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  • · Fachbeitrag · Dieselskandal

    So wirkt sich der große Schadenersatz in einem Dieselfall steuerlich aus

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Das OLG Hamm hat darüber entschieden, ob auf den Brutto- oder den Nettokaufpreis abzustellen ist, wenn im Wege des großen Schadenersatzes in einem „Dieselfall“ der Autohersteller verurteilt wird, das Auto Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises zurückzunehmen. Das OLG zeigt, wie die Nutzungsentschädigung, die vom Kaufpreis abzuziehen ist, zu berechnen und ob Steuervorteile des Klägers aufgrund einer Absetzung für Abnutzung (AfA) schadensmindernd zu berücksichtigen sind. |

     

    Sachverhalt

    Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin K bestellte einen Porsche zu einem Preis von rund 100.000 EUR netto. In diesem Wagen war eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut mit dem Ziel, das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und die Käufer zu täuschen. Der Wagen ist steuerlich vollständig abgeschrieben. Das LG hat die Beklagte (den Motorenhersteller) B in der Hauptsache im Ausgangspunkt verurteilt, den Bruttokaufpreis zu zahlen. Denn der Vorsteuerabzug gem. § 17 UStG müsse rückgängig gemacht werden. Zudem hat es eine Nutzungsentschädigung wegen gefahrener Kilometer abgesetzt. Mit der Berufung verlangt die B eine abweichende Schadensberechnung. Es sei im Ansatzpunkt nur auf den Nettokaufpreis abzustellen. Im Wege der Vorteilsausgleichung sei zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen für den Wagen sich als Betriebsvermögen durch die AfA steuermindernd ausgewirkt hätten. Die Berufung ist teilweise erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. §§ 826, 31 BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf den sog. großen Schadenersatz, also darauf, von der ungewollten Verbindlichkeit befreit zu werden, die im Abschluss des Kaufvertrags über den Wagen liegt (OLG Hamm 25.9.23, I-22 U 32/23, Abruf-Nr. 237849). Durch den bewussten Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist die K als Käuferin des Pkw durch Repräsentanten der B i. S. v. § 31 BGB getäuscht worden. Deswegen hat die K ungewollt den Kaufvertrag über den Porsche abgeschlossen. Dieser Pkw war infolge einer unzulässigen Abschalteinrichtung davon bedroht, dass seine Typgenehmigung entzogen und damit sein Betrieb beschränkt oder untersagt wird. Durch den täuschungsbedingten Abschluss des Kaufvertrags hat die B durch ihre Repräsentanten die K vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

     

    Wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung der K ist im Grundsatz nur der Nettokaufpreis und nicht der Bruttokaufpreis ersatzfähig (BGH 25.7.22, VIa ZR 622/21, BeckRS 2022, 21807 Rn. 9 m. w. N.). Die gezogene Vorsteuer ist auch nicht auf Grundlage der Verurteilung der B zur Schadenersatzleistung zu korrigieren. Diese Verurteilung führt insbesondere nicht dazu, die Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG zu korrigieren.

     

    Die Schadenersatzzahlung selbst unterliegt nicht der Umsatzsteuer (USt). Denn es handelt sich hierbei nicht um einen steuerbaren Vorgang i. S. v. § 1 UStG. Schadenersatzzahlungen sind kein Entgelt i. S. d. USt-Rechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einstehen muss (vgl. BFH NwStR 14, 333; BGH 17.7.01, X ZR 71/99; Bomsdorf/Finkelmeier, NJW 22, 279 Rn. 15 ff.).

     

    Die Bemessungsgrundlage für die USt ist aufgrund der Verurteilung der B zum Schadenersatz nicht gem. § 17 UStG anzupassen, schon deshalb, weil die K den streitgegenständlichen Wagen nicht bei der B gekauft hat. Es gab zwischen der K und der B daher keinen steuerbaren Umsatz. Auch § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG greift nicht ein. Hiernach gilt § 17 Abs. 1 UStG entsprechend, wenn eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht werden. Mangels eines ursprünglichen steuerbaren Geschäfts, kommt eine Berichtigung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht in Betracht (beckOK-UStG/Suabedissen, § 17 UStG Rn. 85 ff.).

     

    Eine Korrektur der USt ist nur in den Fällen sog. „unechten“ Schadenersatzes geboten. Dieser „unechte“ Schadenersatz knüpft ‒ wie hier nicht ‒ an den ursprünglichen Leistungsaustausch, die ursprüngliche Vergütungs- oder Kaufpreisforderung an. Relevant wird dies insbesondere in Fällen, in denen Schadenersatz gezahlt wird, um eine Leistung auszugleichen, wenn der Leistungsempfänger die mangelhafte Sache behält und ‒ etwa im Wege des „kleinen Schadenersatzes“ ‒ den Minderwert gegenüber dem Leistenden geltend macht (BFH 17.12.09, V R 1/09, BeckRS 2009, 25016379; Bomsdorf/Finkelmeier, a. a. O., Rn. 31).

     

    Auch wenn im Ausgangspunkt vom Nettokaufpreis auszugehen ist, bestimmt sich die Berechnung des Nutzungsersatzes, der im Wege des Vorteilsausgleichs schadensmindernd zu berücksichtigen ist, nach dem Bruttokaufpreis. Denn entscheidend ist, welchen objektiven Wert die von der K gezogene Nutzung hat. Dieser objektive Wert wird nicht dadurch beeinflusst, dass die K Vorsteuer abziehen kann (BGH 9.4.14, VIII ZR 215/13, juris zur Rückabwicklung; OLG Koblenz 24.9.21, 8 U 1778/20, juris in einem Dieselfall). Der BGH akzeptiert diese Schadenberechnung (BGH 24.7.23, VIa ZR 752/22, juris).

     

    Es sind keine Steuervorteile aufgrund der Absetzung für Abnutzung (AfA) schadensmindernd (im Wege der Vorteilsausgleichung) zu berücksichtigen, auch wenn die K ihre Steuerlast dadurch senken konnte, weil durch die AfA ihr zu versteuernder Gewinn geringer wurde.

     

    Die Vorteilsausgleichung beruht auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm im adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Die Anrechnung von Vorteilen muss dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (BGH 19.6.08, VII ZR 215/06, juris Rn. 7).

     

    Deswegen können nach der BGH-Rechtsprechung Steuervorteile nur beachtet werden, wenn es sich um außergewöhnliche Steuervorteile handelt (BGH 12.2.86, IVa ZR 76/84, juris Rn. 30 ff.). Denn es ist bei der durch Treu und Glauben geprägten Vorteilsausgleichung unter Berücksichtigung von § 287 ZPO nicht angezeigt, „normale“ Steuervorteile zu berücksichtigen (BGH, a. a. O.). Insoweit ist anerkannt, dass im Wege der AfA erzielte Steuervorteile nicht anzurechnen sind, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs im Wege des Schadenersatzes zu einer Besteuerung führt, die die erzielten Steuervorteile wieder nimmt (BGH 11.11.04, VII ZR 128/03, juris Rn. 42 m. w. N.).

     

    Die K muss den Schadenersatzanspruch aber versteuern (ausführlich hierzu Wenzel, PStR 23, 226 ff.). Denn die Schadenersatzforderung ist unter dem Gesichtspunkt des „stellvertretenden Commodum“ im Betriebsvermögen erfolgswirksam zu erfassen (BFH 24.5.89, I R 213/85, juris Rn. 17; FG Düsseldorf 29.9.22, 11 K 314/20 E, AStW 23, 119). Die damit verbundene Aufdeckung von stillen Reserven ‒ der streitgegenständliche Wagen steht nach seiner vollständigen steuerlichen Abschreibung nur noch mit dem Erinnerungswert von 1 EUR in den Bilanzen ‒ ist nicht unbillig. Eine Übertragung der stillen Reserven ist nicht möglich (BFH 15.5.75, IV R 138/70, juris Rn. 37).

     

    Vorliegend ist im Rahmen der Vorteilsausgleichung bei der Billigkeit zudem zu berücksichtigen, dass nur der Nettokaufpreis erstattet werden kann, aber ausgehend vom Bruttokaufpreis die gezogenen Nutzungsvorteile berechnet werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass bei einer geringeren Laufleistung als der sonst vom Senat regelmäßig angesetzten 300.000 km der Nutzungsersatz den Nettokaufpreis aufzehrt. Dies beruht aber auf der steuerlichen Bevorzugung der K, da sie vorsteuerabzugsberechtigt ist. Diese steuerliche Bevorzugung beruht auf ihrer gewerblichen Tätigkeit, führt aber schadensrechtlich zu einer Schlechterstellung. Diese wird hier dadurch kompensiert, dass ihr die Vergünstigungen durch die AfA verbleiben und sie nur den Schadenersatzanspruch versteuern muss (ähnlich Wenzel PStR 23, 226 ff.).

     

    Relevanz für die Praxis

    Da das OLG Hamburg (16.2.23, 5 U 39/21 n. v.) ohne nähere Begründung § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG angewendet hat, wurde die Revision zugelassen. Die steuerlichen Rechtsfragen und ihre Auswirkungen auf den Schadenersatz ‒ insbesondere der AfA bei der Schadensberechnung in „Dieselfällen“‒ sind höchstrichterlich noch nicht endgültig entschieden.

     

    Der BGH hat aber kürzlich klargestellt, dass er Schätzungen des Nutzungsausgleichs gem. § 287 ZPO revisionsrechtlich akzeptiert, egal ob die Nutzungsentschädigung auf Basis des Bruttokaufpreises oder des Nettokaufpreises berechnet wird (24.7.23, VI a ZR 752/22, juris). Damit knüpft er an seine bisherige Rechtsprechung an, nach der er Schätzungen der Nutzungsentschädigung auf Grundlage einer Gesamtlaufleistung des Wagens von 250.000 bis 400.000 km akzeptiert hat.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Wenzel,Großer Schadenersatz und USt-Recht (Teil 1), PStR 23, 201 ff.
    • Wenzel, Großer Schadenersatz und Ertragsteuerrecht (Teil 2), PStR 23, 226 ff.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 272 | ID 49753221

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