Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Widerruf der Bestellung als Steuerberater

    von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

    | Die steuerstrafrechtliche Verurteilung eines Steuerberaters und damit einhergehende Verbindlichkeiten, die zu einem Insolvenzverfahren führen, können dessen berufliche Existenz gefährden. Das zeigt ein Fall des FG Hamburg. |

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Widerrufs der Bestellung zum Steuerberater. Der Kläger (K) absolvierte 1992 sein Steuerberaterexamen und wurde 1993 von der Beklagten (B) zum Steuerberater bestellt. 2018 wurde K wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung in zwei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. K hatte seine ESt-Erklärungen 2006 bis 2013 sowie seine USt-Erklärungen 2007 bis 2013 nicht fristgemäß abgegeben und dadurch Steuern verkürzt und zu verkürzen versucht. 2018 wurde K durch das LG Hamburg in einem berufsgerichtlichen Verfahren ein Verweis erteilt und eine Geldbuße verhängt. Die Verurteilung erfolgte wegen der Verletzung von Berufspflichten. K habe in eigener Sache ‒ ausgehend von den Feststellungen im Strafverfahren ‒ vorsätzlich USt und ESt hinterzogen bzw. zu hinterziehen versucht. Auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft hat das Hanseatische OLG 2019 das Urteil des LG im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert ‒ d. h. verschärft ‒, dass gegen K ein Berufsverbot für die Dauer von zwei Jahren verhängt wurde. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist derzeit wegen der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht rechtskräftig.

     

    Auf Antrag des Finanzamts (FA) und auf Eigenantrag des K wurde 2019 wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Gerichtlich wurde zugleich bestimmt, dass der K Restschuldbefreiung erlangt, wenn er in der Laufzeit seiner Abtretungserklärung den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 InsO nicht vorliegen. Die Beklagte widerrief 2019 ‒ also vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens und vor dem rechtskräftigen Ausgang des berufsrechtlichen Verfahrens ‒ die Bestellung des K als Steuerberater.

     

    Entscheidungsgründe

    Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos (FG Hamburg 21.1.20, 6 K 232/19, Abruf-Nr. 214894; Revision ist anhängig BFH VII B 36/20). Der Widerrufsbescheid ist nach Ansicht des FG rechtmäßig. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung des K als Steuerberater hätten im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheids vorgelegen. Die Aufhebung dieses Widerrufsbescheids komme auch nicht aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht.

     

    MERKE | Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist. Ausnahme: Dadurch sind die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet. Ein Vermögensverfall wird nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 StBerG vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO; § 882b ZPO) eingetragen ist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Letzter Rettungsanker kann in einer entsprechenden Situation für den Betroffenen nur noch sein, wenn es ihm gelingt, die o. a. gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Vorliegend erachtete das FG diese Voraussetzungen allerdings weder durch die im Rahmen des Insolvenzverfahrens in Aussicht stehende Restschuldbefreiung noch durch den Umstand, dass der Insolvenzverwalter die weitere selbstständige Tätigkeit des K als Steuerberater gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegeben hat, als gegeben an.

     

    MERKE | Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH und des BFH war die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls im Fall eines Insolvenzverfahrens erst widerlegt bzw. können die Vermögensverhältnisse wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO a. F.) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird. An dieser Systematik hat für das FG Hamburg im Ergebnis auch die mit § 287a InsO eingeführte „vorgezogene“ Ankündigung der Restschuldbefreiung nichts verändert.

     

    Ein weiteres ‒ aus der Perspektive des Betroffenen ‒ Ärgernis sollte ebenfalls nicht aus dem Blick verloren werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf offene Steuerforderungen zurückzuführen ist: Nach § 302 Nr. 1 InsO sind Steuerverbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung ausgenommen, wenn der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. D. h., diese Schulden bleiben dauerhaft, wenn der Betroffene sein persönliches Insolvenzverfahren in Deutschland abwickelt; andere Mitgliedsländer der EU praktizieren es anders.

     

    MERKE | Aus dem Vermögensverfall eines Steuerberaters ergibt sich regelmäßig eine potenzielle Gefährdung der Interessen seiner Auftraggeber. Der Widerrufstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist aber nicht schon mit der Tatsache des Vermögensverfalls oder mit der Begründung der Vermutung für den Vermögensverfall erfüllt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist vielmehr der Nachweis gestattet, dass durch den Vermögensverfall des Steuerberaters eine Gefährdung der Interessen seiner Auftraggeber im konkreten Fall nicht gegeben ist.

     

    Die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand obliegt allerdings ‒ wie schon bei der Entkräftung der gesetzlichen Vermutungsregel zur InsO ‒ dem betroffenen Steuerberater (BFH 4.4.00, VII R 24/99, BFH/NV 00, 1141).

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 229 | ID 46453244

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents