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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Keine Steuerhinterziehung allein durch Nichtstun gegenüber dem Insolvenzverwalter

    | Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist, und nicht derjenige, der nur „bewirkt, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden“ ‒ so der BGH mit Beschluss vom 10.8.17. |

     

    Sachverhalt

    Das LG hat den Angeklagten R wegen Betrugs, Steuerhinterziehung, beharrlicher Zuwiderhandlung gegen eine Gewerbeuntersagung und wegen vorsätzlich falscher Versicherung an Eides statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

     

    Vor Abschluss der jeweiligen Veranlagungsarbeiten für die Einkommen- und Gewerbesteuer 2012 wurde R am 24.10.13 die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben. Bereits am 11.6.12 war gegen ihn das „Privatinsolvenzverfahren“ eröffnet worden.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Revision des R war teilweise erfolgreich. Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung hatte keinen Bestand, obgleich keine Steuererklärung abgegeben worden war (BGH 10.8.17, 1 StR 573/16, Abruf-Nr. 196589).

     

    Die Strafkammer des LG hat ihrer Würdigung zugrunde gelegt, dass R mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar nicht mehr selber Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen hätte abgeben können. Er sei aber verpflichtet gewesen, den Insolvenzverwalter bei der Abgabe zu unterstützen. Gegen diese Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht habe er verstoßen, weswegen die Steuererklärungen unterblieben seien. Das sei ihm ‒ auch strafrechtlich ‒ zuzurechnen.

     

    Die Ansicht des LG, der Verstoß gegen eine insolvenzrechtlich begründete Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht erfülle ohne Weiteres den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, geht nach Ansicht des BGH fehl. Tatbestandsmäßig sei nur ein pflichtwidriges Unterlassen gegenüber den Finanzbehörden. Nach ständiger Rechtsprechung kann Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (BGH 9.4.13, 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218), und nicht derjenige, der nur „bewirkt, dass die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden“.

     

    Relevanz für die Praxis

    Lesenswert sind neben den steuerstrafrechtlichen Hinweisen auch die Anmerkungen zum Betrug: Nach Ansicht des BGH bieten die Urteilsfeststellungen vorliegend keine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Vermögensschadens i.S. von § 263 StGB.

     

    Ein solcher liegt vor, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwertes seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswertes unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGH 14.4.11, 2 StR 616/10, NStZ 11, 638, 639).

     

    Ob und in welchem Umfang die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Gläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht nur, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht und auch Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind. Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach insoweit kein Schaden, wenn und soweit der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und ‒ ohne dass der Schuldner dies vereiteln könnte ‒ mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind. Ein Minderwert des Rückzahlungsanspruchs, etwa infolge einer Täuschung über die Bonität, kann mithin durch den Wert hinreichend werthaltiger und liquider Sicherheiten kompensiert werden.(CW)

    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 271 | ID 44923747

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