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  • 29.07.2010 | Gebührenanrechnung

    Vergleich: Wann muss die Geschäftsgebühr nach § 15a Abs. 2 RVG angerechnet werden?

    von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich

    1. Die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG ist in einem Prozessvergleich nur als tituliert anzusehen und gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 2 RVG auf die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, wenn dem Vergleich unmissverständlich die Höhe der titulierten Gebühr zu entnehmen ist. Ein vergleichsweiser Verzicht auf die Geschäftsgebühr - etwa durch eine allgemeine Erledigungsklausel - stellt keine Titulierung dar.  
    2. Das Hauptsacheverfahren und das sich daran anschließende Kostenfestsetzungsverfahren sind i.S. des § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG nicht „dasselbe Verfahren“.  
    (OLG Stuttgart 18.3.10, 8 W 132/10, Abruf-Nr. 102353)

     

    Sachverhalt

    Der Kläger hatte neben den Hauptforderungen (Klageanträge Nr. 1 bis 3, Schadenersatzanspruch, Schmerzensgeld, Feststellung) als Nebenforderung eine vorgerichtliche 2,0-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG (Klageantrag Nr. 4) geltend gemacht. Der Rechtsstreit wurde durch Prozessvergleich beendet, in dem sich der Beklagte verpflichtete, an den Kläger Schadenersatz und Schmerzensgeld zu bezahlen (Nr. 1 und 2 der Klage und des Vergleichs) und künftige Schäden des Klägers zu ersetzen (Nr. 3 der Klage und des Vergleichs). In Nr. 4 des Vergleichs sind die Kosten des Rechtsstreits vom Kläger zu 30 Prozent und vom Beklagten zu 70 Prozent übernommen worden. Im Kostenfestsetzungsbeschluss wurde ohne Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr eine volle Verfahrensgebühr für den Kläger berücksichtigt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.  

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Auffassung des OLG ist zu Recht die volle Verfahrensgebühr berücksichtigt worden, weil keiner der in § 15a Abs. 2 RVG genannten Anrechnungsfälle vorliegt. Nach § 15a Abs. 1 RVG wirkt sich die in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG geregelte Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht aus. Dort musste und muss eine Verfahrensgebühr stets auch in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist (BGH RVG prof. 09, 184, Abruf-Nr. 093157; BGH RVG prof. 10, 55, Abruf-Nr. 100482). Von einer zur Anrechnung führenden Zahlung der Geschäftsgebühr kann nicht ausgegangen werden, weil sich der Beklagte im Vergleich nur zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld, nicht aber zur Zahlung der Geschäftsgebühr verpflichtet hat.  

     

    Eine Geltendmachung der Geschäfts- und Verfahrensgebühr in demselben Verfahren liegt ebenfalls nicht vor. Denn das Hauptsacheverfahren und das sich daran anschließende Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) sind i.S. des § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG nicht „dasselbe Verfahren“ (OLG Stuttgart AnwBl 10, 146).