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  • · Fachbeitrag · Selbstanzeigenberatung

    „Entrichten“ i.S. des § 371 Abs. 3 AO

    von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Krause & Kollegen, Berlin

    Zahlt der Steuerschuldner die hinterzogene Steuer innerhalb der von der Finanzverwaltung festgesetzten Frist, hat er die Steuer auch dann gemäß § 371 Abs. 3 AO „entrichtet“, wenn er zugleich Einspruch gegen den Festsetzungsbescheid einlegt, darin aber nicht den Steueranspruch dem Grunde nach bestreitet, sondern lediglich dessen Durchsetzbarkeit im Hinblick auf § 169 Abs. 2 S. 2 AO mit der Begründung in Abrede stellt, bei Tatbegehung krankheitsbedingt schuldunfähig gewesen zu sein (LG Heidelberg 16.11.12, 1 Qs 62/12, Abruf-Nr. 130108).

    Sachverhalt

    Der Angeklagte hatte in 2010 Selbstanzeige erstattet und die rückständigen Steuern sowie die zusätzlich festgesetzten Zinsen in vollem Umfang bezahlt. Er hatte allerdings - schon vor Zahlung der Nachsteuern - Einspruch gegen die neu festgesetzte ESt eingelegt. Er war der Auffassung, dass die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO in seinem Fall nicht zur Anwendung komme, obwohl er tatsächlich Steuern hinterzogen habe. Er leide seit vielen Jahren an einer psychiatrischen Erkrankung, derentwegen er schuldunfähig gewesen sei. Ein entsprechendes Attest des behandelnden Psychiaters lag vor.

     

    Das AG vertrat die Auffassung, mit der Selbstanzeige und der Zahlung der festgesetzten ESt habe der Angeklagte die hinterzogene Steuer i.S. von § 371 Abs. 3 AO „entrichtet“ und damit die Voraussetzungen für den Strafaufhebungsgrund erfüllt. Demgegenüber ist die StA der Ansicht, nur in einer vorbehaltlosen Zahlung der Steuer könne ein „Entrichten“ erblickt werden. Eine solche vorbehaltlose Zahlung liege hier nicht vor, weil der Angeklagte gegen den Steuerbescheid Einspruch eingelegt habe.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Beschwerde der StA blieb im Ergebnis erfolglos, wenngleich die Kammer im Ansatz deren Auffassung teilte. Der Strafaufhebungsgrund des § 371 AO könne nur dem Steuerpflichtigen zugutekommen, der den steuerrelevanten Sachverhalt der Finanzbehörde mitteilt, bevor dieser bekannt wurde, und sodann binnen einer bestimmten Frist die Steuer entrichtet. Zutreffend weise das AG darauf hin, das Gesetz regele den Begriff des „Entrichtens“ nicht näher. Daraus lasse sich allerdings nicht ohne Weiteres ableiten, jedwede Zahlung an die Finanzverwaltung sei bereits eo ipso geeignet, die von § 371 Abs. 3 AO normierte Folge auszulösen. Hinzukommen muss nach Ansicht des LG vielmehr der Wille des Steuerschuldners, die Forderung zu tilgen. Nur dann erlösche nach § 47 AO der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis.

     

    Bei der Prüfung, ob ein derartiger Wille vorliegt, könne auf die Regelungen der §§ 362 ff. BGB zurückgegriffen werden. Ob ein bei der Zahlung erklärter Vorbehalt den Anspruch erlöschen lässt, sei nicht unumstritten. Während in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, bei einem Vorbehalt bleibe der Anspruch bestehen (Klein/Ratschow, AO, § 371 Rn. 4 und § 224 Rn. 3; Pahlke/Koenig, AO, § 224 Rn. 6), sei nach der höchstrichterlichen Finanzgerichtsrechtsprechung ein Zahlungs- oder Rückforderungsvorbehalt der AO fremd und daher ungeeignet, ein Erlöschen nach § 47 AO zu verhindern (BFH 14.8.87, III B 4/87, NV 88, 105). Erklärt der Steuerschuldner, nur unter Vorbehalt zu zahlen, sei seine Erklärung auszulegen.

     

    Die Auffassung der StA, mit seinem Einspruch gegen den Steuerbescheid habe der Angeklagte einen Vorbehalt gegen die Zahlung erhoben oder seine Selbstanzeige rückgängig gemacht, teilt die Kammer nicht. § 371 AO beruhe auf fiskalischen Erwägungen; er gewähre Straffreiheit nicht als Belohnung für bessere Einsichten, sondern als Anreiz zur Aufdeckung bisher verschlossener Steuerquellen. Daraus folge - und insoweit tritt die Kammer der StA bei -, dass Straffreiheit jedenfalls demjenigen nicht zuteil werden kann, der zwar eine Selbstanzeige erstattet und damit eine Nachprüfung ermöglicht, zugleich aber den Steueranspruch bereits dem Grunde nach in Zweifel zieht oder gar bestreitet und dadurch die weiteren Ermittlungen der Finanzbehörde mindestens erschwert, wenn nicht vereitelt. So verhalte es sich hier aber nicht, vielmehr war der Angeklagte im Streitfall schuldunfähig.

     

    Praxishinweis

    Es bleibt abzuwarten, ob der Gedanke der „Erschwerung“ auch in den Fällen greifen soll, in denen der Betroffene - großzügig und sicher - schätzt, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht zu riskieren, anschließend aber im Besteuerungsverfahren die Summe „kleinrechnen“ will und hierdurch die Behörde zu Ermittlungen zwingt.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 34 | ID 37049220

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