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  • · Fachbeitrag · Jahressteuergesetz 2018

    Akuter Handlungsbedarf für Online-Händler und Marktplatzbetreiber ab dem 1.1.2019

    von StB Thorsten Krain, Fachberater für Internationales Steuerrecht, und Johanna Fielenbach, KRAIN Steuerberater-Partnerschaftsgesellschaft mbB

    | Betreiber von Internetplattformen geben Unternehmern, die im Inland, in der EU oder in Drittländern ansässig sind, die Möglichkeit, Waren anzubieten und zu verkaufen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es beim Handel auf elektronischen Marktplätzen vermehrt zu Umsatzsteuerhinterziehung kommt, insbesondere beim Handel mit Waren aus Drittländern. Der Bundestag hat am 8.11.18 in der 2. und 3. Lesung das Gesetz verabschiedet mit dem Ziel, die Umsatzsteuereinnahmen sicherzustellen und so die Wettbewerbsfähigkeit steuerehrlicher Unternehmen zu schützen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 23.11.18 zugestimmt. |

    1. Das Jahressteuergesetz 2018

    Einige Unternehmer auf Internetplattformen führen nach Erkenntnissen der Bundesregierung rechtswidrig keine (Einfuhr-)Umsatzsteuer für im Inland steuerpflichtige Umsätze ab und nutzen auf diese Weise die Möglichkeit, ihre Waren zu einem niedrigeren Preis anzubieten als steuerehrliche Händler. Die Finanzverwaltung bekommt nun die erweiterte Möglichkeit zu überprüfen, ob der liefernde Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.

     

    Aus diesem Grund werden die Betreiber elektronischer Marktplätze bereits ab dem 1.1.19 dazu verpflichtet, bestimmte Angaben der auf ihren Marktplätzen tätigen Unternehmer aufzuzeichnen. Dies ist in § 22f UStG „Besondere Pflichten für Betreiber eines elektronischen Marktplatzes“ geregelt. Zudem übernehmen die Marktplatzbetreiber zukünftig die Haftung für die zu Unrecht nicht entrichtete Umsatzsteuer aus dem Handel auf dem von ihnen bereitgestellten Marktplatz. Hierfür wird § 25e UStG „Haftung beim Handel auf einem elektronischen Marktplatz“ eingeführt. Die Regelungen gelten dabei unabhängig davon, ob Marktplatzbetreiber oder Händler im In- oder Ausland ansässig sind. Auch rein inländisch tätige Marktplatzbetreiber und Onlinehändler sind daher betroffen. Maßgeblich für die Anwendung der Neuregelung ist lediglich, dass die Lieferung im Inland beginnt oder endet.

     

    • „Ein elektronischer Marktplatz … ist eine Website oder jedes andere Instrument, mit dessen Hilfe Informationen über das Internet zur Verfügung gestellt werden, die es einem Dritten, der nicht der Betreiber des Marktplatzes ist, ermöglicht, Umsätze auszuführen“ (§ 25e Abs. 5 UStG).

     

    • Betreiber … ist, wer einen elektronischen Marktplatz unterhält und es Dritten ermöglicht, auf diesem Marktplatz Umsätze auszuführen“ (§ 25e Abs. 6 UStG).

     

    Anhand der Gesetzesbegründung bisher unklar ist, wie weitgehend der Begriff des elektronischen Marktplatzes zu fassen ist. Neben den vom Gesetzentwurf wohl in erster Linie in den Blick genommenen großen, bekannten Marktplatzbetreibern würden nach der oben genannten Definition auch regionale Kleinanzeigenportale unter die Definition des Marktplatzbetreibers fallen. Fraglich ist auch, inwieweit gegebenenfalls das bloße Bereitstellen von Links auf einer Internetseite, durch die ein konkreter Bezug zwischen der Website und einem Einkauf hergestellt werden kann, z.B. auf der Website eines Sportvereins, oder sogenannte Affiliate-Links bei weiter Auslegung als Möglichkeit, Umsätze auszuführen, anzusehen sind. Die Folge wäre, dass jeder, der eine solche Seite betreibt, unter die Marktplatzbetreiberhaftung fallen würde, damit die umfangreichen Registrierungspflichten seiner Nutzer zu erfüllen hätte und im Zweifel für nicht abgeführte Umsatzsteuer der Nutzer haften müsste.

    2. Besondere Pflichten für die Betreiber

    Die Betreiber eines elektronischen Marktplatzes sind bereits ab dem 1.1.19 gemäß § 22f UStG dazu verpflichtet, liefernde Unternehmer zu registrieren, für deren Umsätze in Deutschland eine Steuerpflicht in Betracht kommt.

     

     

    • Folgende Angaben muss der Betreiber erfassen:
     § 22f Abs. 1 Nr. 1 UStG
     § 22f Abs. 1 Nr. 2 UStG
     § 22f Abs. 1 Nr. 3 UStG
     § 22f Abs. 1 Nr. 4 UStG
     § 22f Abs. 1 Nr. 5 UStG

    vollständige

    Name und Anschrift des liefernden Unternehmers

    Steuernummer und soweit vorhanden Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

    Beginn- und End-datum der Gültigkeit einer Bescheinigung über die steuerliche Erfassung

    Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung sowie den Bestimmungsort

    Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes

     

    Ist der Nutzer des elektronischen Marktplatzes nicht als Unternehmer registriert, so sind folgende Daten vorzuhalten:

     

    • Der vollständige Name und die vollständige Anschrift des liefernden Unternehmers sowie das Geburtsdatum,
    • der Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung sowie der Bestimmungsort und
    • der Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes (§ 22f Abs. 2 UStG).

     

    Die Unterlagen der Nutzer unterliegen nach § 147 AO den steuerlichen Aufbewahrungspflichten mit einer Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren und sind vom Marktplatzbetreiber auf Anforderung des FA elektronisch zu übermitteln (§ 22f Abs. 3 UStG).

     

    Den Beginn des Datenabrufverfahrens zur elektronischen Abfrage nach §22f Abs. 1 S. 6 UStG und die Festlegung des Kalenderjahres, ab dem die Daten nach dem § 22f Abs. 3 UStG auf Anforderung zu übermitteln sind, teilt das BMF durch ein Schreiben mit, welches im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird. Die Bescheinigung über die steuerliche Erfassung ist dem liefernden Unternehmer bis zur Einführung des Datenabrufverfahrens nach § 22f Abs. 1 S. 6 UStG in Papierform zu erteilen (§ 27 Abs. 25 UStG).

     

    Bei ausländischen Händlern dürfte bereits die Aufzeichnung der vollständigen Anschrift sowie des Orts des Beginns der Beförderung oder Versendung für den Marktplatzbetreiber schwierig werden.

    3. Gefährdungshaftung und Haftungsprivilegierung

    „Der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes haftet für die nicht entrichtete Steuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist“ (§ 25e Abs. 1 UStG). Auf diese Weise wird eine Gefährdungshaftung normiert, deren Ziel es ist, dass die Marktplatzbetreiber nicht nur Verantwortung für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen übernehmen, sondern auch für die nicht an die Finanzverwaltung abgeführte Umsatzsteuer der Dritten haften. Um jedoch den ehrlichen Unternehmer zu schützen und unüberschaubaren sowie nicht gerechtfertigten Risiken vorzubeugen, soll eine Bescheinigung des Onlinehändlers über dessen steuerliche Erfassung ausreichen, damit der Marktplatzbetreiber nicht haftet.

     

     

    Der Betreiber haftet nicht, wenn er eine Bescheinigung des FA über die steuerliche Erfassung des auf seiner Plattform tätigen Unternehmers gemäß § 22f Abs. 1 S. 2 UStG vorlegt oder nach § 22f Abs. 1 S. 6 UStG eine elektronische Bestätigung des BZSt über die dort gespeicherte Bescheinigung (§ 25e Abs. 2 S. 1 UStG). „Dies gilt nicht, wenn er Kenntnis davon hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen, dass der liefernde Unternehmer seinen Verpflichtungen nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt“ (§ 25e Abs. 2 S. 2 UStG).

     

    War der Marktplatzbetreiber also bösgläubig, weil er wusste oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte wissen müssen, dass der auf seinem Marktplatz tätige Unternehmer nicht steuerehrlich ist, erlischt die Haftungsprivilegierung durch die Bescheinigung. Damit sollen zum einen Fälle, in denen ein Marktplatzbetreiber vorsätzlich oder leichtfertig gehandelt hat, ausgeschlossen werden, zum anderen wird dem FA über eine Öffnungsklausel in § 30 Abs. 4 AO die Möglichkeit gegeben, den Marktplatzbetreiber unter Durchbrechung des Steuergeheimnisses über die Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten des Unternehmers in Kenntnis zu setzen und so bösgläubig zu machen.

     

    Nachdem dem Betreiber diese Information zugegangen ist, haftet dieser i.S. von § 25e Abs. 2 UStG für die Steuer auf Umsätze, sofern gemäß § 25e Abs. 1 UStG das jeweilige Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde (§ 25e Abs. 4 S. 2 UStG). „Eine Inanspruchnahme des Betreibers … erfolgt nicht, wenn der Betreiber innerhalb einer vom Finanzamt … gesetzten Frist nachweist, dass der liefernde Unternehmer über seinen elektronischen Marktplatz keine Waren mehr anbieten kann“ (§ 25e Abs. 4 S. 3 UStG).

     

    Der Marktplatzbetreiber haftet auch nicht, wenn der Nutzer nicht als Unternehmer auf dem elektronischen Marktplatz registriert ist und der Betreiber die Angaben nach § 22f Abs. 2 UStG gespeichert hat (§ 25e Abs. 3 S. 1 UStG). „Dies gilt nicht, wenn nach Art, Menge oder Höhe der gezielten Umsätze davon auszugehen ist, dass der Betreiber Kenntnis davon hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen, dass die Umsätze im Rahmen eines Unternehmens erbracht werden“ (§ 25e Abs. 3 S. 2 UStG).

     

    Gemäß § 27 Abs. 5 UStG gilt die Haftung der Marktplatzbetreiber für inländische Nutzer und solche aus der EU ab dem 1.10.19 und für Nutzer aus Drittländern ab dem 1.3.19. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Übergangsregelung nur auf die Haftung bezieht. Die Registrierungs- und Speicherpflichten nach § 22f UStG gelten bereits ab dem 1.1.19. Allein deren sehr kurzfristige IT-technische Umsetzung wird viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen.

    4. Änderungen zur praxistauglicheren Anwendung gefordert

    Weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, wann ein Unternehmer „seinen Verpflichtungen nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt“. Bei strenger Auslegung ist auch eine „geplatzte“ Lastschrift oder eine um einen Tag verspätet abgegebene USt-Voranmeldung ein solcher Verstoß, der zur Entstehung von Säumniszuschlägen führt. Eine „Bagatellgrenze“ sieht das Gesetz nicht vor, sodass zunächst davon auszugehen ist, dass auch bereits bei kleinen Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben eine Weitergabe von Informationen an den Marktplatzbetreiber droht.

     

    Auch dies ist im Hinblick auf die Tatsache, dass der Marktplatzbetreiber selbst nicht an das Steuergeheimnis gebunden ist, kritisch zu betrachten. Denn die Frage, ob ein Händler seinen steuerlichen Pflichten nachkommt, könnte neben dem Marktplatzbetreiber selbst durchaus auch für weitere Personen oder Unternehmen (z.B. Auskunfteien) von Interesse sein und der eine oder andere Marktplatzbetreiber dadurch gegebenenfalls auf die Idee kommen, diese Informationen „weiter zu verkaufen“.

     

    MERKE | Da es in der Rechtsprechung von FG und BFH bis heute keine eindeutigen Abgrenzungskriterien gibt, ab welcher Art, Menge oder Höhe von Umsätzen eine Unternehmereigenschaft auszugehen ist, sondern von den Gerichten regelmäßig auf ein Gesamtbild der Verhältnisse abgestellt wird (z.B. BFH 12.8.15, XI R 43/13, BStBl I 15, 919), ist fraglich, anhand welcher Kriterien nun der Marktplatzbetreiber die Entscheidung über die Unternehmereigenschaft seines Nutzers treffen soll.

     

    5. Akuter Handlungsbedarf

    Die Regelungen zur Haftung von Marktplatzbetreibern lösen akuten Handlungsbedarf bei Betreibern elektronischer Marktplätze, aber auch bei allen Unternehmern aus, die Waren über elektronische Marktplätze vertreiben. Denn die Haftungsregelungen und das Bescheinigungserfordernis gelten gleichermaßen für in- und ausländische Unternehmer.

     

    Zunächst sollten Mandanten identifiziert werden, die unter die Definition des Marktplatzbetreibers fallen könnten. Dies könnten deutlich mehr Unternehmen sein, als bei erstmaliger Lektüre des Gesetzentwurfs zu vermuten ist. Sofern ein Unternehmen (potenziell) Marktplatzbetreiber sein könnte, sind umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen, um einer Haftung ab dem 1.3.19 zu entgehen. Letztlich wird um eine Schließung und Neuregistrierung aller Verkäuferkonten unter Vorlage einer Unternehmerbescheinigung kaum ein Weg herumführen.

     

    Weiterhin sollte vorsorglich für alle Mandanten, die Waren auf elektronischen Marktplätzen vertreiben, eine Bescheinigung über die steuerliche Erfassung mit den in § 22f UStG geforderten Daten beantragt werden, um auch ab dem 1.1.19 handlungsfähig zu bleiben. Vordrucke für eine spezielle Bescheinigung sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Für ausländische Mandanten ist mit der Antragstellung zudem ein inländischer Empfangsbevollmächtigter gemäß § 123 AO zu benennen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 7 | ID 45636413

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