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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverfahren

    Vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge im Inland bei Restschuldbefreiung im EU-Ausland

    von RA Sascha Lübbersmann, FAStrR, RAe Ammermann Knoche Boesing, Münster

    Ob bei einem nicht im Inland durchgeführten Insolvenzverfahren vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, bestimmt sich nach dem Recht, der Rechtspraxis und der Rechtsprechung im Ausland (BGH 14.1.14, II ZR 192/13, Abruf-Nr. 140763).

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte erlangte 12 Monate nach Insolvenzeröffnung in England die persönliche Restschuldbefreiung. Die Klägerin K hatte in diesem Insolvenzverfahren ihren behaupteten Schadenersatzanspruch wegen deliktischen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266a Abs. 1 StGB als „claim in tort“ nach sec. 281 (3) des englischen Insolvency Act 1986 (IA 1986) angemeldet und ist deshalb der Auffassung, diese Forderung werde von der erteilten Restschuldbefreiung in England nicht erfasst.

     

    Das Berufungsgericht hatte bei dem Foreign & Commonwealth Office um Auskunft ersucht, ob Ansprüche aus vorsätzlich vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen der Vorschrift in sec. 281 (3) IA 1986 unterfallen. Es erhielt folgende Antwort: „Hat der Konkursschuldner Sozialversicherungsbeiträge unterschlagen, so kann das unter sec. 281 (3) IA fallen. In betrügerischer Absicht nicht gezahlte Sozialversicherung kann unter sec. 281 (3) IA fallen, das hängt jedoch von den Umständen ab. Die betrügerische Absicht muss nachgewiesen werden.“

     

    Daraufhin wies das Berufungsgericht die Zahlungsklage ab, da Forderungen aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266a Abs. 1 StGB nur bei zusätzlich betrügerischer Absicht oder einer untreueähnlichen Handlungen nach sec. 281 (3) IA 1986 von der Restschuldbefreiung ausgenommen seien. Die Revision des K hatte Erfolg. Das Urteil wurde aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH stellte zunächst klar, dass ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nicht durchsetzbar ist, wenn die Forderung von der zugunsten des Beklagten in England eingetretenen Restschuldbefreiung erfasst wird, was nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 S. 2k EuInsVO unter Anwendung englischen Rechts zu klären ist. Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht aber seine diesbezügliche Amtsermittlungspflicht aus § 293 ZPO verletzt, da es sich keine ausreichende Informationen verschafft habe, um dieses Recht auslegen und anwenden zu können. Hierzu müsse das ausländische Recht als Ganzes ermittelt werden, auch wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Mit der knappen Antwort durch das Foreign & Commonwealth Office hätte sich das Berufungsgericht daher nicht zufrieden geben dürfen. Insbesondere hätte der weitergehenden Aufklärung bedurft, ob nach englischen Rechtsverständnis ein „fraud“ begangen wurde und der Beklagte eine „fraudly intention“ hatte, zudem auch die Voraussetzung des Begriffs „fraudulent breach of trust“ in sec. 281 (3) IA 1986, und, von welchen Umständen („circumstances“) die Anwendbarkeit dieser Norm im Übrigen abhängt.

     

    Für das weitere Verfahren wies der BGH darauf hin, dass das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs. 1 StGB kein untreueähnliches Verhalten voraussetze, aber wegen der Möglichkeit des Lohnabzugs besonders verwerflich sei. Zudem sei auch zu prüfen, ob eine etwaige Restschuldbefreiung nach sec. 281 (3) IA 1986 wegen Verstoßes gegen den deutschen Ordre public nach Art. 26 EuInsVO unwirksam sei.

     

    Praxishinweis

    Von vielen Inlandsschuldnern wird ein EU-weit anzuerkennendes Insolvenzverfahren im Ausland mit Blick darauf, dass dort die Restschuldbefreiung weitaus schneller zu erlangen ist, dem deutschen Insolvenzverfahren vorgezogen. Ob und unter welchen Voraussetzungen nun aber Forderungen wie jene aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266a Abs. 1 StGB, die in Deutschland nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, auch in diesen Fällen nicht mehr durchgesetzt werden können, muss neu und ausschließlich nach Maßgabe der ausländischen Ausnahmetatbestände geklärt werden.

     

    Diese Klärung erlangt ab dem 1.7.14 auch für Fälle der Steuerhinterziehung besondere Bedeutung. Denn der Gesetzgeber hat bereits eine Neufassung des § 302 Nr. 1 InsO beschlossen, derzufolge ab diesem Stichtag auch Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen werden, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen Steuerstraftaten nach §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist (Heinisch, PStR 13, 169; zur derzeit noch geltenden Rechtslage: BFH 19.8.08, VII R 6/07, PStR 08, 273).

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 114 | ID 42635003

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