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  • 31.05.2013

    Finanzgericht München: Beschluss vom 18.01.2013 – 3 V 3225/12

    1. Eine sog. Escort-Agentur, die über eine Internetseite gegen Entgelt die Begleitung und die Erbringung sexueller Dienstleistungen
    durch Damen ermöglicht, welche sich ausschließlich gegenüber ihr und nicht gegenüber den Kunden zur Leistungserbringung verpflichten,
    ist als leistende Unternehmerin anzusehen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass bei vereinbarter Barzahlung die Damen das
    Entgelt entgegennehmen.


    2. Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage umfasst das gesamte von den Kunden für die Inanspruchnahme der Frauen aufgewandte
    Entgelt und nicht nur die von der Escort-Agentur einbehaltenen Beträge.


    Beschluss

    In der Streitsache


    hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch den Richter am Finanzgericht … als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung
    am 18. Januar 2013 beschlossen:


    1. Der Antrag wird abgelehnt.


    2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.


    Gründe

    I.

    Die Antragstellerin begehrt mit dem vorliegenden Antrag die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über die Festsetzung
    der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 20xx sowie der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für April, Mai und Juni 20xx,
    welche der Antragsgegner (das Finanzamt …; im Folgenden: FA) auf Grund von Feststellungen und Kontrollmaterial der Steuerfahndung
    geändert hatte.


    Die Antragstellerin betreibt nach ihrem eigenen Vorbringen in A eine Agentur zur Vermittlung von Begleitdamen (Escort Agentur),
    die es zahlenden Kunden ermöglicht, die Begleitung von Frauen einschließlich sexueller Leistungen in Anspruch zu nehmen.


    Zur Verwirklichung dieses Geschäftszwecks betreibt die Antragstellerin unter ihrem Firmennamen die Internetseite „http://www.xxxx-escorts.de/”,
    unter der die sogenannten Escort Ladies „gebucht” werden können, darüber hinaus können hier ausführliche Informationen über
    die einzelnen Damen und die Geschäftsbedingungen sowie die Preise der Leistungen abgerufen werden.


    Streitig ist zwischen dem FA und der Antragstellerin, ob die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze den gesamten
    von den Kunden zu zahlenden Betrag für die Inanspruchnahme der Frauen umfasst, oder ob die Bemessungsgrundlage nur die von
    der Antragstellerin einbehaltenen Beträge von circa 30 Prozent der Gesamteinnahmen zum Inhalt hat.


    Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten und zum Vorbringen der Beteiligten auf die Schriftsätze der
    Antragstellerin vom … verwiesen.


    Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

    die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 20xx vom 6. September 2012 und die Bescheide
    über Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für April, Mai und Juni 20xx jeweils vom 5. Dezember 2012 von der Vollziehung auszusetzen.


    Das FA beantragt,

    den Antrag abzulehnen.

    Mit Beschluss vom 7. Januar 2013 sind die Verfahren 3 V 3225/12 (UmsatzsteuerVorauszahlung 1. Quartal 20xx) und 3 V 3563/12
    (Umsatzsteuer-Voranmeldungen April, Mai, Juni 20xx) miteinander verbunden und unter dem Aktenzeichen 3 V 3225/12 fortgeführt
    worden.


    Mit Beschluss vom 17. Januar 2013 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

    II.

    Der Antrag ist unbegründet.

    1. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter
    Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit
    der Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen vom 6. September 2012 und vom 5. Dezember 2012 (vgl. Bundesfinanzhof
    (BFH)-Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298), und zwar aus folgenden Erwägungen:


    a) Zulässigkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der UmsatzsteuerVoranmeldungen April, Mai und Juni
    20xx


    Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bei summarischer Würdigung des Sachverhalts hinsichtlich der Bescheide über
    die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für April, Mai und Juni 20xx (jeweils vom 5. Dezember 2012) als zulässig zu erachten.


    Im Streitfall teilte der steuerliche Vertreter der Antragstellerin dem FA mit Schreiben vom 27. November 2012 mit, dass er
    die Bescheide über die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für April, Mai und Juni 20xx – jeweils vom 2. Oktober 2012 – nicht erhalten
    habe; er habe von den bestehenden Steuerforderungen nur durch eine Vollstreckungsankündigung Kenntnis erlangt; er legte zugleich

    „vorsorglich gegen diese Bescheide Einspruch ein”. Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte er diesen Sachverhalt auch dem Gericht mit und beantragte,
    „diese Voranmeldungen in das laufende Verfahren (3 V 3225/12)
    mit einzubeziehen”.


    Grundsätzlich besteht eine Einspruchsmöglichkeit auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob ein Verwaltungsakt wirksam bekannt gegeben
    worden ist oder ob mangels einer Bekanntgabe ein Nicht-Verwaltungsakt vorliegt (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und
    FGO, § 347 AO Rz. 16); davon ist hier bei summarischer Würdigung auszugehen. Die im Streitfall nachfolgend mit Datum vom 5.
    Dezember 2012 erlassenen Bescheide über die UmsatzsteuerVoranmeldungen für April, Mai und Juni 20xx sind dann gemäß § 365
    Abs. 3 S. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden.


    b) Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ist aber bei summarischer Würdigung unbegründet.

    aa) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) unterliegen die Lieferungen
    und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
    Wer Leistender im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist, ergibt sich im Allgemeinen aus den dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden
    schuldrechtlichen Beziehungen (BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BStBl II 1999, 628). Leistender ist demnach regelmäßig
    der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2000 V R 44/99, BStBl II 2000, 361).


    Fehlen allerdings zivilrechtliche Verpflichtungen, ist für die Bestimmung des leistenden Unternehmers auf das Außenverhältnis,
    also darauf abzustellen, wer für den Leistungsempfänger – vorliegend den Kunden des Escort Service – erkennbar als Unternehmer
    aufgetreten ist. Deshalb sind zum Beispiel die Umsätze eines Bordellbetriebes demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen
    an die Leistungsempfänger erbringt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 11/91, BFH/NV 1991,
    844; BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1997 V B 83/96, BFH/NV 1997, 766, vom 31. März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138 und vom
    29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827).


    bb) Bei summarischer Würdigung des Sachverhalts und der präsenten Beweismittel bleibt der Antrag schon deshalb ohne Erfolg,
    weil
    die schuldrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden nur mit der Antragstellerin begründet worden sind; ausschließlich sie ist zivilrechtlich zur Erbringung
    der versprochenen Leistungen verpflichtet.


    aaa) Da das Umsatzsteuerrecht bei der Bestimmung der Leistungen und der Leistungsbeziehungen grundsätzlich dem Zivilrecht
    folgt (BFH-Urteile vom 16. März 2000 V R 44/99, BStBl II 2000, 361 und vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094), sind
    auch im Streitfall die entsprechenden vertraglichen Verpflichtungen für die Feststellung von Art und Umfang der erbrachten
    Leistungen maßgeblich. Vorliegend bestehen aber nur zwischen den Kunden und der Antragstellerin derartige Verpflichtungen,
    dies ist bereits aus der Ausgestaltung ihrer Geschäftstätigkeit erkennbar, die im Wesentlichen über eine Internetseite betrieben
    wird. So findet sich auf der Homepage der Antragstellerin (
    http://www.xxxx-escorts.de/) wörtlich folgende einleitende Beschreibung ihrer Tätigkeit:


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    Aus diesem Angebot der Antragstellerin ergibt sich eindeutig, dass der Kunde nur vertragliche Verpflichtungen mit der Antragstellerin
    eingehen kann.


    Auch die weiteren Geschäftsbeziehungen werden dann im Einzelnen entsprechend dieser Vertragsbeziehungen abgewickelt:

    Zunächst können die Kunden unter der Internetseite „
    http://www.xxxx-escorts.de/” die Escort Ladies „buchen”, darüber hinaus können hier ausführliche Informationen über die einzelnen Damen und die Geschäftsbedingungen
    sowie die Preise der Leistungen abgerufen werden; dabei ist der Zugang zu diesen Seiten frei, nur für die so bezeichnete „Lounge”
    bedarf es einer Zugangsberechtigung. Bereits auf den frei zugänglichen Internetseiten erteilt die Antragstellerin detaillierte
    (und intime) Informationen über die einzelnen Damen (u.a. Alter, Körpermaße, Hobbies, Beruf und sexuelle Vorlieben) nebst
    Bildern in verschiedenen Posen und Bekleidungen. Hier existiert auch ein Suchfenster, in welches der Kunde die Attribute seiner
    eigenen Vorlieben einer „Begleiterin” eingeben kann, wie Alter, Größe, Haarfarbe etc. Darüber hinaus können die Kunden auch
    weitere individuelle (sexuelle) Wünsche an die Antragstellerin herantragen, dazu findet sich unter der Rubrik „Erotik erotische
    Phantasien” Folgendes:


    Lassen Sie also Ihre Fantasien und Träume Wirklichkeit werden!Wie immer diese auch aussehen mögen – vertrauen Sie mir diese an und die reizenden Escort Damen unserer Begleitagentur werden
    Ihre Wünsche begeistert erfüllen und Ihnen hingebungsvolle Gespielinnen sein!
    Ich freue mich auf Sie!Ihre B


    Aus dieser Tätigkeitsbeschreibung der Antragstellerin ist bei summarischer Würdigung zu schließen, dass ihre Leistungen gegenüber
    den Kunden darin bestehen, gegen Entgelt die Begleitung und die Erbringung sexueller Dienstleistungen durch solche attraktiven
    und kultivierten Damen zu erbringen, die sich wiederum ihr gegenüber zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet haben.


    bbb) Das Fehlen von (selbständigen) zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Escort Damen und den Kunden und die vollständige
    vertragliche Abwicklung des Services durch die Antragstellerin ergibt sich auch aus der tatsächlichen Durchführung der Geschäfte.


    So stellen nach Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin die konkreten „Anfragen” nach einzelnen Damen
    noch keine verbindlichen Buchungen dar. Erst wenn sich die Antragstellerin und der Kunde über die wesentlichen Vertragsbestandteile
    – wie Dauer, Art und Weise der Dienstleistung – geeinigt haben, kommt eine verbindliche Buchung bei der Antragstellerin zustande.
    Zuvor prüft die Antragstellerin, ob die vom Kunden ausgewählte Dame den Auftrag annehmen kann und will. Ein unmittelbarer
    Kontakt zwischen dem Kunden und dieser Escort-Lady besteht nicht.


    Über die Kontaktaufnahme über das Internet hinaus bietet die Antragstellerin unter der Rubrik „Kontakt” auch die Möglichkeit
    der telefonischen Kontaktaufnahme mit ihrem Unternehmen, die wie folgt besteht:


    Sie erreichen mich oder meine Assistentin telefonisch innerhalb folgender Bürozeiten:
    Montag-Freitag10-21 Uhr
    Samstag12-18 Uhr
    Sonntag12-18 Uhr
    an Feiertagen12-18 Uhr
    TELEFON
    INTERNATIONAL
    E-MAILmailto:info@xxxx-escorts.de


    ccc) Die unmittelbare und ausschließliche Leistungsbeziehung zwischen der Antragstellerin und ihren Kunden ist auch daraus
    zu ersehen, dass diese die Preise für die Dienstleistungen der Escort Ladies detailliert vorgibt:


    HONORAR*
    2 Std. Dinner Date210,–
    2 Std. Private Time390,–
    3 Std. Private Time490,–
    4 Std.590,–
    5 Std.710,–
    6 Std.770,–
    8 Std830,–
    12 Std.930,–
    24 Std.1400,–
    48 Std.2300,–
    48 Std. Weekend2000,–
    72 Std.2850,–
    1 Woche5350,–


    Einige Damen haben sogenannte „Premiumpreise”, diese liegen zwar deutlich über den vorgenannten Preisen, sie sind aber gleichfalls
    von der Antragstellerin vorgegeben und finden sich in den persönlichen Angaben zu diesen Damen. Darüber hinaus schreibt die
    Antragstellerin die Übernahme der Fahrtkosten durch die Kunden vor und sie gewährt bestimmte Preisnachlässe:


    Verehrter Gast,nachfolgend finden Sie die allgemeinen Angaben für die Aufwendungsvergütungen für die Buchung Ihrer Escort Lady aufgeführt.…Die Honorare sind bis auf wenige Ausnahmen für alle Escort Damen von xxxx Escorts gleich. Sie können sicher mindestens 30
    Tage vorher einen Termin mit einer unserer bezaubernden Damen fest vereinbaren? Dann sparen Sie 5% des Honorars auf diese
    Buchung!
    Voraussetzung für die Reservierung der gewünschten Dame ist eine Vorauszahlung in Höhe von 30% des vereinbarten Gesamtbetrags,
    die Sie per Überweisung oder Kreditkartenzahlung vornehmen können.
    Der Anzahlungsbetrag muss binnen 5 Tage nach Buchungsbestätigung überwiesen werden. Bei Stornierung oder Verschiebung des
    Termins auf ein anderes Datum entfällt der 5% Bonus. Der angezahlte Betrag wird Ihnen mit der nächsten Buchung gutgeschrieben.
    Bei Buchungen am Samstag/Sonntag zwischen 12 und 18 Uhr für den selbigen Tag, gewähren wir Ihnen einen Preisnachlass von 10
    % auf das Honorar verfügbarer Damen.
    Um eine rechtzeitige Anfrage wird gebeten.


    ddd) Auch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin ergibt sich, dass die Kunden nach dem Eingehen einer
    verbindlichen Buchung ausschließlich zur Antragstellerin vertragliche Beziehungen unterhalten. So bestätigt die Antragstellerin
    die Buchung; Umbuchungen sind nur ihr gegenüber möglich; Anzahlungen sind auf ihr Geschäftskonto zu leisten und Kreditkartenabbuchungen
    erfolgen in ihrem Namen.


    Dass die jeweils tätige Escort Lady nicht Vertragspartner des Kunden geworden ist, ergibt sich daraus, dass zwischen diesen
    Parteien keine Vereinbarungen geschlossen wurden, der Kunde kannte nicht einmal deren (wirklichen) Namen und Identität, weil
    die Damen nur unter ihrem „Künstlernamen” auftraten; umgekehrt erfährt die Escort Lady (ausschließlich) den Namen des Kunden
    erst bei erfolgreicher Buchung, über alle weiteren Identifikationsmerkmale verfügt nur die Antragstellerin.


    Die Escort Lady erfüllte demnach vorliegend ausschließlich ihre vertragliche Verpflichtung gegenüber der Antragstellerin laut
    den jeweiligen Agentur Verträgen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass diese Damen bei der vereinbarten Barzahlung diese
    Zahlungen entgegennahmen; dies stellt nur einen besonderen Zahlungsweg dar (vgl. in Tz. 1 b.ee), der im Übrigen durch die
    Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil wurde (…
    Die Zahlung erfolgt, soweit nicht anderweitig vertraglich vereinbart, in bar durch Übergabe eines unverschlossenen Briefumschlags
    durch den Kunden an die Escort Dame zu Beginn der Verabredung …
    ).


    cc) Der Antrag bleibt darüber hinausgehend auch deshalb ohne Erfolg, weil die Antragstellerin bei summarischer Würdigung
    erkennbar als Unternehmerin nach außen hin aufgetreten ist, so dass sie auch aus diesem Gesichtspunkt heraus als leistende Unternehmerin anzusehen ist (BFH-Beschluss vom 29. Januar
    2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827).


    aaa) Obwohl die Antragstellerin hier keinen (klassischen) Bordellbetrieb betreibt, so sind ihre Leistungen nach Überzeugung
    des Gerichts damit jedenfalls insoweit vergleichbar, als dass es den Kunden im Ergebnis ermöglicht wird, mit den Escort Ladies
    gegen Entgelt Geschlechtsverkehr zu betreiben.


    Die dahingehende Vergleichbarkeit mit einem Bordell ist bereits aus den vorgenannten Beschreibungen und aus dem Inhalt der
    Internetseite der Antragstellerin zu ersehen, denn letztlich wird den Kunden die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen
    ermöglicht. Selbst wenn es im Einzelfall nicht immer tatsächlich zu sexuellen Handlungen kommt, so ist dies auch in einem
    klassischen Bordell nicht zwingend notwendig, solange nur das vereinbarte Entgelt entrichtet wird. Die Tätigkeit der Antragstellerin
    unterscheidet sich vor allem darin von den klassischen Bordellen, dass sie eine gehobene (teure) und diskrete Form der Prostitution
    ermöglicht, deren Ausführung nicht an die Räumlichkeiten eines Bordells gebunden ist.


    bbb) Ausgehend von denen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zurechnung der Umsätze bei Bordellbetrieben (BFH-Beschluss
    vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827 m.w.N.) entwickelten Grundsätzen sind bei summarischer Würdigung auch die
    von den Begleitdamen (Escort Ladies) erbrachten Dienstleistungen der Antragstellerin zuzurechnen. Denn aus der Sicht der Leistungsempfänger
    (der Kunden oder Freier) hat die Antragstellerin unter dem Namen „xxxx Escorts” die Verschaffung von Geschlechtsverkehr mit
    Hilfe von Escorts Ladies ausgeführt; dabei haben diese Damen vor allem auch Prostitutionsleistungen erbracht.


    Für eine Erbringung dieser Leistungen im Namen des Betriebes der Antragstellerin spricht zunächst, dass der Kunde (Leistungsempfänger)
    aus seiner Sicht das Angebot der xxxx Escorts einschließlich des Angebots sexueller Dienstleistungen als eine Gesamtleistung
    der Antragstellerin wahrnehmen musste, auch wenn einzelne Leistungen durch den persönlichen Einsatz der Damen erbracht worden
    sind. Diese „Aufgabenteilung” ist aber Inhalt vieler unternehmerischer Tätigkeiten, wie zum Beispiel bei einem Friseur; dies
    führt aber grundsätzlich nicht zur Annahme eigener Leistungsbeziehungen.


    Der zentrale Inhalt der Leistungen der Antragstellerin besteht darin, dass sie ein den gehobenen Ansprüchen der potentiellen
    Kunden gerecht werdendes Angebot an Escort Ladies zur Verfügung stellt, die neben einem ansprechenden äußeren Erscheinungsbild
    auch über gesellschaftliche Erfahrungen verfügen müssen. Die Antragstellerin selber beschreibt das Anforderungsprofil der
    Escort Damen (unter der Rubrik Mitarbeit) wie Folgt:


    xxxx Escorts – Escort Service mit Sitz in A steht einem anspruchsvollen und exklusiven Kundenkreis vor allem in West-Europa
    mit seinem umfangreichen Service zur Seite.
    Unsere Begleitagentur bietet eleganten, attraktiven und aufgeschlossenen Damen mit Charisma die Möglichkeit – bei flexibler
    Zeiteinteilung – für Begleitungen aller Art wie z.B. Abendbegleitungen und auch Reisebegleitungen tätig zu sein.
    Dabei legt unser Begleitservice sehr viel Wert auf eine vertrauensvolle, seriöse und professionelle Arbeitsweise. Dies – wie
    unser Ziel und Anspruch in jedem Bereich beste Performance zu bieten – können wir nur mit einer außergewöhnlichen Crew schaffen,
    deren gemeinsames Ziel die beste Leistung für die Gäste unserer Begleitagentur aus Spaß an der Aufgabe sein soll und muss.
    Der gemeinsame Gedanke bringt es mit sich, dass wir in einem Team mit hervorragendem Arbeitsklima arbeiten, in dem auch jederzeit
    die persönlichen Bedürfnisse und Lebensumstände Berücksichtigung finden.
    Unsere Escort Agentur verlangt keine Aufnahmegebühren von Ihnen! Falls Sie sich entschlossen haben, für unseren Escort Service
    tätig zu werden, wird jede seriöse Anfrage an Sie weitergeleitet. Diese können Sie selbstverständlich ablehnen. Sie unterliegen
    in keiner Form einer Weisung durch uns.


    Im Streitfall bedurfte die Antragstellerin zur Kontaktanbahnung zwischen Freier und Escort Lady keiner speziellen Räume (Kontaktraum,
    Bar), sie hat dies vielmehr durch die Einrichtung und Betreuung ihrer Internetseite sowie zusätzlich durch die telefonische
    Erreichbarkeit einer Mitarbeiterin bewerkstelligt. Das Zusammentreffen selber wurde von ihr telefonisch (oder per SMS) zwischen
    dem Kunden und der Escort Lady in der Weise vorbereitet, dass sie einen Treffpunkt zu einem konkreten Zeitpunkt vereinbarte;
    eventuelle Änderungen konnten nur über sie vorgenommen werden. Auch mussten sich die Escort Ladies jeweils am Beginn und am
    Ende ihres „Treffens” bei der Antragstellerin melden, eventuelle Verlängerungen waren der Antragstellerin umgehend durch die
    Escort Lady mitzuteilen.


    dd) Eine Aufteilung etwa dergestalt, dass sich die Leistung der Antragstellerin auf die Ermöglichung der Kontaktanbahnung
    beschränkt hätte, während die Escort Ladys die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr als eigene Leistung angeboten hätten, lag
    aus Sicht der Freier ebenfalls nicht vor. Denn die Kunden haben die (vorgegebenen) Preise für sexuelle Dienstleistungen als
    Gesamtpreise der Antragstellerin verstehen müssen. Dies ergibt sich daraus, dass diese Preise je nach Zeitdauer und Art der
    erbrachten Dienstleistung unabhängig von der ausführenden Escort Lady (mit Ausnahme der Premium Ladies) einheitlich gewesen
    sind, so dass der Kunde von einer Preisgestaltung der Antragstellerin, nicht aber einzelner Escort Ladies ausgehen musste.
    Insbesondere haben die Kunden auch deswegen keinen Leistungsbezug von verschiedenen Anbietern erkennen können, weil sie nicht
    wussten, wie sich die verlangten Preise zusammensetzten.


    ee) Allein aus der Tatsache, dass bei Barzahlung das Entgelt direkt an die Escort Ladies geflossen ist, haben die Kunden in
    Anbetracht der oben geschilderten Gesamtumstände nicht den Schluss ziehen können, dass die Leistungsbeziehung nicht zu dem
    Unternehmen der Antragstellerin, sondern zu den einzelnen Damen bestand.


    ff) Die Einwendungen der Antragstellerin führen bei summerischer Beurteilung zu keiner anderen Beurteilung.

    Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen der Escort Agentur ist das Entgelt,
    das die Kunden aufgewendet haben (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Dazu zählt auch der für die Escort Lady vorgesehene Teil des Entgelts,
    weil, wie oben ausgeführt, auch diese Leistungen im Namen des Unternehmens der Antragstellerin den Kunden gegenüber erbracht
    worden sind, unabhängig davon, ob dieser unmittelbar von den Escort Ladies oder von einer (anderen) Zahlstelle des Unternehmens
    kassiert wurde.


    Daher können die den Escort Ladies zustehenden Anteile der Zahlungen der Kunden auch nicht als durchlaufender Posten im Sinne
    von § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG beurteilt werden.


    Nach dieser Vorschrift gehören (nur) die Beträge nicht zum Entgelt, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen
    vereinnahmt.


    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenUStG § 1 Abs. 1, UStG § 10 Abs. 1 S. 2, UStG § 10 Abs. 1 S. 5, FGO § 69 Abs. 2 S. 2, FGO § 69 Abs. 3 S. 1