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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Keine tatsächliche Verständigung über Hinterziehungszinsen möglich

    von StB Dipl.-Fw. (FH) Michael Valder, Ginster Theis Klein & Partner mbB

    | Mit Urteil vom 12.4.18 hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass wegen einer Steuerhinterziehung festzusetzende Hinterziehungszinsen nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung sein können. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger K hatte in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen, deren Höhe nicht mehr zweifelsfrei aufklärbar war. Der Kläger und das FA einigten sich daher in einer tatsächlichen Verständigung, dass der Gewinn um 105.000 EUR pro Jahr zu erhöhen sei. Die entsprechenden Änderungsbescheide wurden bestandskräftig.

     

    Das FA setzte daraufhin Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) von insgesamt 9.782 EUR fest. Hiergegen legte K Einspruch ein, weil nach seiner Auffassung im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vor Abschluss der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden sei, der auch die Hinterziehungszinsen beinhalten sollte. Einen absoluten Nachzahlungsbetrag beinhaltete die unterzeichnete Verständigung jedoch ebenso wenig wie eine Vereinbarung, dass damit auch alle steuerlichen Nebenleistungen abgegolten seien.

     

    Den Einspruch gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen wies das FA zurück. Hiergegen ist eine Klage in einem weiteren Verfahren beim FG anhängig. Gegen die Ablehnung eines darüber hinaus gestellten Erlassantrags der Hinterziehungszinsen richtet sich die vorliegende Klage.

     

    Entscheidungsgründe

    Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den K nicht in seinen Rechten; das FA hat zu Recht Hinterziehungszinsen festgesetzt (FG Rheinland-Pfalz 12.4.18, 6 K 2254/17, Abruf-Nr. 201642). Unstreitig ist vorliegend die rechnerische Ermittlung der Hinterziehungszinsen. Die Beteiligten streiten allein darüber, ob das FA befugt war, Hinterziehungszinsen festzusetzen.

     

    Nach § 204 AO soll das FA im Anschluss an eine Außenprüfung dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird. Eine solche Zusage kann im Zusammenhang mit der Besteuerung eines später verwirklichten Sachverhalts nach § 206 AO Bindungswirkung entfalten. Sie erfordert aber nach § 205 AO eine als verbindlich gekennzeichnete schriftliche Erklärung sowie eine Angabe dazu, für welche zukünftigen Zeiträume die Zusage gelten soll (BFH 30.4.09, V R 3/08, BFH/NV 09, 1734; BFH 20.10.16, VI R 27/15, PStR 17, 27).

     

    Diese Merkmale erfüllt die vorliegende tatsächliche Verständigung erkennbar nicht, weshalb sich K nicht unmittelbar auf § 206 AO berufen kann. Zusagen nach § 204 AO können nur für die künftige Behandlung eines steuerlichen Sachverhalts erteilt werden; wie ein in der Vergangenheit verwirklichter Sachverhalt zu beurteilen ist, kann nicht Gegenstand einer Zusage sein (Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 204 Rn. 11 m.w.N.).

     

    Unabhängig davon enthält die schriftliche tatsächliche Verständigung keine Vereinbarung in Bezug auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Nach dem klaren Wortlaut des § 205 Abs. 1 AO erlangen mündliche Nebenabreden insoweit keine Bindungswirkung. Zwar hatte der K Beweisanträge dahingehend gestellt, es sei ein „Gesamtbetrag“ mitvereinbart worden, der auch Hinterziehungszinsen eingeschlossen habe. Der Senat hatte diesen Beweisanträgen aber nicht nachzugehen; die vorliegende schriftliche Vereinbarung stützt den vorgenannten Klägervortrag nicht einmal ansatzweise. Dabei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere das Vorhandensein einer schriftlichen Fixierung den für die Annahme einer tatsächlichen Verständigung erforderlichen Rechtsbindungswillen unmissverständlich zum Ausdruck bringt (Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 162 Rn. 32a).

     

    Fehlende Schriftlichkeit ist daher ein Indiz für mangelnden Rechtsbindungswillen, spricht also gegen das Vorliegen einer tatsächlichen Verständigung (BFH 16.2.06, X B 176/05, BFH/NV 06, 1052). Dies gilt erst recht für den Fall, dass eine tatsächliche Verständigung in Schriftform vorliegt, der Steuerpflichtige aber wie hier das Vorliegen einer mündlichen Nebenabrede geltend macht. Allerdings beinhalten die vorgenannten Erwägungen „lediglich Indizien“ (BFH 16.2.06, a.a.O.) mit der Folge, dass eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung notwendig wäre. Das FG als Tatsacheninstanz kann jedoch auf die beantragte Beweiserhebung verzichten, soweit es auf das Beweismittel nicht ankommt (BFH 16.12.16, X B 41/16, BFH/NV 17, 310). Dies ist vorliegend gegeben, da Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung ‒ sei es in Schriftform oder mündlich ‒ nicht der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann.

     

    Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist bei einer Steuerhinterziehung nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt; nach dem eindeutigen Wortlaut des § 235 Abs. 1 S. 1 AO „sind“ hinterzogene Steuern zu verzinsen (FG Nürnberg 25.6.14, 3 K 153/13, PStR 15, 27). Eine gleichwohl getroffene Vereinbarung ‒ bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu verzichten ‒ ist daher unwirksam.

     

    Relevanz für die Praxis

    Bei der Verhandlung einer tatsächlichen Verständigung sollte der steuerliche Berater im Rahmen der Gesamtbetrachtung der hieraus resultierenden Nachzahlungsbeträge berücksichtigen, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung zwingend Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Valder, Kassenmanipulation: Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung, PStR 17, 79
    • Külz/Valder, Festsetzung von Hinterziehungszinsen war bereits verjährt, PStR 16, 53
    • Valder/Meyer, Hinterziehungszinsen dürfen nicht übereilt festgesetzt werden, PStR 15, 331
    Quelle: Ausgabe 07 / 2018 | Seite 164 | ID 45342130

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