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  • · Fachbeitrag · Außenprüfung

    Erneut: BFH zur Anordnung einer Außenprüfung bei Anfangsverdacht einer Steuerstraftat

    von Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg

    | Der BFH hat sich mit der Anordnung von steuerlichen Außenprüfungen bei Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen Steuerhinterziehung auseinandergesetzt (VI R 32/17, vgl. PStR 20, 271 ). Das Urteil enthält auf den zweiten Blick auch eine Aussage im Hinblick auf den Schutz der Identität von Anzeigeerstattern, dadurch dass der BFH dieses Thema nicht anspricht. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger (K) war Gesellschafter und Angestellter einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. 2002 übernahm er einen landwirtschaftlichen Pferdezuchtbetrieb und erklärte daraus Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft. In der Folge ging bei dem FA die Anzeige einer Person ein, die nicht genannt werden wollte. Aus der Anzeige ging hervor, dass K die Kosten der privaten Lebensführung und Betriebsausgaben der Pferdezucht in der Gewinnermittlung der Steuerberatungsgesellschaft erfasst worden seien. Auf dieser Grundlage wurde die Steuerfahndung eingeschaltet und eine Außenprüfung angeordnet und durchgeführt. Das FA hatte sich im erstinstanzlichen Verfahren vor dem FG Köln (3 K 123/14, Abruf-Nr. 198687) unter Bezugnahme auf das Steuergeheimnis geweigert, die Identität des Anzeigenden preiszugeben.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BFH hat sich zu dieser Problematik nicht mehr geäußert (14.4.20, VI R 32/17, Abruf-Nr. 216975). Daher dürfte davon auszugehen sein, dass er auch im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt der Entscheidung dem FG Köln zustimmt. Das FA hatte im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass eine Anzeige von einer dritten Person erstattet worden sei, die ausdrücklich großen Wert darauf gelegt habe, dass ihre Identität nicht preisgegeben werde. Das FA sehe sich deshalb aufgrund des Steuergeheimnisses daran gehindert, den Aktenvermerk dem Gericht vorzulegen.

     

    Das Gericht ging wiederum davon aus, dass eine diesbezügliche Sachaufklärung nicht erforderlich gewesen sei. Das Interesse des K zu erfahren, wer gegen ihn welche Anschuldigung erhoben hat, erkennt das Gericht zwar an. Es stellt aber fest, dass das rein subjektive Interesse eines Beteiligten, vom Inhalt der Akten Kenntnis zu erlangen, nicht für eine Vorlagepflicht ausreichte, wenn es darauf für die Entscheidung über das Klagebegehren nicht ankomme.

     

    Dieses Ergebnis der unterbleibenden Offenbarung der Identität des Anzeigenden steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Danach hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch gegenüber dem FA darauf, dass ihm der Name eines anonymen Anzeigeerstatters genannt wird. Sein Anspruch richtet sich lediglich auf eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen über seinen Antrag auf Namensnennung unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 und 5 AO (vgl. grundlegend BFH 8.2.94, VII R 88/92, BStBl II 94, 552). Im Ausnahmefall kann sich dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung aber auch zu einem Auskunftsanspruch verdichten, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG überwiegt bzw. nur auf diesem Wege ein effektiver Rechtsschutz i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet ist. Dies dürfte jedoch ein Ausnahmefall sein.

     

    Eine Offenbarung ist nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte ferner zulässig, wenn der durch das Steuergeheimnis geschützte Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat oder die Anzeige ohne eine steuerliche Verpflichtung erstattet wurde und sie inhaltlich dazu dient, ein Strafverfahren wegen einer Tat durchzuführen, die keine Steuerstraftat ist, vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 4b AO.

     

    Diese Rechtsprechung steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung der Strafgerichte (z. B. LG Hamburg 19.2.02, NJW 02, 1216). Letztere gehen davon aus, dass die Finanzbehörden die Herausgabe von Unterlagen unter Hinweis auf das Steuergeheimnis nicht verweigern dürfen, um die Identität eines Anzeigeerstatters zu schützen, da die Identität nicht durch § 30 AO vor Offenbarung geschützt werde. Dies ergebe sich daraus, dass das Steuergeheimnis als Gegenstück zur Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen anzusehen sei und dementsprechend vorrangig dessen privatem Geheimhaltungsinteresse diene. Bei einem Informanten handele es sich nicht um einen auskunftspflichtigen Dritten, der durch den Terminus „Verhältnisse eines anderen“ erfasst werde. Folglich bestehe uneingeschränkt ein Anspruch darauf, dass der Anzeigeerstatter benannt werde, der nicht durch § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO geschützt werde. Diese, den Wortlaut des § 30 AO einschränkende Auslegung, wird auch damit begründet, dass der Gesetzgeber eine klarere Regelung getroffen hätte, wenn er Anzeigeerstatter in den Schutzbereich des § 30 AO hätte einbeziehen wollen.

     

    Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber zumindest seit 2017 (vgl. BT-Drucksache 18/12611, 81) klargestellt hat, dass für die Zuordnung zum durch § 30 AO geschützten Personenkreis unerheblich sein soll, ob diese Personen in einem Verfahren i. S. d. § 30 AO auskunfts- oder mitwirkungspflichtig sind oder ihre Angaben ohne Rechtspflicht gemacht haben. Darüber hinaus verkennt die Rechtsprechung der Strafgerichte, dass das Steuergeheimnis auch öffentlichen Interessen, wie z. B. dem Fiskalinteresse und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dient. Vor diesem Hintergrund kann der Schutz des Steuergeheimnisses als generell-abstrakte Schutznorm nicht (alleine) davon abhängen, ob und in welcher Intensität die Interessen des Steuerpflichtigen im konkreten Fall berührt sind. Folglich erscheint eine teleologische Reduktion des § 30 AO als verfehlt, und ausgehend vom Wortlaut der Norm erfasst das Steuergeheimnis ‒ in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung ‒ auch Personen, die freiwillig Angaben machen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es darf insoweit aber nicht verkannt werden, dass die Rechtsprechung der Finanzgerichte keinen wirksamen Schutz gegenüber Beschlüssen der Strafgerichte zur Durchsuchung der Amtsräume eines FA und der Beschlagnahme der den Vorgang betreffenden Akten darstellt. Zur Durchsetzung seines Offenbarungsinteresses wird der Steuerpflichtige somit ein Strafverfahren wegen falscher Verdächtigung gegen Unbekannt anstrengen müssen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 81 | ID 46955924

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