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  • · Fachbeitrag · Subventionsbetrug

    LG Köln konkretisiert den Subventionsbetrug im Kontext von Corona- und Hochwassersoforthilfen

    von OStA Lutz Niemann, Köln

    | Das LG Köln hat sich mit Betrügereien im Kontext mit Coronasoforthilfen, Kurzarbeitergeld und Hochwasserhilfen befasst. Der Beitrag erläutert, wie der Subventionsbetrug (§ 264 StBG) vom Betrug (§ 263 StGB) und Computerbetrug (§ 263a StGB) abzugrenzen ist. |

     

    Sachverhalt

    Nach Ausbruch der Coronapandemie im Frühjahr 20 beantragte die Angeklagte A im Hinblick auf ihre finanziell angestrengte Situation auf ihren Namen, die Namen mehrerer Familienangehöriger sowie unter verschiedenen Firmierungen angeblicher Gewerbebetriebe „Coronahilfen“, in der Folgezeit auch Kurzarbeitergeld sowie nach den Starkregenereignissen im Juli 21 „Hochwasserhilfen“. Diese wurden aufgrund der von ihr wissentlich falsch gemachten Angaben in vielen Fällen auch bewilligt und ausgezahlt. Das LG verurteilte die A wegen Subventionsbetrugs in 51 Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und Betrugs in 61 Fällen, davon in 18 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und ordnete die Einziehung des Wertes von Taterträgen an.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Coronahilfen sind Subventionen i. S. d. § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB (LG Köln 11.1.23, 106 KLs 6/22 (rkr.), Abruf-Nr. 240452; vgl. BGH NJW 21, 2055). Es handelt sich bei allen hier zugrunde liegenden Coronahilfen (Sofort-, Überbrückungs-, November-, Dezember- und Neustarthilfen) jeweils um Hilfsmaßnahmen, die in allen Fällen den wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Liquiditätsengpässen aufgrund der Coronapandemie entgegen treten sollten.

     

    Die A hat angegeben, dass in allen Fällen ein Gewerbebetrieb hinter dem (vermeintlichen) Antragsteller stehe, sodass es sich bei den Leistungsempfängern jeweils um Betriebe oder Unternehmen handelte. Dabei ist es unerheblich, dass diese Unternehmen fingiert waren und tatsächlich nicht existiert haben (BGH NJW 03, 2179; Fischer, StGB 70. Aufl., § 264 Rn. 11 m. w. N.).

     

    Sie hat zudem über subventionserhebliche Tatsachen getäuscht und die Kenntnis darüber, dass es strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann, im Rahmen der Anträge sogar ausdrücklich erklärt. Insbesondere ist die Strafbarkeit bereits gegeben, sobald der Antrag bei der Behörde, die die Subventionen auszahlt, gestellt wird (MüKo/Ceffinato, StGB, 4. Aufl., § 264 Rn. 79). Eine irrtumsbedingte Täuschung ‒ wie beim Tatbestand des § 263 StGB ‒ ist beim Subventionsbetrug, der ein abstraktes Gefährdungsdelikt darstellt, nicht erforderlich. Daher ist auch in den Fällen, in denen die A die Anträge ‒ teilweise auf Anregung der Behörde ‒ geändert oder zurückgenommen hat oder die Behörde es abgelehnt hat, die Subventionen auszuzahlen, eine vollendete Strafbarkeit gegeben.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es reicht, die Hilfen zu beantragen, damit die Tat vollendet ist. Auch in den Fällen, in denen eine Hilfe (teilweise) automatisiert ausgezahlt wird, ist der Täter nach § 264 StGB und nicht nach § 263a StGB strafbar. Es ist unerheblich, ob die Anträge auf Subventionen von einem Menschen oder in einem automatisierten Verfahren bearbeitet werden (MüKo/Ceffinato, a. a. O., § 264 Rn. 79). Die §§ 263, 263a StGB werden im Wege der Spezialität von dem jeweils vollendeten Subventionsbetrug gem. § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB verdrängt. Das lex-specialis-Verhältnis zu § 263 StGB bleibt, auch wenn der Täter den gesamten subventionserheblichen Sachverhalt nur vortäuscht (Fischer, a. a. O., § 264 Rn. 54a). Im Rahmen seines Anwendungsbereichs stellt § 264 StGB eine abschließende Sonderregelung dar (BGH 23.4.20, 1 StR 559/19), und zwar auch, wenn im Einzelfall Vermögen geschädigt wird (Erlangen der Subvention), da diese mit abgegolten wird, wenn nach § 264 StGB bestraft wird (Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl., § 264 Rn. 87 m. w. N.).

     

    Hinsichtlich der Anträge auf Kurzarbeitergeld liegt ein Betrug nach § 263 StGB vor. Empfänger des Kurzarbeitergelds sind die einzelnen Arbeitnehmer. Aus Vereinfachungsgründen beantragt der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld. Die Arbeitgeber müssen als Subventionsvermittler die Hilfen ausschließlich für den zu zahlenden Lohn an die Arbeitnehmer verwenden. Diese Konstellation ist vom Wortlaut des § 264 StGB, der in Abs. 8 Nr. 1 b) StGB als Zweck vorsieht, die Wirtschaft zu fördern, nicht vorgesehen. Es handelt sich eher um eine Konstellation der Sozialsubvention, die § 264 StGB nach h. M. nicht erfasst (Gaede/Lexdecker, NJW 09, 3542, 3546). Die A hat i. S. d. § 263 StGB über das Bestehen eines Unternehmens, die angeblichen Arbeitsverhältnisse sowie die Entlohnung der Arbeitnehmer in ihren Anzeigen und Anträgen an die Bundesagentur für Arbeit getäuscht. Irrtumsbedingt zahlten die Sachbearbeiter das Kurzarbeitergeld an sie aus.

     

    Zudem ist der Tatbestand des Betrugs auch in den Fällen erfüllt, in denen die A für vermeintliche Privatpersonen Anträge auf Hochwasserhilfe stellte. Da der Tatbestand des § 264 StGB lediglich vorsieht, Subventionen an Betriebe und Unternehmen zu gewähren, sind diese Anträge nicht vom Tatbestand erfasst und fallen daher unter den Tatbestand des § 263 StGB.

     

    MERKE | Durch die pandemiebedingten Wirtschaftshilfen sind seit 2020 zahlreiche BGH-Entscheidungen zum Subventionsbetrug ergangen (vgl. nur BGHSt 66, 115-119 = wistra 21, 322 ff. u. a. zum „unbenannten“ besonders schweren Fall i. S. d. § 264 Abs. 2 StGB; BGH wistra 24, 121 ff. zur Scheinhandlung sowie Entscheidungen von Instanzgerichten (KG Berlin wistra 21, 495; LG Hamburg 1.6.23, 618 KLs 2/22, juris; LG Hamburg NJW 21, 707; LG Nürnberg-Fürth StV 22, 400; AG Dortmund, StV 22, 30 f.; OLG Koblenz 18.10.23, 5 ORs 4 Ss 163/23, juris; zur Strafbarkeit eines Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe im Rahmen der unberechtigten Beantragung von „Überbrückungshilfen“ LG Hildesheim 15.6.23, 22 KLs 22 Js 1900/22, juris; zur Subventionserheblichkeit der Angabe des „prüfenden Dritten“ LG Nürnberg-Fürth 7.12.22, 12 KLs 501 Js 2401/22, juris). Hinzu kommen Entscheidungen zu verfahrensrechtlichen Einzelfragen (etwa LG Aachen wistra 21, 126; LG Koblenz wistra 21, 414 ff. zur ‒ dort jeweils bejahten ‒ Offenbarungsbefugnis gem. § 30 AO; LG Saarbrücken wistra 21, 411 zur molekulargenetischen Untersuchung gem. § 81g StPO).

     

    Die Besonderheit hier ist, dass die A neben pandemiebedingten Subventionen im engeren Sinne auch Kurzarbeitergeld und „Hochwasserhilfen“ missbräuchlich bezog. Die Kammer musste sich daher mit einer großen Bandbreite an Fragen der rechtlichen Einordnung beschäftigen. Die Einordnung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld ist insbesondere in der jüngeren Literatur umstritten. Ein großer Teil der Autoren sieht den Subventionsbegriff i. S. d. § 264 StGB als erfüllt an (BeckOK StGB/Momsen/Laudien, 55. Ed. 1.11.22, StGB § 264 Rn. 19; Giese/Schomburg NStZ 20, 327 [329 f.]); die Gegenauffassung (Gaede/Leydecker, NJW 09, 3542 [3545 f.] und Gierok/Köllmann WiJ 2020, 54 [62]) lehnt dies ab. Das LG Köln schließt sich mit ebenso knapper wie überzeugender Begründung der letztgenannten Ansicht an, wobei insbesondere das Argument der Weiterleitung der Mittel an den Arbeitnehmer sehr deutlich gegen eine Subsumtion unter § 264 StGB spricht.

     

    Auch die Entscheidung des LG zur Hochwasserhilfe berührt letztlich Grundfragen des Subventionsbegriffs. Das Land NRW hatte nach der Unwetterkatastrophe vom 14./15. Juli 21 zwei sehr ähnlich formulierte „Richtlinien über die Gewährung von Billigkeitsleistungen“ erlassen, die einerseits Schäden von Privatpersonen, andererseits Schäden von Gewerbetreibenden und Unternehmen durch unbürokratisch zu erlangende „Soforthilfen“ mildern sollten. Soweit das LG für die Privatpersonen gewährte Billigkeitsleistung §  263 StGB und für die Betrieben gewährte Billigkeitsleistung demgegenüber § 264 StGB als maßgebende Strafnorm ansieht, orientiert sich die Kammer konsequent am Erfordernis der Gewährung an Betriebe oder Unternehmen, um die Wirtschaft zu fördern.

     

    Subvention i. S. d. § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB ist jede Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens z. T. ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und dazu dienen soll, die Wirtschaft zu fördern. Zwar ist der Begriff des „Betriebs“ weit auszulegen und umfasst nicht nur den Bereich der Wirtschaft, sondern z. B. auch Arzt- und Anwaltspraxen, Forschungseinrichtungen, Krankenhäuser, Fördervereine usw. (Schönke/Schröder/Perron, a. a. O., § 264 Rn. 22). Im Zuge der „Coronapandemie“ war auch ein erklärtes Ziel der Maßnahmen, „Solo-Selbstständige“ zu fördern. Erfolgt die Förderung indes an Personen in deren rein privater Sphäre, scheitert die Anwendung von § 264 StGB bereits an diesem Punkt, ohne dass es der ‒ im Einzelfall schwierigen ‒ Diskussion des wenigstens teilweise wirtschaftsfördernden Zweckes bedarf (hierzu Schönke/Schröder/Perron, a. a. O., Rn. 13 ff.).

     

    Übersicht / Abgrenzung §§ 263, 263a, 264 StGB

    • In Fällen, in denen Corona-Subventionen (teilweise) automatisiert und ohne die besondere Prüfung oder Freigabe durch einen Sachbearbeiter ausgezahlt werden, liegt eine Strafbarkeit nach § 264 StGB und keine nach § 263a StGB vor.
    • Wird missbräuchlich Kurzarbeitergeld erlangt, unterfällt dies § 263 StGB und nicht § 264 StGB.
    • Wird missbräuchlich eine „Hochwasserhilfe“ erlangt, unterfällt dies bei Privatpersonen § 263 StGB, bei Gewerbetreibenden und Betrieben § 264 StGB.
     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 131 | ID 49432934

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