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  • · Fachbeitrag · Besteuerungsverfahren

    Verwertungsverbot von Zufallserkenntnissen im Besteuerungsverfahren

    von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

    Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, zu denen durch eine Telefonüberwachung gewonnene Erkenntnisse gehören, dürfen nach § 393 Abs. 3 S. 2 AO von der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren verwendet werden, soweit sie diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlung gewonnen hat oder soweit nach den Vorschriften der StPO den Finanzbehörden Auskunft erteilt werden darf (BFH 24.4.13, VII B 202/12, Abruf-Nr. 132145).

     

    Sachverhalt

    Der im Streitfall vom FG vernommene Zeuge S war im August 2011 vom AG wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden. Der Verurteilung lag der Verkauf von insgesamt 190 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten durch S an D zugrunde. Für die insoweit entstandene Abgabenschuld (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) nahm das Hauptzollamt (HZA) den Kläger als Haftenden (§ 71 AO) mit der Begründung in Anspruch, dieser habe das Kaufgeschäft vermittelt und damit den Tatbestand der Steuerhehlerei des § 374 Abs. 1 AO erfüllt.

     

    Das FG hob den angefochtenen Steuerhaftungsbescheid auf. Eine Beteiligung des Klägers am Verkauf der Zigaretten habe sich nicht feststellen lassen. Die Protokolle über eine im Jahr 2007 durchgeführte Telefonüberwachung (TÜ), auf die das HZA seine Behauptung der Beteiligung des Klägers am Kaufgeschäft stütze, seien nicht verwertbar.

     

    Entscheidungsgründe

    Nicht NZB des HZA blieb erfolglos. Die Rechtsfrage nach der Verwertung von Erkenntnissen aus einer TÜ im Besteuerungsverfahren sind nicht klärungsbedürftig, sondern lassen sich anhand der AO und StPO sowie der einschlägigen Rechtsprechung des BGH eindeutig beantworten. In der Sache selbst habe das FG die Verwertung der TÜ-Protokolle als Beweismittel zu Recht abgelehnt, das FG-Urteil beruhe nicht auf einem Verfahrensmangel.

     

    Die seitens des HZA für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob die Finanzbehörde Erkenntnisse, die sie (vor dem Inkrafttreten des TKÜNReglG und des JStG 2008) rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, in noch nicht abgeschlossenen Fällen im Besteuerungsverfahren verwenden darf, stellt sich nach Ansicht des BFH hier nicht: Denn die Erkenntnisse aus den TÜ-Protokollen, die das HZA im Streitfall als Beweismittel verwenden will, stammen nicht - wie es der 1. Alternative des § 393 Abs. 3 S. 2 AO entspräche - aus eigenen strafrechtlichen Ermittlungen, sondern beruhen auf vom AG auf Antrag der StA angeordneten Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO a.F., denen nach den in der Akte befindlichen TÜ-Protokollen der Verdacht auf Bandendiebstahl zugrunde lag.

     

    Praxishinweis

    Jenseits der aktuellen Entscheidung weist der BFH auf folgende allgemein geltende rechtliche Maßstäbe hin:

     

    • Gemäß der 2. Alternative des § 393 Abs. 3 S. 2 AO dürfen die Erkenntnisse aus den TÜ-Protokollen im Besteuerungsverfahren nur verwendet werden, soweit nach der StPO den Finanzbehörden Auskunft erteilt werden darf.

     

    • Auskünfte aus Strafverfahren an die Finanzbehörden zur Feststellung eines Haftungsanspruchs wegen Steuerhehlerei (§ 71 AO) sind zwar gemäß § 474 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO i.V. mit § 116 AO grundsätzlich zulässig, unterliegen aber den besonderen Voraussetzungen einer Informationsübermittlung gemäß § 477 StPO.

     

    • Nach § 477 Abs. 2 S. 2 StPO dürfen aufgrund einer - nur bei Verdacht auf bestimmte Straftaten - zulässigen Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach der StPO hätte angeordnet werden dürfen.

     

    • § 477 Abs. 2 S. 2 StPO steht der Verwertung von Zufallserkenntnissen aus einer TÜ entgegen, wenn sich diese Erkenntnisse nicht auf die Katalogtaten des § 100a StPO beziehen.

     

    • Auch nach der aktuellen Fassung des § 100a Abs. 2 Nr. 2c StPO sind Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation nur beim Verdacht auf Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 AO), also beim Verdacht gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung zulässig. Eine „einfache“ Steuerhehlerei reicht nicht aus.
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 30 | ID 42472010

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