Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • Eigene Angelegenheiten

    Wann außergerichtliche Rechtsanwaltskosten bei einer Selbstvertretung erstattet werden

    von Rechtsanwalt und Diplom-Betriebswirt Karl Becker, Herzogenrath-Kohlscheid

    Immer wieder lehnen es Rechtsschutzversicherer ohne nähere Begründung ab, die Anwaltsgebühren bei einer außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts in eigener Sache zu ersetzen. Tatsächlich gibt es zu dieser Frage einander widersprechende Rechtsprechung. Dennoch sollte der Anwalt in einer solchen Situation keineswegs von vornherein auf die Geltendmachung seiner Gebühren verzichten. Der folgende Beitrag nennt die wichtigsten Argumente für eine Kostenerstattung.

    Erstattungsanspruch ergibt sich aus §§ 249 ff. BGB

    Ob und inwieweit die Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit im Falle der Selbstvertretung vom Schädiger zu erstatten sind, ist eine Frage des materiellen Erstattungsanspruchs. Rechtsgrundlage hierfür sind die allgemeinen  Vorschriften der §§ 249 ff. BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Auflage, § 249 Rz 20 f. m.w.N.; Klimke/Himmelreich, Kfz-Schadensregulierung, Rz 2100), da sich die Ersatzpflicht auf die durch Geltendmachung und Durchsetzung eines Schadenersatzanspruchs entstehenden Kosten erstreckt. Dazu gehören grundsätzlich auch Anwaltskosten zur Rechtsverfolgung und -verteidigung.

    Hinweis: § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO scheidet unmittelbar und mittelbar als Rechtsgrundlage für einen solchen Erstattungsanspruch aus. Diese Vorschrift erfordert das Vorliegen eines „Rechtsstreits“ und regelt damit nur einen prozessualen Erstattungsanspruch.

    Sind Kosten des sich selbst vertretenden Anwalts Schaden i.S.v. § 249 BGB?

    Umstritten ist aber, ob die Rechtsanwaltskosten erstattungsfähiger Schaden i.S. der §§ 249 ff. BGB sind, wenn sich der Anwalt selbst vertritt:

    • Ein Teil der Gerichte und des Schrifttums verneint eine Erstattungspflicht des Schädigers (AG Hamburg VersR 69, 673; AG München VersR 69, 1103; AG Heidenheim VersR 76, 501, 694; LG Berlin VersR 74, 868; LG Hamburg AnwBl. 80, 82 zur Abmahnung eines Kollegen; Fraunholz/Keller/Sußbauer, BRAGO, 5. Auflage, § 1 Rz 30; Schumann/Geißinger, BRAGebO, 2. Auflage, § 1 Rz 24).
    • Teilweise bejahen Rechtsprechung und Literatur den Anspruch auf Ersatz der gesetzlichen Gebühren und Auslagen (LG Hamburg AnwBl. 71, 113; LG Mainz NJW 72, 161; LG Mannheim AnwBl. 75, 68).

    Die besseren Gründe sprechen für eine Kostenerstattung

    Der eine Erstattungspflicht ablehnenden Auffassung kann aus den folgenden vier Gründen nicht gefolgt werden:

    • Die anwaltsunfreundlichen Entscheidungen verkennen, daß es jedem Geschädigten grundsätzlich freisteht, auch für die außergerichtliche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall ist der Schädiger nach einhelliger Auffassung zum Ersatz der Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 249 ff. BGB verpflichtet (vergleiche Palandt/Heinrichs, BGB, aaO, § 249 Rz 20 f.). Für die Rechtsanwaltskosten des sich selbst vertretenden Anwalts, der die Sache nicht einem Kollegen übergibt, sondern selbst als Anwalt tätig wird, kann nichts anderes gelten.
    • Weiterhin ist es ein anerkannter Grundsatz des Schadenersatzrechts, daß die besonderen persönlichen Verhältnisse des Geschädigten dem Schädiger nicht zum Vorteil gereichen dürfen, das heißt hier: Der Schädiger soll nicht dadurch besser gestellt werden, daß der Geschädigte aufgrund seines Berufs als Rechtsanwalt das erforderliche Geschäft selbst besorgen kann.
    • Insbesondere gibt es keinen Rechtsgrund dafür, daß der Anwalt im finanziellen Interesse des Schädigers gezwungen sein soll, seine berufliche Arbeitskraft, Erfahrung und Fachkenntnis sowie den Kanzleibetrieb unentgeltlich einzusetzen. So erwartet beispielsweise auch niemand, daß der Kfz-Mechaniker sein durch einen Dritten beschädigtes Fahrzeug unentgeltlich repariert.
    • Auch die Ansicht, daß ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten deshalb ausscheidet, weil der Rechtsanwalt bei Selbstvertretung keine Berufstätigkeit i.S. des § 1 Abs. 1 BRAGO ausübt, geht fehl (so zum Beispiel: AG Hamburg VersR 69, 673; AG München VersR 70, 722). Im Rahmen des § 249 Satz 2 BGB kommt es gerade nicht darauf an, ob tatsächlich eine Berufstätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 BRAGO vorliegt. Maßgebend ist vielmehr, ob die ausgeführte Tätigkeit zum Rechtsanwaltsberuf oder zum Privatbereich gehört. Für eine private Tätigkeit ist maßgebend, ob auch ein Nichtanwalt die Tätigkeit im Regelfall selbst ausführen würde. Dies ist hier nicht der Fall. Der Schaden des in eigener Sache außergerichtlich tätig werdenden Rechtsanwalts besteht also darin, daß er unter Einsatz personeller und sachlicher Mittel eine eigene berufliche und in Geld meßbare Leistung erbringt (siehe LG Mannheim AnwBl. 75, 68).

    Inanspruchnahme eines Anwalts muß erforderlich gewesen sein

    Bei der Selbstvertretung des Anwalts müssen die allgemeinen Voraussetzungen für eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten erfüllt sein, weil der Rechtsanwalt dabei dieselbe für einen Anwalt berufstypische Leistung erbringt, die er üblicherweise für einen geschädigten Dritten gegen Vergütung erbringen würde (dazu OLG Nürnberg-Fürth VersR 72, 795; Klimke/Himmelreich, aaO, Rz 2097 ff.). So besteht ein Erstattungsanspruch nur dann, wenn für die Schadensabwicklung die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe erforderlich war (Palandt/Heinrichs, BGB, aaO, § 249 Rz 21). Das ist der Fall, wenn die ordnungsgemäße und zügige Bearbeitung der Angelegenheit nur unter Einsatz anwaltlicher Kenntnisse und bürotechnischer Hilfsmittel einer Anwaltskanzlei gewährleistet ist.

    Dabei kommt es nicht allein auf die Höhe des Schadens, sondern insbesondere darauf an, ob es sich rein inhaltlich um einen „Bagatellschaden“ handelt oder nicht (LG Düsseldorf VersR 77, 971). Dies ist vom voraussichtlichen Geschehensablauf im Zeitpunkt des Schadensereignisses abhängig. Demgemäß stellt das LG Düsseldorf primär darauf ab, ob im Zeitpunkt des Schadensereignisses aus der Sicht des Geschädigten mit irgendwelchen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art zu rechnen ist. Es gilt:

    • Ist die Schuldfrage eindeutig und werden vom Schädiger keinerlei Einwände erhoben oder sind solche von ihm nicht zu erwarten, fehlt es an der Erforderlichkeit anwaltlicher Hilfe (LG Düsseldorf, aaO; AG Peine ZfS 88, 245).
    • Ebenso ist die Erforderlichkeit in einfach gelagerten Fällen mit klar gelagertem Sachverhalt zu verneinen, weil sich hier keine Auseinandersetzung abzeichnet oder zu erwarten ist (AG Peine, aaO; LG Mannheim, aaO). Eine Ausnahme hiervon wird jedoch anerkannt, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder wenn die Schadensregulierung verzögert würde (BGH BGHZ 127, 348). Im übrigen kommt es auf die fallspezifischen Einzelumstände an.

    Der Anwalt darf auch einen Kollegen beauftragen

    Und noch eines ist zu beachten: Darüber hinaus treffen den Rechtsanwalt keine besonderen Rücksichtspflichten (LG Mannheim, aaO; Klimke, VersR 69, 981). Somit würde der geschädigte Rechtsanwalt grundsätzlich nicht gegen die auch ihm obliegenden Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn er einen Kollegen mit der Schadensabwicklung beauftragt, anstatt sich selbst zu vertreten. Der Anwalt kann deshalb insbesondere dann einen Kollegen einschalten, wenn ihm die Bearbeitung der eigenen Angelegenheit nicht zugemutet werden kann, zum Beispiel bei einer beruflichen Überbelastung, nicht ausreichenden Erfahrungen und/oder fehlenden Fachkenntnissen. Die umgekehrte Frage, ob dem Anwalt die Eigenbearbeitung zumutbar ist, ist daher ganz allgemein dann zu bejahen, wenn auch ein anderer Geschädigter, der nicht Rechtsanwalt ist, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen durfte (AG Peine aaO; LG Mannheim, aaO; Klimke, aaO). Diese Abgrenzung erfolgt nach denselben Kriterien, die auch für die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme gelten (s.o.).

    Fazit: Die zu diesem Bereich ergangenen Urteile stammen alle bereits aus den siebziger Jahren. Seither ist dazu keine Entscheidung mehr – auch keine rechtsschutzversicherungsfreundliche – ergangen. Die Praxis zeigt vielmehr, daß die Rechtsschutzversicherer im Ergebnis die Gebühren – wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – zahlen und es nicht auf einen Rechtsstreit ankommen lassen. Kein Anwalt sollte deshalb darauf verzichten, auf der Erstattung der Gebühren in eigenen außergerichtlichen Angelegenheiten zu bestehen.

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 05/1999, Seite 59

    Quelle: Ausgabe 05 / 1999 | Seite 59 | ID 106179