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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Das sind die Neuerungen durch die AStBV (St) 2023/2024

    von Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

    | Die AStBV (St) 2023/2024 (BStBl I 2023, 1798) ist mit Wirkung vom 1.12.23 anstelle der AStBV (St) 2023 (dazu Gehm, PStR 23, 104 ), getreten. Es ergeben sich einige Neuerungen für das Steuerstraf- und das steuerliche Bußgeldverfahren, deren praxisrelevanteste hier vorgestellt werden. An diese Verwaltungsanweisung sind zwar nur die Finanzbehörden (vorzugweise BuStra und Steufa) gebunden, Nr. 1 Abs. 1 AStBV (St) 2023/2024. Steuerstraf- und -bußgeldverfahren beginnen aber gewöhnlicherweise bei der Finanzverwaltung, sodass die AStBV (St) auch für die Verteidigung sehr relevant ist. |

    1. Steuerstraftaten gleichgestellte Straftaten

    Auch Nr. 17 Abs. 1 Ziff. 1 AStBV (St) 2023/2024 legt fest, dass das FA hinsichtlich Steuerstraftaten nach § 386 Abs. 2 Nr.  1 AO i. V. m. § 369 Abs. 1 AO sowie diesen gleichgestellte Taten ermitteln darf.

     

    Aus dem Katalog der den Steuerstraftaten gleichgestellten Taten in Nr. 19 Ziff. 2 und 3 AStBV (St) 2023/2024 sind solche im Hinblick auf die Eigenheimzulage und das InvZulG 2010 gestrichen worden. Denn sowohl die Eigenheimzulage als auch die Investitionszulage sind inzwischen ausgelaufen, sodass entsprechende (neue) noch verfolgbare Fälle nicht mehr vorkommen dürften. Solche Taten sind i. d. R. inzwischen verjährt.

    2. Einsichtnahme in Räume und Behältnisse mit Einverständnis

    Nr. 65 AStBV (St) 2023/2024 ergänzt in S. 3 nun, dass derjenige, der darin einwilligt, dass die Steufa auch ohne gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss Einsicht in seine Räume und Behältnisse nehmen darf, vor seiner Einwilligung darauf hinzuweisen ist, dass er die entsprechende Einwilligung nach § 500 Abs. 1 StPO i. V. m. § 51 Abs. 3 BDSG widerrufen kann. § 500 StPO wurde mit Wirkung v. 26.11.19 durch Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die VO (EU) 2016/679 v. 20.11.19 (BGBl I 2019, 1724) in die StPO eingefügt.

     

    Die bis zum Widerruf der Einwilligung erhobenen Beweise bleiben rechtmäßig und verwertbar, § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG.

     

    Die AStBV (St) 2023/2024 verhält sich jedoch nicht dazu, ob die unterlassene Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit ihrerseits zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Allerdings enthält § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG expressis verbis die Belehrungspflicht über die Widerrufsmöglichkeit. Wird hiergegen verstoßen, liegt keine wirksame Einwilligung des Betroffenen vor. Sofern der Betroffene nicht nach später erfolgter Belehrung nochmals einwilligt, müssen die Daten gelöscht werden (Stemmer/Wolff in Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK Datenschutzrecht, § 51, Stand: 1.1.21, Rn. 25; LG Kiel 19.8.21, 10 Qs 43/21, juris).

     

    • Beispiel

    Die Steufa fragt ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss und ohne, dass Gefahr im Verzug gegeben ist, den A, ob sie dessen Geschäftsräume betreten und in Augenschein nehmen darf. Sie weist A nicht darauf hin, dass er die Einwilligung widerrufen kann. A erklärt sich einverstanden, bei der Inaugenscheinnahme stößt die Steufa auf Beweismaterial für eine Steuerhinterziehung des A.

     

    Die Einwilligung des A ist mangels Belehrung über sein Widerrufsrecht rechtlich irrelevant, sodass die solchermaßen gewonnenen Beweise nicht für das Steuerstrafverfahren gegen A verwandt werden dürfen.

     

    3. Beschlagnahme bei Dritten

    Hinsichtlich gerichtlicher Entscheidungen im Zusammenhang mit Beschlagnahmen bezüglich Gegenständen, die sich nicht im Gewahrsam des Beschuldigten selbst befinden, präzisiert nun Nr. 69 Abs. 4 S. 1 AStBV (St) 2023/2024 Folgendes: Die gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme ist grundsätzlich dem Beschuldigten nach § 35 StPO bekannt zu machen. Nur unter den näheren Voraussetzungen des § 95a StPO (Erschwerung bzw. Vereitelung des Ermittlungserfolges) darf dessen Benachrichtigung zurückgestellt werden.

    4. Observation

    Was längerfristige Observationen anbelangt, so präzisiert nun Nr. 74a Abs. 3 S. 3 und 4 AStBV (St) 2023/2024, dass eine solche auf höchstens drei Monate zu befristen ist, jedoch eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei M onate möglich ist, wenn das entsprechende Ermittlungsergebnis dies rechtfertigt und die Voraussetzungen für die Observation weiterhin vorliegen (§ 163f Abs. 3 S. 3 i. V. m. § 100e Abs. 1 S. 4 und 5 StPO), wobei die entsprechende Frist jeweils mit Erlass der Maßnahme beginnt.

     

    Weiterhin stellt Nr. 74a Abs. 3 S. 2 und 3 AStBV (St) 2023/2024 klar, dass bei Observation außerhalb von Wohnraum Bildaufnahmen und der Einsatz von technischen Mitteln wie Peilsender einer richterlichen Anordnung bedürfen, die nur ergeht, wenn dies für die Sachverhaltserforschung bzw. die Aufenthaltsbestimmung des Beschuldigten erforderlich ist, § 100h Abs. 1 StPO. Zulässig sind solche Maßnahmen auch, wenn unvermeidlicherweise Dritte hiervon betroffen sind, § 100h Abs. 3 StPO. Durch diese Ergänzung durch die AStBV (St) 2023/2024 offenbart sich, dass nach dem Willen der obersten Finanzbehörden der Länder im Steuerstrafverfahren sich (vermehrt) des Instrumentariums der Observation bedient werden soll.

    5. Strafzumessung

    Der BGH hat (2.12.08, 1 StR 416/08, BStBl II 08, 934) entschieden, dass bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe eine zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe nur in Betracht kommt, wenn besonders gewichtige Milderungsgründe vorliegen (vgl. Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl., 288; Gehm, ZWH 16, 96).

     

    Dies gilt auch bei einer versuchten Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 2 AO (BGH 19.10.22, 1 StR 269/22, NZWiSt 23, 187 m. Anmerk. Rolletschke; Gehm, AO-StB 23, 2). Dieser Rechtsprechung folgt auch die Finanzverwaltung in Nr. 76 Abs. 2 S. 11 AStBV (St) 2023/2024. Obgleich nach § 369 Abs. 2 AO i. V. m. § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB die versuchte Steuerhinterziehung milder bestraft werden kann als die vollendete, ist mit Folgendem zu rechnen: Die Finanzbehörden werden bei entsprechend hohen Hinterziehungsbeträgen in den Hauptverhandlungen gem. § 407 AO auf Freiheitsstrafen ohne Bewährung drängen, Nr. 75 Abs. 3 AStBV (St) 2023/2024. In diesen Fällen wird es insoweit zunehmend erschwert, noch in den Genuss einer Bewährungsstrafe zu gelangen.

    6. Verfolgungsverjährung

    Nach § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO stellt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gem. § 138 Abs. 2 S. 1 AO (Anzeige von Auslandsengagement) eine Ordnungswidrigkeit dar (Gehm, NWB 12, 1072). Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten nach § 138b Abs. 1 bis 3 AO (Mitteilungspflicht Dritter über Beziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaaten-Gesellschaften) stellt eine Ordnungswidrigkeit gem. § 379 Abs. 2 Nr. 1d AO dar (Gehm, IWB 18, 222).

     

    In Nr. 102 Abs. 5 AStBV (St) 2023/2024 vertritt die Finanzverwaltung folgende Ansicht: Die Verfolgungsverjährung beginnt bei diesen Ordnungswidrigkeiten erst, wenn das Interesse daran, diese Mitteilungspflichten zu erfüllen, wegfällt, etwa weil das FA entsprechende Feststellungen selbst getroffen hat, nicht aber bereits, wenn die Meldefristen nach § 138 Abs. 5 AO bzw. § 138b Abs. 4 S. 1 AO verstrichen sind (BMF, BStBl I 22, 576, Rn. 38; HansOLG 14.2.22, 9 RB 36/22 [www.iww.de/s10182], Rätke in Klein, AO, 17. Aufl., § 138, Rn. 51 mit Ende der Handlungspflicht; Gehm, IWB 22, 461, da Dauerordnungswidrigkeit). Entsprechende Taten können noch lange verfolgt werden. Denn die fünfjährige Verfolgungsverjährung nach § 384 AO beginnt erst spät zu laufen.

    7. Verstöße gegen das Plattformen-Steuertransparenzgesetz

    Mit dem Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) v. 20.12.22 (BGBl I 22, 2730), das auf der DAC-7-Richtlinie beruht, soll die Transparenz bei geschäftlichen Aktivitäten auf digitalen Plattformen gewährleistet werden, um die Ertrag- und auch die Umsatzsteuer zu sichern (Nürnberg, NWB 23, 1897, 1898). Das PStTG trat am 1.1.23 in Kraft, § 29 PStTG. § 25 PStTG enthält eine eigene Bußgeldvorschrift, um Verstöße gegen die sich aus dem PStTG ergebenden Pflichten zu ahnden (Nürnberg, NWB 23, 1897, 1903; Nr. 107 Abs. 4 AStBV (St) 2023/2024). Insofern werden Pflichten, die Plattformbetreiber i.  S. v. § 3 Abs. 1 und 2 PStTG treffen, bußgeldbewehrt. Für die Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeiten ist nach § 25 Abs. 3 PStTG i. V. m. § 36 Abs. 1 § 1 OWiG das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zuständig, Nr. 109 Abs. 5 Ziff. 4 AStBV (St) 2023/2024. Dabei gelten über § 25 Abs. 4 PStTG für das Bußgeldverfahren § 389, § 390 und § 410 Abs. 1 Nrn. 2 und 6 bis 12 AO entsprechend.

    8. Mitteilungen im steuerlichen Straf- und Bußgeldverfahren

    Nr. 137 AStBV (St) 2023/2024 enthält Mitteilungspflichten:

     

    a) Mitteilungen an Ausländerbehörden

    Nr. 137 Abs. 1 § 2 AStBV (St) 2023/2024 ordnet an, dass die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes eines Ausländers gegen steuerrechtliche Vorschriften bzw. die Verhängung einer diesbezüglichen Geldbuße von mindestens 500 EUR der Ausländerbehörde unverzüglich mitzuteilen sind. Nach der AStBV (St) 2023 war dies erst bei einer Geldbuße von mindestens 1.000 EUR der Fall, sodass insofern eine Verschärfung eingetreten ist. Letzteres gilt aber nach § 87 Abs. 4 S. 4 AufenthG nur, wenn die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von mehr als 1.000 EUR geahndet werden kann. Wegen des weiteren Inhalts der mitzuteilenden personenbezogenen Daten nimmt die AStBV (St) 2023/2024 auf § 42 Abs. 2 MiStra Bezug.

     

    b) Mitteilungen an das Bundeskartellamt

    Rechtskräftige Strafbefehle wegen einer Steuerhinterziehung sowie rechtskräftige Bußgeldbescheide, die nach § 30 OWiG (Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen) auch i. V. m. § 130 OWiG (Verletzung von Aufsichtspflichten in Betrieben und Unternehmen) wegen einer Steuerhinterziehung ergangen sind, sind dem Bundeskartellamt zu melden, um sie ins Wettbewerbsregister einzutragen. Unter Beachtung von § 2 Abs. 3 S. 1 WRegG erfolgt der Eintrag nach Nr. 137 Abs. 1 Ziff. 4 AStBV (St) 2023/2024 nur, wenn dem Unternehmen das Verhalten einer natürlichen Person zugerechnet wird.

     

    c) Mitteilung an die Disziplinarstelle

    Nr. 137 Abs. 1 Ziff. 5 AStBV (St) 2023/2024 ergänzt die Meldepflicht, um Disziplinarverfahren gegen Beamte, Richter und Soldaten durchzuführen, indem ein Hinweis auf BMF, BStBl I 23, 182 erfolgt. Danach ist insbesondere die Angehörigkeit zur Reichsbürgerszene zu melden (Gehm, AO-StB 23, 104). Zudem müssen Richter und Finanzbeamte nach BMF, BStBl I 23, 182 regelmäßig damit rechnen, dass Steuerhinterziehungen zu ihren eigenen Gunsten ihrem Dienstherren gemeldet werden. Bei Finanzbeamten ist dies auch bei unerlaubter Hilfeleistung in Steuersachen der Fall.

    9. Zusammenarbeit mit der Zollverwaltung

    In Nr. 139 Abs. 1 AStBV (St) 2023/2024 wird auf die aktuellen Merkblätter über die Zusammenarbeit von Steuer- und Zollbehörden sowie zwischen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) und den Landesfinanzbehörden Bezug genommen (Anlagen zum BMF-Schreiben v. 31.8.23, ‒ IV D 2 ‒ S 0700/20/10025 :004, DOK 2023/0814913 bisher nicht veröffentlicht). In Anbetracht der Steuerausfälle im Zusammenhang mit Schwarzarbeit verwundert die intensive Zusammenarbeit der BuStra und Steufa mit der FKS nicht.

    10. Resümee

    Wie die AStBV (St) 2023 nimmt auch die AStBV (St) 2023/2024 zur Observation Stellung. Dieses Instrumentarium steht daher im Fokus der Finanzverwaltung. Auch die Mitteilungen sind ausgebaut worden, gerade was Ausländer, aber auch den disziplinarischen Bereich anbelangt. Dies muss die Verteidigung mitberücksichtigen, da außersteuerliche Folgen zu bedenken sind. Es sind aber auch die Rechte desjenigen gestärkt, der der Steufa freiwillig Zutritt in seine Räumlichkeiten gewährt. Insofern ergibt sich bei unterlassener oder unrichtiger Belehrung die Frage nach Verwertungsverboten.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 60 | ID 49850457

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