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  • Beratungsgebühr
    RVG: Beratung in Zivilsachen richtig abrechnen
    von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Düsseldorf
    Die Gebührenregelungen für außergerichtliche Tätigkeiten des Anwalts sind in Teil 2 VV RVG zusammengefasst worden. In den in Abschnitt 1 enthaltenen Gebührenregelungen für die außergerichtliche Beratung (Nr. 2100 bis 2102 VV RVG) ist inhaltlich im Wesentlichen § 20 Abs. 1 BRAGO übernommen worden. Der folgende Beitrag erläutert die Beratungsgebühr Nr. 2100 VV RVG sowie die Erstberatungsgebühr Nr. 2102 VV RVG.
    Erteilung eines Rats oder einer Auskunft
    Nach Anmerkung Abs. 1 zu Nr. 2100 VV RVG besteht die Beratung in der Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rats oder einer mündlichen oder schriftlichen Auskunft. Die Beratung darf nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen.
    Praxishinweis: Rat und Auskunft können auch telefonisch erteilt werden. Durch den Anruf bei einer Anwalts-Hotline kommt ein Beratungsvertrag im Zweifel mit dem den Anruf entgegennehmenden Anwalt zu Stande (BGH NJW 03, 819; BRAGO prof. 03, 17). Die Mitarbeit bei einer Anwalts-Hotline verstößt nicht gegen das Berufs- oder Gebührenrecht.
    Unterschied zwischen Rat und Auskunft
    Die Begriffe "Rat" und "Auskunft" unterscheiden sich wie folgt:
  • Der Anwalt erteilt einen Rat, wenn er dem Auftraggeber empfiehlt, wie er sich in einer konkreten Situation verhalten soll.
    Beispiel 1
    Mandant M hat ein Kfz gekauft, an dem zwei Monate später ein Getriebeschaden aufgetreten ist. Er wendet sich an Rechtsanwalt R und bittet um Auskunft, wie er sich gegenüber dem Händler verhalten soll. R erläutert M, wie M gegen den Händler rechtlich vorgehen kann.
  • Der Anwalt erteilt eine Auskunft, wenn er eine bestimmte Frage allgemeiner Art beantwortet. Die Auskunft erläutert abstrakt die Rechtslage.
    Beispiel 2
    M möchte ein gebrauchtes Kfz kaufen. Er bittet R um Auskunft, welche Rechte ihm gegenüber dem Händler zustehen, wenn an dem Kfz Mängel bestehen sollten. R erläutert die Rechtslage.
    Auftrag muss auf die Beratung gerichtet sein
    Wegen Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 2100 VV RVG entsteht die Beratungsgebühr nur, wenn der Anwalt ausschließlich einen Beratungsauftrag erhalten hat. Die Beratung darf nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen. Es entsteht keine Beratungsgebühr, wenn die Beratung nur Zwischenstation im Rahmen einer weitergehenden Tätigkeit ist, für die der Anwalt eine andere Gebühr erhält.
    Beispiel 3
    M bittet R, außergerichtlich einen Betrag von 5.000 EUR vom Gegner zu fordern. R rät nach Prüfung der Sach- und Rechtslage nur 4.000 EUR geltend zu machen. M stimmt zu. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung:
    Die Beratung von M wird durch die nach einem Wert von 5.000 EUR berechnete Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG abgegolten. Die im Zusammenhang mit einer gebührenrechtlichen Tätigkeit stehende Beratung lässt keine eigenständige Beratungsgebühr entstehen.
    Abgrenzung zwischen Beratung und Vertretung
    Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Beratung und Vertretung ist der Auftrag (BGH NJW 95, 1425). Durch einen Rat oder eine Auskunft gibt der Anwalt punktuell eine Empfehlung, damit der Mandant das Problem selbst lösen kann. Bei der Vertretung übernimmt der Anwalt die Problemlösung (BRAGO prof. 99, 29). Ein Anhaltspunkt für Vertretungstätigkeit ist, wenn der Anwalt auch gegenüber Dritten tätig wird.
    Beispiel 4
    M ist ein Mahnbescheid durch Niederlegung zugestellt worden. Das Zustellungsdatum ist ihm nicht bekannt. Er bittet R um Auskunft, ob er noch Widerspruch einlegen kann. R ruft beim Gericht an, um festzustellen, wann der Mahnbescheid zugestellt worden ist, und erteilt M die erbetene Auskunft. Welche Gebühren sind angefallen?
    Lösung:
    R erhält für seine Tätigkeit eine Beratungsgebühr nach Nr. 2100 VV RVG. Die Nachfrage beim Gericht führt noch nicht dazu, dass Vertretungstätigkeit vorliegt. Die Auskunft des Gerichts ist vielmehr Grundlage für die Beratung und nicht für die Tätigkeit gegenüber Dritten.
    Die Beratungsgebühr ist keine Erfolgsgebühr
    Trotz des auf den ersten Blick entgegenstehenden Wortlauts von Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 2100 VV RVG entsteht die Beratungsgebühr bereits mit der ersten Tätigkeit nach Erteilung des Auftrags, z.B. mit Aufnahme der Information (Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 20 BRAGO, Rn. 9). Daher ist es wegen § 15 Abs. 4 RVG ohne Einfluss, wenn es tatsächlich nicht zur Rat- oder Auskunftserteilung kommt. Die vorzeitige Erledigung der Angelegenheit oder des Beratungsauftrags ist nur im Rahmen der Bemessung der Beratungsgebühr nach § 14 RVG bedeutsam.
    Abgeltungsbereich und Höhe der Beratungsgebühr
    Die Beratungsgebühr gilt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten ab, also die Informationsaufnahme, deren Auswertung, die Beschaffung von Literatur und Auskünften von Dritten u.ä. Der Gebührensatz beträgt 0,1 bis 1,0 und richtet sich nach dem Gegenstandswert. Die Mittelgebühr beträgt 0,55. Der Anwalt bestimmt die Höhe der Gebühr unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nach billigem Ermessen (dazu ausführlich: Onderka RVG prof. 04, 56).
    Praxishinweis: Eine mündliche Beratung rechtfertigt es nicht, die Gebühr innerhalb des Rahmens niedriger zu bemessen. Denn für mündliche und schriftliche Beratungen gilt ein gemeinsamer Gebührenrahmen.
    Die Erstberatung nach Nr. 2102 VV RVG
    § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO ist grundsätzlich in Nr. 2102 VV RVG übernommen worden. Danach entsteht höchstens eine Beratungsgebühr in Höhe von 190 EUR, wenn sich die Anwaltstätigkeit auf ein erstes Beratungsgespräch beschränkt. Nr. 2102 VV RVG ist kein eigenständiger Gebührentatbestand, sondern nur eine Kappungsgrenze für die Beratungsgebühr nach Nr. 2100 VV RVG. Der Anwalt muss daher innerhalb des Satzrahmens nach Nr. 2100 VV RVG die angemessene Gebühr anhand der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG ermitteln. Maximal können aber nur 190 EUR abgerechnet werden. Nr. 2102 VV RVG ist daher nicht so zu verstehen, dass der Anwalt für eine Erstberatung stets 190 EUR erheben kann.
    Der Begriff des Verbrauchers in Nr. 2102 VV RVG
    Im Gegensatz zu § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO gilt die Kappungsgrenze von 190 EUR nur noch, wenn der Auftraggeber Verbraucher ist. Das RVG erläutert den Begriff Verbraucher nicht. Die Gesetzesbegründung nimmt Bezug auf § 13 BGB (BT-Drucksache 15/1971, 206). Danach ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet wird. Damit gilt die Kappungsgrenze für die Erstberatung also nicht, wenn ein Nichtverbraucher (z.B. Unternehmer) den Anwalt mit der Beratung beauftragt. Der Gesetzesbegründung ist aber nicht zu entnehmen, ob der Auftraggeber Verbraucher in Bezug auf die der Beratung zu Grunde liegende rechtliche Angelegenheit oder hinsichtlich des Abschlusses des Anwaltsvertrags über die Beratung sein muss. Da die Erstberatungsgebühr dem Schutz des Verbrauchers dienen soll, spricht viel dafür, darauf abzustellen, ob der Auftraggeber in Bezug auf den Abschluss des Anwaltsvertrags als Verbraucher angesehen werden kann oder nicht (Burhoff/Kindermann, RVG 04, Rn. 111).
    Anwendungsbereich der Kappungsgrenze
    Nach dem Wortlaut von Nr. 2102 VV RVG gilt die Kappungsgrenze nur für ein erstes Beratungsgespräch, also für eine mündliche Beratung. Sie gilt nicht bei schriftlicher Beratung. Der Auftraggeber, der sich an einen Anwalt wendet, soll im Vorhinein wissen, was ihn die erste Beratung kosten wird, und entscheiden, ob er ein weitergehendes Mandat erteilt. Eine umfassende Beratung unterliegt nicht der Kappungsgrenze. Soll der Anwalt Fragen schriftlich beantworten, ist der Bereich der Erstberatungsgebühr verlassen (Burhoff/Kindermann, RVG 04, Rn. 112).
    Praxishinweis: Erkennt der Anwalt, dass eine Beratungsgebühr nach Nr. 2100 VV RVG anfallen kann, muss er nur darauf hinweisen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Aufklärungsbedürfnis besteht und er dies erkennen konnte und musste (KG AnwBl. 02, 304). Der Anwalt sollte aber den Auftraggeber darauf hinweisen, ob und wann der Abgeltungsbereich der Erstberatungsgebühr verlassen wird.
    Dauer der Erstberatung
    Das RVG definiert wie die BRAGO nicht, ab wann statt der Erstberatung eine Beratung i.S. von Nr. 2100 VV RVG vorliegt. Da Nr. 2102 VV RVG inhaltlich weitgehend § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO entspricht, kann zur Klärung die dazu ergangene Rechtsprechung und Gesetzesbegründung herangezogen werden (BT-Drucksache 12/6961, 102). Die Kappungsgrenze gilt nicht mehr, wenn sich nach dem ersten Beratungsgespräch eine weitere Tätigkeit anschließt, mag diese auch mit der Erstberatung im Zusammenhang stehen oder diese fortsetzen. Nach Auffassung des OLG Jena endet der Normbereich der Erstberatungsgebühr, wenn die erste Beratung beendet oder wegen ihres Beratungsgegenstandes unterbrochen ist (AGS 00, 62). Wird die Beratung später fortgesetzt oder sucht der Ratsuchende den Anwalt erneut wegen Zusatzfragen auf, ist der Bereich der Erstberatungsgebühr verlassen. Die Erstberatungsgebühr gilt nicht die gesamte Beratungstätigkeit des Anwalts bis zur Erteilung eines verbindlichen Rechtsrats ab (BRAGO prof. 02, 65; 03, 163).
    Erhöhung der Beratungsgebühr bei mehreren Personen als Auftraggeber
    Bereits für die Ratsgebühr nach § 20 BRAGO war es umstritten, ob die Erhöhung nach § 6 BRAGO entstehen kann (dafür: z.B. AG Potsdam JurBüro 00, 22). Nach Nr. 1008 VV RVG scheidet die Erhöhung der Beratungsgebühr aus, weil es sich bei dieser Gebühr dem Wortlaut nach nicht um eine Verfahrens- oder Geschäftsgebühr handelt. Nr. 1008 VV RVG dürfte jedoch auch für die Beratungsgebühr entsprechend anwendbar sein, weil deren Abgeltungsbereich sich mit dem der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr deckt, Vorbemerkung 2 Abs. 3 und Vorbemerkung 3 Abs. 2. Denn nach Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 2100 VV RVG ist die Beratungsgebühr auf diese Gebühren anzurechen.
    Praxishinweis: Während bei der Beratungsgebühr die Beratung für mehrere Personen als Auftraggeber auch bei der Gebührenbemessung innerhalb des Rahmens des § 14 RVG berücksichtigt werden kann, ist bei der Erstberatungsgebühr bei Erreichen der Kappungsgrenze die Vergütung dieser Mehrarbeit nur durch die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG möglich.
    Beispiel 5
    R berät vier Mandanten im Rahmen der Erstberatung hinsichtlich eines gemeinsamen Anspruchs über 6.100 EUR. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung:
    R kann folgende Gebühren (hier Mittelgebühren) netto verlangen:
    0,55 Beratungsgebühr Nr. 2100 VV RVG, Wert 6.100 EUR:
    206,25 EUR Kappung wegen Nr. 2102 VV RVG auf
    190,00 EUR
    Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG (0,3 x 3 zusätzliche Auftraggeber = 0,9 von 190 EUR)
    171,00 EUR
      361,00 EUR
    R kann daher insgesamt 361 EUR abrechnen.
    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 06/2004, Seite 92
    Quelle: Ausgabe 06 / 2004 | Seite 92 | ID 106632