzt Folgendes voraus:
    • Es muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen Gutachteneinholung und dem Prozess bestehen (OLG Karlsruhe AGS 05, 519; BVerwG AGS 01, 273).
    • Strittig ist, ob auch ein zeitlicher Zusammenhang zum Prozessbeginn erforderlich ist (so OLG Hamburg JurBüro 88, 761; 91, 1516; a.A. OLG München JurBüro 92, 172; BGH JurBüro 03, 310).

     

    Praxishinweis: Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, können die Kosten als Schadenersatz im Prozess nach § 254 BGB mit geltend gemacht werden (Mümmler, RVG, „Privatgutachten“ Nr. 2.1.1 ).

     

    • Notwendigkeit i.S. von § 91 ZPO: Kosten des Privatgutachtens sind nur erstattungsfähig, wenn die Partei mangels Sachkenntnisse nicht sachgerecht vortragen kann (BGH NJW 03, 1399).

     

    Praxishinweis: Erstattungsfähigkeit ist nur in Ausnahmefällen gegeben (OLG Köln JurBüro 03, 313).  

    • Sie ist zu bejahen, wenn nur durch die Zuziehung des Sachverständigen die erforderlichen Unterlagen für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung beschafft werden können, oder nur dadurch festgestellt werden kann, ob und welche Ansprüche bestehen (OLG Hamm JurBüro 90, 366).
    • Wird das Gutachten wegen einer angedrohten Klage eingeholt, liegt eine unmittelbare Prozessbezogenheit vor, so dass die Erstattungsfähigkeit zu bejahen ist (BGH JurBüro 03, 309).
    • Nicht zu berücksichtigen sind Gutachten, die nur der Beurteilung der Prozessaussichten dienen (OLG Hamburg JurBüro 88, 1022; OLG Zweibrücken JurBüro 83, 1399).

     

    Während des Rechtsstreits eingeholtes Privatgutachten:  

    • Die Beiziehung des Sachverständigen muss notwendig sein. Die Partei muss ihrer Darlegungslast genügen oder den erforderlichen Beweis antreten bzw. abwehren (OLG Koblenz JürBüro 92, 611).
    • Das Gutachten muss in den Prozess eingeführt worden sein (OLG Hamm AGS 02, 138).
    • Es muss dazu dienen, die Waffengleichheit der Parteien zu sichern (LG Hamburg JurBüro 03, 311).
    • Es muss den Prozess fördern. Dies ist der Fall, wenn das Gericht das Gutachten übernimmt oder dessen Einholung auf eine gerichtliche Auflage zurückgeht, oder wenn das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung maßgebend war (OLG Frankfurt/M. JurBüro 86, 915).
    • In Eilverfahren gelten weniger strenge Anforderungen für die Erstattungsfähigkeit, da mit Rücksicht auf § 294 ZPO die Einholung eines Privatgutachtens notwendig sein kann, um damit der Glaubhaftmachungslast zu genügen oder die Glaubhaftmachung der Gegenseite zu erschüttern (OLG Hamburg JurBüro 89, 812). Sie ist als notwendig zu bejahen, wenn nur auf diese Weise Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht werden können (OLG Koblenz JurBüro 92, 611).
    • Rechtsgutachten über inländisches Recht sind nicht erstattungsfähig, da sich der Prozessbevollmächtigte auch in schwierige Rechtsfragen einarbeiten muss (BVerwG Rpfleger 91, 388). Ausnahmen hierzu können nur im Rahmen des § 293 ZPO gegeben sein.
     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2007 | Seite 51 | ID 91807