Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Innergemeinschaftliche Lieferungen

    Annahme einer Scheinfirma nur bei detaillierten Feststellungen

    von RA Dr. Daniel Kaiser, FA StR, KMLZ, München

    Für das Vorliegen einer Scheinfirma sind detaillierte Feststellungen erforderlich, pauschale Behauptungen der Ermittlungsbehörden genügen hierfür nicht (BFH 26.11.14, XI R 37/12, Abruf-Nr. 174317). Steuerpflichtige sollten das Urteil nutzen, um gegen etwaige steuerstrafrechtliche Vorwürfe bereits auf der Ebene des objektiven Tatbestands vorzugehen.

     

    Sachverhalt

    Die in Deutschland ansässige Klägerin K lieferte hochwertige Pkws - Ferraris und Mercedes ML - an die österreichischen Unternehmen A und C sowie an das spanische Unternehmen B. K behandelte die Lieferungen als innergemeinschaftlich steuerfrei und wies in den Rechnungen den Kaufpreis mit „Exportpreis netto“ aus. Beigefügt war den Rechnungen eine „Anlage zur Rechnung“, welche den Hinweis „Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung“ enthielt.

     

    Im Rahmen eines gegen A in Österreich geführten Strafverfahrens stellte sich heraus, dass A den PKW entgegen seiner Zusicherung nicht nach Österreich verbracht hatte. Der für B bestimmte PKW wurde durch eine Spedition nach Spanien transportiert, wurde dort jedoch nicht auf B, sondern auf ein anderes spanisches Unternehmen zugelassen. Den von C erworbenen PKW verbrachte K selbst nach Österreich. Ein Auskunftsersuchen beim BZSt ergab, dass das Unternehmen des C durch die österreichischen Behörden als Gesellschaft „ohne wirtschaftliche Tätigkeit“ eingestuft wurde. Insbesondere verfüge C nicht über die übliche Infrastruktur, sondern lediglich über eine kleine Halle zur Zwischenlagerung sowie ein Büro in einer Wohnung. Die Finanzverwaltung versagte für alle drei Lieferungen die Steuerfreiheit, das FG gab K dagegen vollumfänglich Recht. Die Revision des FA hatte im Ergebnis lediglich bezüglich der Lieferung an B Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Der BFH gewährte K bezüglich der Lieferung an A die Steuerfreiheit aufgrund der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG. Zunächst bejahte der BFH das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Buch- und Belegnachweises, nur in diesem Fall kommt Vertrauensschutz in Betracht. Die Rechnungen entsprächen im Ergebnis den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG, da die Rechnungen sowie die Anlagen zu den Rechnungen aufgrund ihres engen Bezugs zueinander als einheitliches Dokument und damit in ihrer Gesamtheit als Rechnung einzustufen seien.

     

    Laut BFH war die Annahme des FG, K habe bezüglich der Lieferung an A die für den Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG erforderliche „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ beachtet, nicht zu beanstanden. Das FG hatte seine Würdigung, K habe die mögliche Unrichtigkeit der von A zum Bestimmungsort gemachten Angaben nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass K eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG bezüglich der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des A durchgeführt habe.

     

    Die Lieferung an C stufte der BFH im Ergebnis als nach § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei ein. Der BFH führt aus, es sei für die Annahme der Unternehmereigenschaft eines Erwerbers ausreichend, dass dieser als Zwischenhändler lediglich über eine kleine Zwischenlagerungshalle und ein Büro in einer Wohnung verfüge. Insbesondere führe auch die Nichtdeklaration der innergemeinschaftlichen Erwerbe durch C in Österreich nicht zu der Annahme einer Scheinfirma. Der BFH bestätigte in diesem Zusammenhang erneut, dass die tatsächliche Durchführung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist. Anders als die Finanzbehörden stufte der BFH C damit nicht als Scheinunternehmen ein.

     

    Auch im Beschluss vom 26.9.14 hat sich der BFH in Rn. 36 mit den bezüglich Briefkastenfirmen zu stellenden Anforderungen beschäftigt (BFH 26.9.14, XI S 14/14, BFH/NV 15, 158). Hiernach reiche die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung grundsätzlich nicht aus. Gleichwohl könne nach den Umständen des Einzelfalls auch die Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit postalischer Erreichbarkeit und einer Anschrift, welche die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG erfüllt, genügen. Unter welchen besonderen Umständen die Angabe einer solchen Anschrift mit nur postalischer Erreichbarkeit ausreichend sein könnte, sei höchstrichterlich nur insoweit geklärt, dass es jedenfalls bei einer GmbH, welche in großem Umfang mit Kraftfahrzeugen handelt, nicht ausreiche, wenn sich unter der Anschrift keine eigenen Geschäftsräume, sondern lediglich eine nicht in Anspruch genommene Telefonleitung und eine Briefempfangsstelle befinden.

     

    Zugleich verneinte der BFH einen „Verschleierungsfall“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache R (EuGH 7.12.10, C-285/09, DStR 10, 2572). In der Rechtssache R hatte der EuGH nach Vorlage des BGH entschieden, dass die Täuschung über die Identität des Abnehmers ein Sonderfall sei, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht. Der BGH bejaht bei Verschleierungsfällen im Sinne der Rechtssache R das Vorliegen einer Steuerhinterziehung. Allerdings ist insofern das EuGH-Urteil vom 18.12.14 (C-131/13, Italmoda, DB 15, 38) zu beachten: Hiernach sei das Recht auf eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung bereits dann zu versagen, sofern anhand objektiver Umstände feststehe, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat. Ob und in welcher Form der BFH dieses EuGH-Urteil umsetzt, bleibt abzuwarten.

     

    Die Lieferung an B stufte der BFH im Ergebnis als steuerpflichtig ein. So sei für die Steuerfreiheit die Feststellung der Identität des Abnehmers erforderlich. Diese könne nicht dadurch ersetzt werden, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliege. Nicht ausreichend war damit die Zulassung des PKW in Spanien auf eine andere - nicht bekannte - Person. Die Vorgaben des BFH zur Feststellung der Identität des Abnehmers gehen zu weit und sind insbesondere nicht mit dem jüngsten Urteil des EuGH (9.10.14, C-492/13, UR 14, 943) vereinbar.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2015 | Seite 85 | ID 43238627

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents