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  • · Fachbeitrag · Abgabenordnung

    Dönerimbiss: FG bestätigt Schätzungen durch den Betriebsprüfer

    von ORRin Daniela Schelling, Stuttgart

    | Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 23.2.16 entschieden, dass die im Zeitpunkt der Außenprüfung festgestellten Umsätze auch den zurückliegenden Prüfungsjahren im Rahmen einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt werden können, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischenzeitlich nicht geändert haben. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger hatte einen Imbiss an der U-Bahnstation in Hamburg. Ausgelöst durch eine anonyme Anzeige, wonach der Kläger immer nur die Hälfte der bei einem türkischen Großhändler eingekauften Fleischwaren erkläre und deshalb einen Teil seiner Einnahmen nicht deklarieren müsse, fand ab April 09 eine Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2008 beim Kläger statt. Der Betriebsprüfer stellte erhebliche Mängel in der Kassen- und Buchführung fest. Er führte eine Kalkulation aufgrund der unstreitigen Wareneinkäufe und der aus den vorgelegten Preislisten entnommenen Verkaufspreise durch.

     

    Im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens fand ebenfalls in 2009 eine Durchsuchung statt. Dabei wurden auch Lieferscheine aus 2009 über den Einkauf von 3.444 kg Döner- und 693 kg Hähnchenfleisch aufgefunden, von denen der Kläger tatsächlich nur zwei Rechnungen über 1.773 kg Döner- und 451 kg Hühnerfleisch erhalten und gebucht hatte. Die mutmaßlichen nicht erklärten Warenlieferungen lösten Zuschätzungen für alle zurückliegenden Streitjahre aus. Es ergingen geänderte Bescheide für die Streitjahre 2005 bis 2008.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Buch- und Kassenführung war mangelhaft. Es waren nur handgeschriebene Einnahmeaufzeichnungen vorhanden, die ebenso wie das mittels eines EDV-gestützten Journals geführte „Kassenbuch“ nicht nachprüfbar und jederzeit abänderbar waren. Die auf dem internen Betriebsvergleich beruhende Schätzung des FA war in sich stimmig und für das FG nachvollziehbar (FG Hamburg 23.2.16, 2 K 31/15, Abruf-Nr. 187100, NZB wurde als unzulässig verworfen, BFH X B 32/16).

     

    Besteuerungsgrundlagen können nach § 162 Abs. 1 AO und nach § 96 Abs. 1 FGO durch die Finanzbehörde wie auch durch das FG geschätzt werden. Eine Schätzung findet vor allem dann statt, wenn der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen führen muss, nicht vorlegen kann. Das ist der Fall, wenn die Buchführung nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entspricht oder im Einzelfall Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit anzuzweifeln. Auch die Ermittlungsergebnisse aus der späteren Zeit der Außenprüfung im Jahr 2009 bildeten eine geeignete Schätzungsgrundlage für die zurückliegenden Streitjahre. Anhaltspunkte dafür, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Zeitraum der Außenprüfung von denen der Streitjahre unterschieden haben, haben sich nicht feststellen lassen. Die vom Kläger behaupteten Unterschiede zu den Vorjahren konnten nicht nachgewiesen werden. Der Kläger trägt aber insoweit die Beweislast.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Finanzverwaltung ist unter gewissen Voraussetzungen befugt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (§ 162 AO). Die Finanzverwaltung kann insbesondere dann schätzen, wenn der Steuerpflichtige seiner Pflicht, Bücher zu führen und Aufzeichnungen vorzulegen, nicht in angemessener Weise nachkommt. Das Ergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit). Gängige in der Praxis häufig anzutreffende Schätzungsmethoden sind:

     

    • die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen auf der Basis der im Vorjahr maßgebenden Besteuerungsgrundlagen;

     

    • der Vergleich der betrieblichen Daten mit Daten anderer Betriebe in Form eines externen Betriebsvergleichs oder durch Anwendung von Richtsätzen;

     

    • der innere Betriebsvergleich im Rahmen einer Nachkalkulation bzw. durch Durchführung eines Zeitreihenvergleichs;

     

    • die Geldverkehrsrechnung, mit der ungeklärte Einnahmen aufgedeckt werden sollen, indem geprüft wird, ob der Steuerpflichtige in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt mit den erklärten Geldzuflüssen zu decken;

     

    • die Vermögenszuwachsrechnung, bei der davon ausgegangen wird, dass sich Vermögensmehrungen nur aus der Summe der im gleichen Zeitraum versteuerten Einkünfte oder aus steuerfreien Einnahmen oder einmaligen Vermögensanfällen ergeben haben.

     

    Diese Schätzungsmethoden sind durch das FG in vollem Umfang überprüfbar (BFH 23.4.15, V R 32/14, PStR 15, 192 f.). Die Finanzgerichte sind nicht an die Schätzungsmethode gebunden, die das FA im jeweiligen Einzelfall eingesetzt hat. Der BFH bestätigt hiermit seine bisherige Rechtsprechung (BFH 17.10.01, I R 102/00, BStBl II 04, 171). Hiergegen ist im Revisionsverfahren eine Überprüfung nur eingeschränkt zulässig (BFH 14.4.15, I B 91/14, BFH/NV 15, 1004).

     

    Das FG hat eine eigene, selbstständige Schätzungsbefugnis. Die Schätzung des FG gehört ebenso wie die Auswahl der Schätzungsmethode zu den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den BFH bindet, wenn sie zulässig ist, verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und weder gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze noch gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Tsambikakis/Buchholz, Die Schätzung im Besteuerungsverfahren: Rechtsprechungsübersicht zu § 162 AO, PStR 14, 287 ff.
    • Tsambikakis/Buchholz, Rechtsprechung der Strafgerichte zur Schätzung im Steuerstrafverfahren, PStR 15, 10 ff.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2016 | Seite 237 | ID 44184235

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