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  • 01.09.2007 | Aus den Gremien

    54. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

    Die 54. Tagung im März 07 in Berlin ergab wieder interessante Beschlüsse zum Gebührenrecht (zur letzten Konferenz vgl. RVG prof. 07, 53):  

     

    Übersicht: Wichtige Erkenntnisse der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern
    • Deregulierung des anwaltlichen Gebührenrechts: Die Festlegung von Mindesthonoraren in staatlichen oder staatlich genehmigten Gebührenordnungen verstößt nicht gegen europäisches Wettbewerbsrecht, beeinträchtigt aber die Dienstleistungsfreiheit (EuGH AnwBl. 07, 149 mit Anm. Henke). Der Eingriff kann durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sein, wie z.B. der Verbraucherschutz, die Wechselbeziehung der Honorarhöhe und der Qualität der anwaltlichen Dienstleistung sowie die Vermeidung eines Preiswettbewerbs. Eine hohe Anwaltsdichte im Land sei ein Indiz dafür, dass Mindestgebühren dazu beitragen, Qualitätseinbußen durch Preisunterbietung zu verhindern. In Deutschland sind nur die Anwaltsgebühren für das Prozessmandat betroffen, weil es nur hier verboten ist, die gesetzlichen Gebühren zu unterschreiten. Die deutsche Monopolkommission hat die Aufhebung der Mindestgebühren gefordert. Die Anwaltsverbände wollen Gutachten über die Konsequenzen dieser Aufhebung und die Einführung von Erfolgshonoraren einholen.

     

    • Erfolgshonorare: Grundlage der Diskussion ist die Entscheidung des BVerfG vom 12.12.06 (RVG prof. 07, 73, Abruf-Nr. 071041). Es werden Vorschläge erörtert, die intern zwischen BRAK, DAV sowie dem BMJ abgestimmt werden sollen. Ein Vorschlag des DAV ist bereits veröffentlicht (AnwBl. 06, 721, 728 und 739 f.). Die Meinungen zur Freigabe des Erfolgshonorars sind in der Anwaltschaft nicht einheitlich. Tendenz: keine vollständige Freigabe des Erfolgshonorars, sondern nur eine solche unter mehr oder weniger engen Voraussetzungen. Ein Problem wird in der Zulassung des Erfolgshonorars in der Form des „no win, no fee“ gesehen. Allerdings gab es auch Stimmen, die für eine gänzliche Freigabe des Verbots des Erfolgshonorars plädierten mit möglichst wenigen Regelungen.

     

    • Auslegung von § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO: Danach liegt kein Erfolgshonorar i.S. von § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO vor, „wenn nur die Erhöhung von gesetzlichen Gebühren vereinbart wird.“ In der Literatur ist strittig, ob damit nur die Erhöhung von erfolgsbezogenen gesetzlichen Gebühren vereinbart werden kann oder die Erhöhung aller gesetzlichen Gebühren. Dazu soll die Arbeitsgruppe Gebührenrecht der BRAK eine klarstellende Formulierung erarbeiten.

     

    • Zeittakt in Vergütungsvereinbarungen: Eine formularmäßige 15-Minuten-Zeittaktklausel verstößt wegen Benachteiligung des Mandanten gegen § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB; OLG Düsseldorf AGS 06, 530; Nichtzulassungsbeschwerde BGH IX ZR 144/06). Der Mandant müsse die Leistungsbeschreibungen in Stundenabrechnungen überprüfen können. Die Dokumentation des Zeitaufwands als „Aktenstudium“ sei problematisch. Der Zeitaufwand müsse substanziiert und lückenlos erfasst werden. Die dafür erforderliche Arbeitszeit dürfe gegenüber dem Mandanten aber nicht abgerechnet werden. Hinsichtlich des Aufblähens der aufgewandten Zeit gelte das „Mäßigungsgebot“. Falls die Entscheidung rechtskräftig wird, kann sie viele Vergütungsvereinbarungen zu Fall zu bringen. Bei Vereinbarung eines Zeittakts handelt es sich um eine grundsätzlich zulässige Mischung aus Zeit- und Pauschalhonorar. Die Zulässigkeit der Zeittaktklausel hängt mit der Höhe des Stundensatzes zusammen. Die Gebührenreferenten rechtfertigen die Zeittaktklausel damit, dass der Anwalt aus seiner sonstigen Arbeit auch durch kurze Telefonate herausgerissen werde. Zudem gebe das JVEG (z.B. bei § 8 Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 2 S. 2, § 19 Abs. 2 S. 2) selber Zeittakte vor. Gleiches gelte auch für die Abrechnung der Steuerberater im 30-Minuten-Takt, § 13 S. 2 StBGebV). Empfehlung: In kürzeren Zeitabständen abrechnen, da dies auch die Beweislastfrage entschärft.

     

    • Gebührenüberhöhung (§ 352 StGB) bei Abrechnung nach Vergütungsvereinbarungen: § 352 StGB greift grundsätzlich nicht, wenn der Anwalt aufgrund einer Vergütungsvereinbarung abrechnet (BGH RVG prof. 07, 1, Abruf-Nr. 062903). Denn er „erhebt“ keine Vergütung i.S. des § 352 StGB. Dies gilt aber nur, wenn sich aus der anzuwendenden Vergütungsordnung jedenfalls dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch ergibt. Den Anwalt können aber besondere Treuepflichten i.S. des § 266 Abs. 1 StGB treffen, wenn er für seinen geschäftsunfähigen Mandanten an dessen gesetzlichen Vertreter auszahlt, z.B. an die Mutter seines minderjährigen Mandanten. Fazit: Klargestellt ist, dass ein Anwalt sich prinzipiell nicht nach § 352 StGB strafbar macht, wenn seiner Forderung eine Vergütungsvereinbarung zugrunde liegt, auch wenn diese als unangemessen hoch zu bewerten sein mag.

     

    • Rückforderung gezahlter Vergütung wegen Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung: Bei einer gegen einen Anwalt geführten Gebührenrückzahlungsklage hat die beauftragte Rechtsanwaltskammer im Gutachten darauf hingewiesen, dass sie das Urteil des BGH (AGS 05, 378; kritisch Henke, AnwBl. 05, 385; RVG prof. 07, 53) für falsch halte und als Bewertungsgrundlage das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühren bei Strafverteidigern nicht heranziehe. Es müsse eine dem Aufwand angemessene Vergütung vereinbart werden können.

     

    • Preiswerbung mit niedrigen Pauschalpreisen: Das LG Ravensburg hatte eine Kanzlei, die pauschal mit Beratungskosten von 20 EUR in allen Rechtsangelegenheiten geworben hatte, verurteilt (AnwBl. 06, 677 mit Anm. Hamacher). Das OLG Stuttgart hat die Entscheidung aufgehoben (AnwBl. 07, 229 mit Anm. Henke): § 4 Abs. 2 S. 3 RVG sei nach § 34 RVG n.F. ab dem 1.7.06 für eine außergerichtliche Beratung nicht mehr anwendbar und gelte damit nur für solche Vergütungsvereinbarungen, durch die im RVG die für außergerichtliche Tätigkeiten vorgesehenen gesetzlichen Gebühren unterschritten werden. Für die außergerichtliche Beratung gibt es aber keine gesetzliche Gebühr mehr. Die Voraussetzung des Unterschreitens einer gesetzlichen Gebühr kann daher nicht vorliegen.

     

    Nach LG Freiburg ist die Werbung für eine Erstberatung in allen Rechtsgebieten für 9,99 EUR unzulässig, sie verstoße gegen § 3 UWG, da sie irreführend sei (AnwBl. 07, 376). Die Beklagtenanwälte hatten darauf hingewiesen, die Anzeige nur als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots aufzufassen und sich im Einzelfall vorbehalten zu haben, das Angebot anzunehmen oder abzulehnen.

     

    • Preiswerbung mit niedrigen Pauschalpreisen für Hilfeleistungen in Steuersachen: Anwälte haben im Bezirk der Steuerberaterkammer Düsseldorf über einen Flyer angeboten, die Erstellung einer Einkommensteuererklärung preiswerter abzurechnen als nach der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV). Nach § 35 RVG gelten §§ 23bis 39 StBGebV i.V. mit §§ 10, 13 StBGebV für Anwälte entsprechend. Sie dürfen aber in außergerichtlichen Angelegenheiten nach § 4 Abs. 2 S. 1 RVG auch niedrigere als die gesetzlichen Gebühren vereinbaren. Diese Regelung wird nicht durch die StBGebV verdrängt. Im StBerG gibt es keine dem § 49b Abs. 1 BRAO entsprechende Regelung, wonach die gesetzlichen Gebühren unterschritten werden dürfen, wenn dies im Gebührengesetz oder in der Berufsordnung vorgesehen ist. Nach Ansicht der Gebührenreferenten muss die Rechtsanwaltskammer in solchen Fällen ein kostenloses Gebührengutachten nach § 14 Abs. 2 RVG erstellen.

     

    • „Üblichkeit“ bei der Beratungsvergütung, § 34 RVG: Nicht einheitlich waren die Meinungen zur Frage, ob eine Umfrage zur Höhe der üblichen Vergütung bei Beratungsmandaten durchgeführt werden sollte. Zwar sprachen sich einige Kammervertreter und auch die BRAK-Vertreterin dafür aus. Andere warnten aber davor, eine Umfrage durchzuführen. Grund: Es könne für die Anwaltschaft wirtschaftlich ungünstig sein, wenn sich durch solche Umfragen bestimmte Beträge herauskristallisierten und dadurch Bindungswirkungen entfalten, die nicht i.S. der Anwaltschaft sein müssten. Betont wurde, dass auf jeden Fall die unterschiedliche Ortsüblichkeit zu berücksichtigen sei. Auch sei der Zeitraum seit dem 1.7.06 für gesicherte Erkenntnisse noch zu kurz. Das Soldan-Institut für Anwaltsmanagement plant die Erstellung eines Vergütungsbarometers für die einzelnen Kammerbezirke.

     

    • Vergütungsvereinbarungen mit Beratungshilfemandanten: Nach § 8 BerHG darf keine Vergütungsvereinbarung zwischen Anwalt und Mandant mehr geschlossen werden, wenn der Mandant einen Beratungsschein vorweist. Die Gebührenreferenten beschlossen als gemeinsame Auffassung: Einer Vergütungsvereinbarung steht aber nichts entgegen, wenn der Mandant in Kenntnis seiner Beratungshilfeberechtigung auf die Beratungshilfe verzichtet.

     

    • Beratungsgebühr als Verzugsschaden? Umstritten ist die Frage, ob eine nach Verzugseintritt der Gegenseite entstandene Beratungsgebühr, die in der Vergütungsvereinbarung als nicht anrechenbar verabredet wurde, als Verzugsschaden bewertet werden kann. Es kommt wohl auf den jeweiligen Einzelfall an, ob ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB vorliegt, wenn die Anrechenbarkeit ausgeschlossen wird.

     

    • Festsetzungsfähigkeit der Geschäftsgebühr: Fraglich ist, ob die Geschäftsgebühr erstattungsfähig und festsetzbar ist, die durch Beauftragung für obligatorische Güteverfahren nach § 15a EGZPO entstanden ist. Zu den Kosten des Rechtsstreits gehören gemäß § 15a Abs. 4 EGZPO auch die Kosten der Gütestelle beim obligatorischen Güteverfahren. Die Literatur bejaht die Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren. Die Rechtsprechung bezweifelt teilweise die Notwendigkeit dieser Rechtsverfolgungskosten. Dies erfolge mit dem Hinweis auf die Pflicht zur Kostenminimierung, was z.B. durch Einreichung eines Mahnbescheids erreicht werden könne. § 15a Abs. 4 EGZPO verleitet viele Anwälte dazu, die Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 VV RVG erst im Kostenfestsetzungsverfahren anzumelden. Eine Geschäftsgebühr wird dort auf der Grundlage des geltenden Rechts einhellig abgelehnt. Überlegt wurde, eine Anregung an den Gesetzgeber zu geben, die Geschäftsgebühr bei obligatorischen Schlichtungsverfahren als Vorbereitungskosten im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen.

     

    • Anwaltsgebühren bei gerichtsinterner Mediation: Nach OLG Braunschweig fällt durch die Teilnahme des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten an der gerichtsnahen Mediation keine zusätzliche Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 VV RVG an (RVGreport 07, 273; so auch OLG Rostock AGS 07, 124). Die Entscheidung bezog sich aber auf den Anfall einer zweiten Terminsgebühr durch die Teilnahme am Mediationsverfahren, nicht auf den Anfall der Geschäftsgebühr. Die Gebührenreferenten halten die Entscheidung für falsch. In den verschiedenen Kammerbezirken wird die Finanzierung der gerichtsnahen Mediation durch Anwaltsmediatoren aus Mitteln der Anwaltskammer oder des örtlichen Anwaltvereins sichergestellt.

     

    • Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern: Diskutiert wird die von Rechtsschutzversicherern (RSV) vertretene Ansicht, dass bei mehreren Auftraggebern nur ein Mal ein Mehrvertretungszuschlag entweder bei der Geschäfts- oder bei der Verfahrensgebühr, nicht aber bei beiden Gebührenarten anzusetzen ist (so auch AG Düsseldorf [AGS 06, 593 mit Anm. Schons]). Nach der Literatur ist ein Mehrvertretungszuschlag sowohl auf die Geschäfts- als auch auf die anschließende Verfahrensgebühr zu erheben. Nach der amtlichen Begründung des RVG wollte der Gesetzgeber § 6 BRAGO unverändert übernehmen, d.h. wollte den Mehrvertretungszuschlag sowohl auf eine Geschäfts- als auch auf eine nachfolgende Prozessgebühr (heute: Verfahrensgebühr) berechnet wissen. Inzwischen hat das LG Düsseldorf die Entscheidung des AG Düsseldorf aufgehoben (22.6.07 22 S 439/06, n.v.).

     

    • Durchlaufende Posten und Umsatzsteuer: Erörtert wurde, inwieweit vom Anwalt gezahlte Auslagen als umsatzsteuerfreie „durchlaufende Posten“ (§ 10 Abs. 1 UStG) oder als steuerpflichtige Auslage anzusehen sind. Nach Ansicht des BMF und auch nach der USt-Richtlinie 152 kommt es darauf an, wer Kostenschuldner ist. Ist allein der Anwalt Auftraggeber einer gerichtlichen oder behördlichen Dienstleistung, ist er auch Kostenschuldner und die Auslage ist umsatzsteuerpflichtig. Oft gehen Gebührenrechnungen von Gerichten und Behörden direkt an die Adresse des Anwalts. Die Gerichtskasse im Bezirk des LG Freiburg entschärft dies durch Aufnahme des klarstellenden Passus in der Gerichtskostenrechnung „Adressat ist nicht Kostenschuldner“ (zum Thema vgl. AnwBl. 07, 529).

     

    • 55. Tagung: Die nächste Tagung findet in Bremen statt.
     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2007 | Seite 160 | ID 112135