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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    DBA USA-Schweiz: Amtshilfegesuch „Bankhaus Julius Bär“ des IRS ungenügend

    von RD David Roth, LL.M. oec., Köln

    | Das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht hatte sich in zwei Verfahren mit einem internationalen Amtshilfeersuchen der amerikanischen Steuerbehörde (IRS) an die Schweiz zu befassen (BVGer 6.1.14, A-5390/2013, Abruf-Nr. 140421 und A-5540/2013, Abruf-Nr. 140422 ). Mit dem Gruppenersuchen der IRS sollten Erkenntnisse zu einer Vielzahl noch unbekannter Kunden des Bankhauses Julius Bär ermittelt werden. Das Gericht gab der Beschwerde eines betroffenen amerikanischen Steuerpflichtigen statt und stufte das Ersuchen mangels hinreichendem Nachweis einer amtshilfefähigen Steuerstraftat („Steuerbetrug“ nach schweizerischem Recht) als unzulässig ein. |

    1. IRS reicht Amtshilfegesuch ein

    Der IRS hatte im April 2013 gestützt auf das DBA USA/Schweiz vom 2.10.96 ein Amtshilfegesuch eingereicht, in dem er der Bank Julius Bär vorwarf, Mitarbeiter hätten nach US-Recht steuerpflichtigen Kunden aktiv dabei geholfen, Einkommen und Vermögen vor dem US-Fiskus zu verbergen. Im Amtshilfegesuch schilderte der IRS die den Kunden vorgeworfenen Handlungsweisen. Neben dem Beispiel eines Ehepaars, das mittels Bankkarten Bargeldbezüge von einem Konto tätigte, das auf eine Gesellschaft mit Sitz außerhalb der USA (Domizilgesellschaft) lautete, stützte sich die Steuerbehörde auf Erkenntnisse aus amerikanischen Anklageschriften gegen zwei Mitarbeiter der Julius Bär und einem Dritt-Kundenberater, sowie Auswertungen und Befragungen von rund 400 Selbstanzeigen amerikanischer Julius Bär Kunden mit Konten in der Schweiz.

     

    Die eidgenössische Steuerbehörde (ESTV) sah das Ersuchen als zulässig an. Sie forderte daher die Bank Julius Bär auf, die von der IRS gewünschten Unterlagen einzureichen und die betroffenen Kunden hierüber zu informieren. Das Kreditinstitut kam beiden Aufforderungen fristgerecht nach.

    2. Keine zureichenden Anhaltspunkte für Amtshilfetatbestand

    Nach Auffassung des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden kurz BVGer) ist die ESTV - trotz der im IRS-Ersuchen angeführten Nachweise - zu Unrecht auf das Amtshilfegesuch eingegangen. Der im Ersuchen dargestellte Sachverhalt weist nach Auffassung des Gerichts nicht denjenigen Detaillierungsgrad auf, der bei zulässigen Gruppenersuchen zu schweizerischen „Steuerbetrugsdelikten“ erforderlich sei, um diese von der verbotenen Beweisausforschung („fishing expedition“) abzugrenzen. Die geschilderten Handlungsweisen enthalten nach Auffassung des Gerichts nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass „Steuer-Betrugsdelikte“ gemäß Art. 26 des DBA USA/Schweiz 1996 vorliegen. In der angeführten Anklageschrift gegen Mitarbeiter der Bank Julius Bär werde kein Verhalten aufgeführt, dass das Vorliegen eines amtshilfefähigen Steuer- bzw. Abgabebetrugs vermuten ließe. Mangels hinreichendem Detaillierungsgrad des Ersuchens im Hinblick auf den Charakter der in Bezug genommenen Steuerstraftat, bestünden keine zureichenden Anhaltspunkte für einen Amtshilfetatbestand. Die dem Ersuchen zugrunde liegenden Nachweise würden allenfalls eine einfache Steuerhinterziehung belegen, die nach einschlägigen DBA-Bestimmungen jedoch keine amtshilfefähige Steuerstraftat darstelle. Das BVGer hat daher der Beschwerde eines amerikanischen Kunden der Julius Bär stattgegeben. Dessen Bankdaten durften daher nicht an die USA übermittelt werden.

    3. Einordnung des Urteils

    Das BVGer bestätigt einmal mehr die schweizerische Rechtsprechung, wonach gemäß DBA USA/Schweiz 1996 bei vermuteter bloßer „Steuerhinterziehung“ - anders als bei sogenanntem „Steuerbetrug“ - keine Amtshilfe zu leisten ist. Das BVGer hält daran fest, dass es sich beim bloßen Nichtangeben eines Kontos lediglich um eine (nach DBA USA/Schweiz 1996) nicht amtshilfefähige Steuerhinterziehung handelt. Das Urteil steht überdies in einer Linie mit weiteren Entscheidungen eidgenössischer Spruchkörper, die bei Gruppenanfragen hohe Anforderungen an den Nachweis-, Konkretisierungs- und Detaillierungsgrad des Ersuchens stellen (BVGer 13.3.13, E 7.2 ff. - A-6011/2012, BGE 139 II 404 E. 7.2; BVGer 2.7.13, E.2 - B-2700/2013, BGE 139 II 404 E.7.2.3; BVGer 3.5.13, E.5.22 - B-934/2011, BGE 139 II 451 E.2.2.1).

     

    Neben der IRS hatten die eidgenössische Steuerbehörde ESTV sowie das von der Anfrage betroffene schweizerische Bankhaus Julius Bär - abweichend von der Einschätzung des Gerichts - einen Steuerbetrug bejaht und Daten zwischen den genannten Beteiligten ausgetauscht. Scheinbar setzen sowohl die schweizerischen Behörden als auch die eidgenössischen Bankhäuser die „Weißgeldstrategie“ ernsthaft um. Dem betroffenen Steuerbürger bleiben damit allein die schweizerischen Gerichte, um dem überschießenden Eifer der Behörden im Rahmen der neuen „Weißgeldstrategie“ zu begegnen.

    4. Besondere Fristen bei Anfechtung beachten

    Für deutsche Steuerpflichtige ist von Bedeutung, dass das restriktive Amtshilfe-Erfordernis des „Steuerbetrugs“ nur beim DBA USA/Schweiz erfüllt sein muss. Demgegenüber gilt seit einem Beschluss des schweizerischen Bundesrates vom 13.3.09, für alle nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen - insbesondere kontinentaleuropäischen - DBA, dass die Schweiz auch bei bloßer „Steuerhinterziehung“ Amtshilfe leisten wird. Darauf weist auch das aktuelle Urteil des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich hin. Im Verhältnis zu Deutschland ist Amtshilfe daher unter einfacheren Voraussetzungen möglich und wäre im vorliegenden Fall wohl aller Wahrscheinlichkeit nach gewährt worden.

     

    Im Verhältnis zur Schweiz richtet sich die Durchführung eines DBA überdies nach dem eidgenössischen Steueramtshilfegesetz (StAhiG). Dessen Neufassung sieht in Art. 6 Abs. 2a StAhiG seit dem 1.2.13 neuerdings generell die Möglichkeit von Gruppenanfragen vor (BVGer 6.1.14, A-5390/2013, Punkt 5.1.4, Abruf-Nr. 140421; Roth in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, Stand: Dezember 2013, Rn. 301 ff. zu § 404 AO; Holenstein, PStR 13, 269). Beim DBA USA/Schweiz 1996 waren solche Gruppenanfragen demgegenüber schon früher anerkannt. In der Praxis ist allerdings noch unklar, welche konkreten Anforderungen an Gruppenanfragen zu stellen sind (Roth in Rolletschke/Kemper, a.a.O., Rn. 311 ff. zu § 404 AO). Neben der OECD-Musterkommentierung zu Art. 26 OECD-MA, kann dem Steuerpflichtigen und dessen Berater auch das vorliegende Urteil als weitere Auslegungs- und Konkretisierungshilfe dienen. Die eidgenössischen Gerichte legen nämlich durchgängig strenge Maßstäbe an Gruppenersuchen an (BVGer 6.1.14, A-5390/2013, Abruf-Nr. 140421; BVGer 13.3.13, E 7.2 ff. - A-6011/2012, BGE 139 II 404 E. 7.2; BVGer 2.7.13, E.2 - B-2700/2013, BGE 139 II 404 E.7.2.3; BVGer 3.5.13, E.5.22 - B-934/2011, BGE 139 II 451 E.2.2.1).

     

    Wie der vorliegende Fall zeigt, besteht beim Rechtsschutz für den Steuerpflichtigen der Vorteil, dass die eidgenössische Steuerverwaltung die Betroffenen über etwaige Auslandsersuchen rechtzeitig informieren lässt. Auch wenn nach deutschem Recht ausgehende Fahndungsersuchen an die Schweiz vorher nicht beim Betroffenen angekündigt werden müssen und daher eine Verhinderung von Beginn an vor deutschen Gerichten - etwa mittels vorbeugender einstweiliger Anordnung auf Unterlassen gemäß § 114 FGO - nahezu unmöglich ist, ist der Steuerpflichtige daher in der Lage, das Ersuchen zumindest vor schweizerischen Gerichten rechtzeitig vor Ausführung überprüfen zu lassen.

     

    Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei einer Anfechtung (hier: der Schlussverfügung der ESTV) nach schweizerischem Recht besondere Fristen eingehalten werden müssen. Die Beschwerde gegen eine ordnungsgemäß zugestellte Schlussverfügung der ESTV muss beispielsweise innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung bei Gericht eingereicht werden (Art. 50 Abs. 1 VwVG-Schweiz). So hat das BVGer in einer weiteren Entscheidung zum Komplex Julius Bär (BVGer 6.1.14, A-5540/2013, Abruf-Nr. 140422) vom selben Tage geurteilt, dass eine verfristet eingegangene Beschwerde die Weitergabe der Daten an die IRS nicht verhindert.

     

    PRAXISHINWEIS | Insgesamt betrachtet, war das Gruppenersuchen der IRS letztlich doch erfolgreich. Zwar wurden die Daten des im ersten Verfahren klagenden Beschwerdeführers nicht herausgegeben. Alle übrigen Datensätze - von nicht klagenden Kunden bzw. im Fall verfristeter Rechtsmittel - sind jedoch übermittelt worden und stehen der IRS nun zur Auswertung zur Verfügung.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Holenstein, Machen Gruppenanfragen nach OECD-Standard den Ankauf gestohlener Bankdaten überflüssig?, PStR 13, 269 ff.
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 129 | ID 42635044

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